1. - S wie Startaufstellung

"Das war schon überraschend", gestand Mario Theissen am Samstagnachmittag in Shanghai. Sebastian Vettel und Fernando Alonso starten aus der ersten Reihe, die beiden überlegenen Brawn-Piloten der ersten beiden Rennwochenenden nur von den Plätze 4 für Rubens Barrichello und 5 für Jenson Button. "Ich habe vorhin mit Flavio [Briatore] gesprochen, der war selbst überrascht", sagte Theissen.

Die beiden Piloten aus der ersten Reihe waren zwischenzeitlich sogar besorgt. Bei Vettel machte die Antriebswelle Probleme, weswegen er im 3. Training nur wenig zum Fahren gekommen war. "Wir haben versucht, das Auto zu schonen und so wenig wie nötig zu fahren." Für Vettel bedeutet das: im Q2 und Q3 fuhr er jeweils nur eine gezeitete Runde - beide Male war es die schnellste der Session. "Großes Kompliment an ihn", lobte ihn Norbert Haug im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Er ist wirklich ein cooler Hund." Geholfen hat es ihm auch: "Wir haben Reifen gespart und das Ergebnis könnte nicht besser sein."

Fernando Alonso erging es ähnlich. Auch er hatte im Freien Training Probleme mit dem neuen Unterboden, den das Team über Nacht installiert hatte. "Es war ein merkwürdiges Wochenende für uns", sagte Alonso. "Am Morgen hatten wir praktisch ein komplett neues Auto und konnten nur wenige Runden damit fahren. Zu Beginn des Qualifyings hatten wir ein bisschen Zweifel, es war ein Stochern im Nebel, da ich nicht genau wusste, wie das Auto reagieren würde. Aber Platz 2 ist ein riesiger Motivationsschub für das Team."

Vettel und Alonso überraschten in Shanghai., Foto: Sutton
Vettel und Alonso überraschten in Shanghai., Foto: Sutton

Und wo stehen die Ferrari? Felipe Massa schied erneut vorzeitig ist, diesmal allerdings erst im Q2. Kimi Räikkönen rettete sich in die Top-10, startet im Rennen allerdings noch hinter Jarno Trulli und Nico Rosberg von Platz 8.

2. - S wie Start

Der Start ist immer spannend, besonders aber in China, wo die erste Kurve eine ganz besondere Charakteristik aufweist: "Du musst bis weit in die Kurve hinein bremsen, den Wagen dabei immer am Limit halten und gerade genug Geschwindigkeit abbauen, um den Scheitpunkt optimal zu treffen", erklärt Fernando Alonso. "Das Auto muss sich dabei absolut neutral verhalten, denn jedes noch so kleine Übersteuern kostest dich wertvolle Zeit im ersten Sektor."

Besondere Bedeutung kommt mal wieder KERS zu, denn am Start ist das neue System eine echte Hilfe. "Hier gibt es eine lange Zielgerade, wo KERS ein Vorteil sein könnte", sagt Vettel. "Also freue ich mich, dass Fernando [Alonso] es nicht benutzt." Dafür hat Lewis Hamilton die Zusatz-PS auf Abruf bereit: "Vielleicht kann er so zwei, drei Leute am Start überholen", hofft Norbert Haug.

3. - S wie Strecke

Der Shanghai International Circuit zählt zu den weitläufigsten und größten Anlagen im Formel 1-Kalender. Wie viele der vom Aachener Architekten Hermann Tilke entworfenen Kurse verfügt die Strecke über eine große Bandbreite unterschiedlicher Kurven - von ultraschnell bis sehr langsam.

Eine gute Überholmöglichkeit bietet sich am Ende der langen Geraden beim Anbremsen der engen Schikane. Aus technischer Sicht stellt die Strecke für Fahrer und Ingenieure gleichermaßen eine Herausforderung dar - nicht zuletzt wegen der scheinbar endlosen ersten Kurve, die fast einen vollständigen Kreis beschreibt.

Die beste Überholmöglichkeit sieht Nelsinho Piquet vor Kurve 14. "Aus Kurve 13, einer lang gezogenen Rechts, beschleunigen wir voll auf die die längste Gerade der Strecke." Dort erreichen die Autos weit über 300 km/h. "Es ist schwierig, durch Turn 13 dicht hinter einem Konkurrenten zu bleiben." Dank KERS könnten die beiden McLaren-Fahrer und Nick Heidfeld hier einen Vorteil haben, sie fahren als einzige mit den Zusatz-PS. "Beim Anbremsen der 14. Kurve darfst du es aber nicht übertreiben, weil du dir damit die ganze Rundenzeit ruinieren und vielleicht sogar eine Position verlieren kannst."

4. - S wie Setup

Aerodynamik In puncto aerodynamischem Abtrieb gilt es, einen Kompromiss zu finden: Kurvenstabilität mit viel Abtrieb auf der einen Seite, ausreichender Speed zum Überholen andererseits. Die Turns 7 und 8 zählen zu den schnellsten Kurven und führen zur anspruchsvollen Doppel-Links (Turns 9 und 10).

Ferrari hat sich in Shanghai noch nicht mit Ruhm bekleckert., Foto: Sutton
Ferrari hat sich in Shanghai noch nicht mit Ruhm bekleckert., Foto: Sutton

Aufhängung Gefragt ist ein gelungener Kompromiss, der dem Fahrer über die gesamte Renndistanz Vertrauen in das Handling gibt. In Shanghai wechseln sich pro Runde mehrere Bremsmanöver aus hohen Geschwindigkeiten mit schnellen Kurven und zahlreichen Beschleunigungsphasen ab. Hinzu kommen verschiedene Richtungswechsel bei hohen und niedrigen Geschwindigkeiten. All dies verlangt nach einem tendenziell steiferen Vorderwagen, um Lenkimpulse unmittelbar umsetzen zu können. Hinten kommen weichere Federn zum Einsatz, um optimale Traktion und Bremsstabiliät zu garantieren. Die Ingenieure konzentrieren sich vor allem auf ein stabiles Fahrverhalten bei starkem Bremsen und im Teillastbereich, da die Fahrer oftmals gleichzeitig lenken und verzögern bzw. beschleunigen müssen - beispielsweise in den Turns 1, 2 und 8.

Reifen Shanghai stellt insgesamt recht hohe Anforderungen an die Reifen. Nicht nur die extremen Seitenführungskräfte - zum Beispiel in Turn 1 (vorne links), Turn 7 (vorne rechts) und Turn 8 (vorne links) - setzen den Pneus zu. Während der harten Beschleunigungsmanöver nach den vielen langsamen Kurven werden auch die Hinterreifen stark beansprucht. Die erste Kurve stellt mit ihrem enger werdenden Radius eine besondere Herausforderung dar.

Motor Aus Motorensicht stellt Shanghai keine besondere Herausforderung dar. Die Triebwerke arbeiten lediglich rund 55 Prozent einer Runde unter Volllast. Die lange Gegengerade verlangt allerdings nach hoher Motorleistung, da die Anfahrt auf Turn 14 die beste Überholmöglichkeit der gesamten Runde darstellt. In dieser Passage werden die mit KERS ausgestatten Autos das Potenzial dieser Technologie besonders gut ausspielen können.

5. - S wie Strategie

Samstagabend in Shanghai. Das Rätselraten um die Spritmengen ist in diesem Jahr verschwunden, trotzdem wird viel über die Strategien gegrübelt. "Entscheidend ist die Frage, wie lange hält der weiche Reifen?", verrät Mario Theissen. "Der harte ist stabil, damit kann man im Prinzip alles machen."

Nick Heidfeld räumt unterdessen mit dem Märchen auf, dass der 11. Platz ja so viel besser ist als der 10., weil er nun die Spritmenge frei wählen kann. "Sicher ist das besser als auf 9 oder 10, aber wenn ein Fahrer ins Q3 kommt und nur darauf spekuliert, Neunter oder Zehnter zu werden, kann er das auch machen, wie Alonso beim letzten Rennen."

Fernando Alonso hat das leichteste Auto im Feld., Foto: Sutton
Fernando Alonso hat das leichteste Auto im Feld., Foto: Sutton

In Shanghai machen 10 Kilo mehr Gewicht dreieinhalb Zehntel Unterschied pro Runde aus. Entsprechend ist es fair zu sagen, dass die Brawn-Boliden benzinbereinigt wohl vor Vettel, Alonso und Webber gestanden hätten, die mit den leichtesten Autos ins Rennen gehen. "Aber Red Bull war das ganze Wochenende gut", betont Ross Brawn. "Es wird ein hartes Rennen."

Vettels Teamchef Christian Horner kündigte bereits eine aggressive Strategie an, die nicht nur die Spritmenge, sondern auch die Anzahl der Boxenstopps betreffen könnte. So wäre auch eine Dreistoppstrategie denkbar. McLaren Mercedes setzt bei Lewis Hamilton auf das Gegenteil: "Lewis wird 26 Runden fahren", verriet Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Ich denke, die Ersten werden ab Runde 10 hereinkommen und vorher den weicheren Reifen am Anfang fahren. Wir wollen ihn ganz am Schluss nehmen."

Nico Rosberg sieht das ähnlich. "Ich denke, die Spitze fährt zwölf, dreizehn Runden mit den weichen Reifen und dann kommen sie in die Box und haben das erledigt. Danach geht es mit den harten weiter."

Die Fahrzeuggewichte nach dem Qualifying

Heikki Kovalainen 697,9 kg
Nelsinho Piquet 697,9 kg
Felipe Massa 690,0 kg
Sebastien Bourdais 690,0 kg
Kazuki Nakajima 682,7 kg
Giancarlo Fisichella 679,5 kg
Lewis Hamilton 679,0 kg
Nick Heidfeld 679,0 kg
Kimi Räikkönen 673,5 kg
Sebastien Buemi 673,0 kg
Jarno Trulli 664,5 kg
Rubens Barrichello 661,0 kg
Robert Kubica 659,0 kg
Jenson Button 659,0 kg
Timo Glock 652,0 kg
Nico Rosberg 650,5 kg
Adrian Sutil 648,8 kg
Mark Webber 646,5 kg
Sebastian Vettel 644,0 kg
Fernando Alonso 637,0 kg

6. - S wie Sonntagswetter

Die Wetterfrösche sind die beliebtesten Haustiere im Fahrerlager. Vor dem Rennen quaken sie Regenwahrscheinlichkeiten von 30-50 Prozent hinaus, extreme Regenfreunde sprechen sogar von bis zu 90% und starkem Regen gegen Sonntagabend. "Echt?", fragt Nico Rosberg, bleibt dann aber cool: "Das ist mir eigentlich egal. Es kann regnen, trocken sein, das ist mir egal."

Timo Glock sieht das anders. "Wenn es regnet, dann ist natürlich alles möglich", sagt der Toyota-Mann, der wegen eines Getriebewechsels von Platz 19 ins Rennen gehen muss. "Ich hoffe, dass die Wahrscheinlichkeit noch steigt, im Trockenen wird es für uns schwierig." Ins gleiche Horn bläst Nick Heidfeld: "Ich hoffe auf Regen, aber die Wahrscheinlichkeit ist gering."

7. - S wie Spannung

Für Spannung ist vor dem dritten Saisonrennen also gesorgt: Ein Deutscher auf der Pole, einige Überraschungsmänner dahinter, die Favoriten aber nicht außer Reichweite. "Jenson und ich kennen hier den Weg zum Podium, also hoffen wir, dass wir das wiederholen können", kündigt Rubens Barrichello an.

Christian Horner und Jenson Button schieben sich hingegen die Favoritenrolle gegenseitig zu. "Brawn ist schon noch schneller als wir", sagt Horner. "Bei der absoluten Pace haben sie immer noch das schnellste Auto, aber wir sind nahe dran." Entsprechend sieht er eine echte Chance auf den Sieg.

Button glaubt das auch. "Wenn man sich Q2 ansieht, da waren sie so drei Zehntel vor uns", erinnert er. "Also ja, sie sind stark und das hat nichts mit langsam Fahren oder viel Benzin zu tun, denn das war Q2, da fährt jeder mit wenig Benzin. Die werden schwer zu schlagen sein."

Nur die Zuverlässigkeit könnte Red Bull einen Strich durch die Rechnung machen. "Es sind hier ein paar dumme kleine Sachen passiert", gesteht Horner. "Aber wir sind zuversichtlich, dass wir morgen eine gute Zuverlässigkeit haben sollten."