16 Rennen hat es gedauert, bis Michael Schumacher erstmals in dieser Saison die WM-Führung übernahm, in früheren Jahren gab er sie für einen genauso langen Zeitraum nicht ab. Nach dem Saisonhalbzeit-GP in Montreal fehlten ihm noch 25 Punkte auf den Titelverteidiger Fernando Alonso. In Shanghai zog er nun nach Punkten mit ihm gleich; 116:116 heißt es zwei Rennen vor dem Ende. Dank seiner 7:6 Siege führt Schumacher die WM-Tabelle aber schon jetzt an. Dabei hat er das Rennen nicht nur gewonnen, Alonso hat es genauso sehr verloren...

Das Rennen gewonnen

Hier war das Rennen schon so gut wie verloren..., Foto: Sutton
Hier war das Rennen schon so gut wie verloren..., Foto: Sutton

Am Sonntagmorgen gab es im roten Lager nur ein Thema: Schadensbegrenzung. Wie kann man unter den als "Michelin-Bedingungen" zu bezeichnenden Wetterverhältnissen noch das Beste aus dem China GP herausholen? Während Jean Todt bereits die möglichen Rückstände auf Fernando Alonso berechnete, wäre Michael Schumacher sofort einen Pakt mit dem Spanier eingegangen. "Selbst wenn Fernando gewonnen hätte, hätte ich nur zwei Punkte verloren - das wäre noch im Rahmen gewesen", sagte er im Nachhinein. "Vor dem Start hätte ich so ein Angebot sicher sofort unterschrieben und wäre gleich nach Suzuka gefahren."

Nach dem Rennen war er umso glücklicher, dass ihm ein solcher Alonso'scher Pakt niemals angeboten wurde. "Ich bin komplett aus dem Häuschen", strahlte er nach seinem siebten Saisonsieg, der ihn nicht nur auf das Siegerpodest hüpfen, sondern schon zuvor in die Arme seiner Mechaniker segeln sah.

Der Weg zum Glück war allerdings lang und "extrem". Am Freitag sah es für Ferrari auf trockener Strecke gut, aber nicht euphorisch aus. Im Qualifying kam dann der Regen und mit ihm die Unterlegenheit von Bridgestone. Erst im Rennen wendete sich das Blatt. "In den entscheidenden Phasen des Rennens funktionierten unsere Reifen wesentlich besser als die der Konkurrenz", analysierte Schumacher. "Das war der entscheidende Faktor, warum wir das Rennen drehen konnten." Allerdings habe man auch von Fehlern der Konkurrenz profitiert, "die uns speziell bei Fernando ins Rennen zurückgebracht haben".

Die Führung übernahm er mit einem kompromisslosen Manöver gegen Giancarlo Fisichella. "Ich wusste, dass es in Kurve 1 für ihn schwierig werden würde", sagte Schumacher über das siegbringende Manöver. "Ich wusste das, weil ich ja zuvor die Reifen gewechselt hatte und es auch im Training dort einige Dreher gegeben hatte. Deswegen war ich an dieser Stelle immer vorsichtig und rechnete damit, dass er vielleicht ein Problem haben könnte." Genauso sollte es kommen. "Das hat mir den Sieg gebracht."

Das Rennen verloren

Shanghai hatte seinen roten Kaiser., Foto: Sutton
Shanghai hatte seinen roten Kaiser., Foto: Sutton

25 Runden lang durfte Fernando Alonso vom Sieg träumen, "da lief alles perfekt", konstatierte er. Bis zu seinem ersten Boxenstopp hatte er damit Recht: Er stand auf der Pole, sein Teamkollege daneben, Michael Schumacher startete nur von Platz 6 und Felipe Massa sogar nur von Platz 20. Es war alles für eine gelb-blaue Show gerüstet - sogar die Streckenverhältnisse kamen den Michelin-Pneus zu Beginn entgegen.

Doch dann kam es zu dem entscheidenden Fehler. "Wir entschlossen uns nur die Vorderreifen zu wechseln, da sie praktisch Slicks waren", so Alonso. "Das war keine glückliche Entscheidung. Denn Giancarlo und Michael sind bei ihren Reifen geblieben und konnten schnell zu mir aufschließen. Ich dachte, ich verliere vielleicht in der ersten Runde etwas Zeit", sagte Alonso weiter. "Außerdem hatte ich 20 Sekunden Vorsprung. Wer hätte gedacht, dass ich die so schnell verliere?"

Alex Wurz zum Beispiel. "Wenn man unter so schwierigen Bedingungen unterschiedliche Reifen am Auto hat, dann kann das nicht funktionieren", kritisierte der Williams-Testfahrer die Entscheidung der Franzosen die Vorderreifen von Alonso zu wechseln. "Ich bin von dieser Entscheidung enttäuscht." Hinterher sah dies auch Alonso ein: "Dadurch hatte ich einen Nachteil - das hat uns das Rennen gekostet. Wir haben natürlich noch versucht, ein Wunder zu produzieren, aber es war zu spät."

Was aber war das Problem? "Wir hatten einen schönen Vorsprung und wir dachten, wir würden für ein paar Runden ein bisschen Graining haben und dann würde es gehen", verriet Renault-Motorenmann Denis Chevrier. "Stattdessen blieb das Graining sehr lange." Wie sich herausstellte zu lange...

Gingen hier Alonsos Titelchancen zu Bruch?, Foto: Sutton
Gingen hier Alonsos Titelchancen zu Bruch?, Foto: Sutton

Besonders traurig war Alonso, weil das Rennen "die einzige Phase" an diesem Rennwochenende gewesen sei, "in der wir nicht schneller waren. Wir haben eine Chance verpasst." Der Spanier sah Renault sowohl im Trockenen als auch unter Nassen Bedingungen vorne - nur eben nicht auf abtrocknender Strecke und erst Recht nicht mit den falschen Reifen. Das Radmutterproblem bei seinem letzten Boxenstopp sah er hingegen nicht mehr als tragisch an. Vielmehr ärgerte ihn das Überholmanöver von Fisichella. "Ich glaube nicht", wunderte er sich, "dass Massa in einer ähnlichen Situation an Schumacher vorbei gefahren wäre."

Letztlich bestätigten sich in China Chevriers schlimmste Befürchtungen: "Bevor wir hier her kamen, war die schlimmste Situation für mich, dass wir uns selbst schlagen könnten. Leider wurden wir heute nur von uns selbst geschlagen."

Rennanalyse: Die Beherrschung verloren

Regen bringt Segen: Der dritte China GP der F1-Geschichte bestätigte diese alte Weisheit. Überholmanöver, Zweikämpfe, wechselnde Kräfteverhältnisse - es war alles drin, sogar eine Kollision in der letzten Kurve.

Nick Heidfeld war darüber ganz und gar nicht erfreut. "So habe ich mich in meiner ganzen Karriere noch nie aufgeregt", grummelte er nach dem Verlust von Platz 4. Aber auch sein Motorsportdirektor Mario Theissen gab Gas: "Bis zum Schluss lag ich auf sicherem Kurs zu Platz vier. Dann haben ein paar Schlusslichter Mist gemacht." Leider bekam dies mit Sakon Yamamoto der falsche Super Aguri-Pilot zu spüren...

Ausblick: Den Titel schon fast gewonnen?

Viel spricht derzeit für einen achten Titelgewinn von Michael Schumacher. Selbst unter den schwierigen Bedingungen von Shanghai konnten die Roten am Ende triumphieren. Zudem muss Fernando Alonso eigenen Aussagen zu Folge einen Mehrfrontenkrieg ausfechten - gegen Ferrari, Bridgestone und sein eigenes Team. "Daran gibt es keinen Zweifel", meinte Alonso am Sonntagabend in Shanghai. "Sie wollten heute den zweiten und dritten Platz, die 14 Punkte für die WM, und sonst nichts."

Es kriselt bei Renault..., Foto: Sutton
Es kriselt bei Renault..., Foto: Sutton

Entsprechend sieht der Spanier die Unterstützung seines Teams schwinden. "Sie wären happy, wenn ich die Nummer eins nicht zu einem anderen Team mitnehmen würde", stichelte er weiter gegen seinen Noch-Arbeitgeber - ob ihm das im Titelkampf in den letzten zwei Rennen behilflich sein kann, ist doch eher fraglich. Die ersten internen Risse zeichnen sich bereits ab. Trotz anders lautender Aussagen von Denis Chevrier behaupten einige Michelin-Verantwortliche, dass sie bei der Reifenentscheidung nie gefragt worden seien. Pat Symonds soll zudem gesagt haben, dass Alonso mit seiner Wahl die Reifen zu wechseln danebengelegen habe. Er habe ihm einfach geglaubt, weil der Spanier bei so etwas normalerweise immer gut liegt. Es kriselt bei den Gelb-Blauen...

Ganz anders bei Ferrari. Dort hatte Michael Schumacher vor dem China GP noch die "meisten Kopfschmerzen". Denn im Reich der Mitte hatte es für ihn bislang noch nie gut ausgesehen. Nach seinem siebten Saisonsieg pries er jedoch die Aufholjagd seines Teams - man merke den Unterschied zu Alonso. "Es ist fast ein Wunder, dass wir nun vorne liegen, wenn man bedenkt, wie weit wir zur Saisonmitte hinten gelegen haben", erinnerte er sich zurück. "Das ist eine tolle Leistung des gesamten Teams, sie hat uns hierher gebracht." Jetzt stünden "heiße Wochen" an, in denen der Titel erst beim Saisonfinale in Brasilien vergeben würde - dennoch könnte er rein rechnerisch schon in Suzuka alles klar machen und den Titel gewinnen, den Renault dann verloren hätte.