Ein bisschen kurios ist die Situation schon: Ausgerechnet an dem Wochenende, an dem sich im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung nicht Fernando Alonso, sondern Lewis Hamilton im McLaren-Team sehr viele Sympathien verscherzte, wurden die Abwanderungsgedanken des Weltmeisters immer massiver. Auch wenn Teamchef Ron Dennis jetzt in Budapest in der ganzen "Blockade- und Strafenaffäre" eindeutig auf Alonsos Seite stand - der Spanier hat offensichtlich massive Zweifel daran, dass Dennis die Situation so in den Griff bekommt, dass er damit leben kann. Es geht um viel mehr als um die Differenzen mit Hamilton, mindestens genauso große Probleme hat Alonso damit, dass er sich im Team immer noch nicht genügend respektiert und anerkannt fühlt. Wobei natürlich solche Aktionen wie am Donnerstag, als Dennis ihn von der offiziellen FIA-Pressekonferenz zurückzog, nicht helfen. Dass ein zweimaliger Weltmeister sich da gegängelt vorkommt, das Gefühl hat, man traue ihm offensichtlich zumindest abseits der Strecke überhaupt nichts zu, ist kein Wunder.

Brachte Ungarn Alonsos Abgang endgültig ins Rollen?, Foto: Sutton
Brachte Ungarn Alonsos Abgang endgültig ins Rollen?, Foto: Sutton

Die Baustellen, die Ron Dennis in seinem Team zu reparieren hat, sind allerdings sowieso nicht zu unterschätzen. Dass Lewis Hamiltons Vater Anthony in Ungarn nicht nur am Samstag auf der FIA-Pressekonferenz auftauchte, sondern dann auch noch alles versuchte, um einen offiziellen Protest gegen Alonso auf den Weg zu bringen, kann Dennis nicht gefallen haben. Anthony Hamilton versuchte es zunächst bei Bernie Ecclestones rechter Hand im Fahrerlager, Paquale Lattanedu. Als der ihm ziemlich klipp und klar sagte, er solle das lassen, schreckte ihn das nicht - er schlug sich bis zu den Sportkommissaren durch, um dort seine Klagen loszuwerden... Egal, wieviel die Aktion von Papa Hamilton am Ende zum Einschreiten der Kommissare und den Strafen für Alonso, aber auch McLaren beitrug: Dennis weiß jetzt, dass er eine tickende Zeitbombe in engster Umgebung hat - und das zusammen mit der Enttäuschung über seinen "Ziehsohn", der sich erstmals gegen ihn auflehnte, das ging ihm schon gewaltig ans Gemüt. Und jetzt soll er in dieser Lage auch noch Alonso überzeugen, dass sich all das Chaos beseitigen lasse...

Ein früher sehr hoch in der Hierarchie angesiedelter McLaren-Mercedes-Insider meinte zwar, das Problem einer "Flucht" Alonsos könnte sich schon deshalb lösen, weil niemand das Geld habe, ihn erst aus seinem Vertrag herauszukaufen und dann auch noch seine Gehaltsforderungen zu bezahlen. Aber wer weiß, ob nicht vielleicht sogar beide, Alonso und Dennis, bereit wären, da ein paar Abstriche zu machen, wenn unter den gegebenen Umständen eine Zusammenarbeit einfach nicht mehr sinnvoll erscheint.

Wie lange stellt sich Alonso noch als McLaren-Fahrer den Medien - so er es denn überhaupt darf?, Foto: Sutton
Wie lange stellt sich Alonso noch als McLaren-Fahrer den Medien - so er es denn überhaupt darf?, Foto: Sutton

Die andere Frage ist, welche Alternativen Alonso wirklich hat. Dass sein Manager Luiz Garcia an diesem Wochenende wieder ernsthafte Gespräche mit Renault führte, ist ein offenes Geheimnis. Andererseits war der Spanier dort ja gerade in seinem letzten Jahr 2006 alles andere als glücklich. Und es gibt noch ein Hindernis: Die Santander-Bank als Sponsor würde sehr gerne mit Alonso mitgehen - aber Renault ist bereits mit einem Finanzunternehmen, ING, verbandelt. Ein ähnliches Problem würde sich auch bei BMW-Sauber mit der Credit Suisse ergeben. Denn auch wenn BMW-Motorsport-Direktor Dr. Mario Theissen offiziell erklärt, das Thema Alonso sei für ihn im Moment überhaupt keines: Dass er nicht zumindest darüber nachdenkt, wenn sich plötzlich die Chance ergibt, einen zweimaligen Weltmeister und den im Moment wohl immer noch besten und komplettesten Fahrer überhaupt zu bekommen, kann sich im Fahrerlager auch kaum jemand vorstellen. Und man sollte sich nicht wundern, wenn sich auch die Rennsport-Bosse anderer großer, reicher Konzerne im Moment ganz schnell Alonsos Telefonnummer besorgen würden.

"Eines ist sicher, Alonso wird nächstes Jahr nicht mehr bei McLaren fahren", soll jedenfalls ein Mitglied des Managements eines Konkurrenzteam in Ungarn gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärt haben. "Bist du happy, weiter bei diesem Team zu bleiben", wurde Alonso selbst am Sonntagabend in Budapest gefragt. "Ich weiß es wirklich nicht", war die schon sehr vielsagende Antwort...