Ein Formel 1-Star zu Gast bei Freunden: Honda Racing F1-Pilot Rubens Barrichello stattete auf seinem Weg zum Großen Preis von Deutschland dem Michelin Reifenwerk in Karlsruhe einen Besuch ab. Der 34-jährige Brasilianer, aktuell auf Rang acht in der Fahrer-Weltmeisterschaft, nahm an einer ausführlichen Führung durch die modernen Produktionsanlagen sowie das hauseigene Museum teil und stellte sich den Fragen der interessierten Mitarbeitern von Michelin.

"Wir Formel 1-Fahrer kümmern uns um die Reifen unserer Rennwagen erst, wenn sie auf die Autos montiert werden", antwortete Grand Prix-Pilot Rubens Barrichello auf die Begrüßung durch Werksleiter Uwe Jackstadt. "Dabei vergessen wir zu oft, welche Arbeit und welches Know-how dahintersteckt und mit welchem Engagement die Mitarbeiter von Michelin uns unterstützen - ganz gleich, ob in der Abteilung ,Competition' oder in den übrigen Standorten der Gruppe."

In Karlsruhe traf der Honda Racing F1-Pilot auf einen alten Bekannten: Pierre Dupasquier, der bis Ende 2005 die weltweiten Motorsportaktivitäten der Gruppe geleitet und für die Marke in 32 Jahren mehr als 180 WM-Titel und rund 1.300 Siege in den unterschiedlichsten Disziplinen errungen hat. "Ich habe extra Ferrari verlassen, damit ich endlich mit dir arbeiten kann - schon bist du nicht mehr da", flachste Barrichello beim Handshake mit dem charismatischen Formel 1- Urgestein.

Wie groß und lebhaft das Interesse der Mitarbeiter von Michelin an der Formel 1 im Allgemeinen und dem Abschneiden des Partnerteams Honda Racing F1 im Speziellen ist, bekam der sympathische Mann aus Sao Paulo bei seinem Rundgang durch die Werkshallen sogleich zu spüren: Die dort Beschäftigten überschütteten den neunfachen Grand Prix-Sieger, der in diesem Jahr erstmals auf Pneus von Michelin an den Start geht, förmlich mit Fragen - denen der Vizeweltmeister von 2002 und 2004 ebenso bereitwillig wie ausführlich Rede und Antwort stand.

Wie sehen Sie ihre Chancen für den bevorstehenden Großen Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring?
Rubens Barrichello
"Unsere Testfahrten in der vergangenen Woche verliefen überaus positiv. Erstmals ist uns ein deutlicher Schritt nach vorne gelungen. Jetzt blicke ich der zweiten Saisonhälfte optimistisch entgegen. Der Sprung aufs Podest bleibt schwierig, ist aber möglich. Wir wollen den vierten Rang von Honda in der Konstrukteurs-WM gegen Toyota verteidigen. Die richtigen Reifen dafür stellt uns Michelin auf jeden Fall zur Verfügung."

Sind die Pneus von Michelin besser als jene des Mitbewerbers?
RB
"Ja, das sind sie, sie bieten deutlich mehr Grip - vor allem in der ersten Runde. Wirklich schade, dass Michelin am Ende der Saison die Formel 1 verlassen wird."

Seit Beginn der Saison gehen Sie zum ersten Mal in ihrer Formel 1-Karriere mit Rennreifen von Michelin an den Start. Wurden Ihre Erwartungen erfüllt?
RB
"Ich habe die Entwicklung von Michelin in der Formel 1 stets aufmerksam verfolgt und mich sehr darauf gefreut, bei Honda mit ihnen zusammenarbeiten zu dürfen. Die Kommunikation mit den französischen Ingenieuren besitzt eine besondere Qualität und funktioniert hervorragend. Denn wenn sie ,ja' sagen, meinen sie auch ,ja' und nicht ,vielleicht' oder doch ,nein'."

Was wird sich durch den Abschied von Michelin vom Grand Prix-Sport verändern?
RB
"Technisch werden die Pneus künftig nicht mehr so hochgestochen sein, denn ohne eine Konkurrenzsituation gibt es dafür keinen Grund mehr. Die Rückkehr zum Reifenmonopol bringt für uns viel Arbeit mit sich. Wir müssen die Aerodynamik unseres Auto ebenso den neuen Anforderungen eines anderen Herstellers anpassen wie die Radaufhängungen und so weiter. Wir werden viel Zeit bei Testfahrten verbringen. Ich fürchte, dies geht zu Lasten meines Winterurlaubs."

Wie haben Sie sich mit den zahlreichen Reglements-Änderungen arrangiert, die mit Beginn der aktuellen Saison in Kraft traten?
RB
"Das war für mich gleich doppelt schwierig, weil ich ja auch noch das Team gewechselt habe. Die größte Umstellung betrifft sicherlich die Motoren. Die 2,4-Liter-V8, mit denen wir heute fahren, besitzen gut 200 PS weniger und weisen eine ganz andere Kraftentwicklung auf. In schnellen Passagen macht dies keinen Unterschied, aber das Herausbeschleunigen aus engen Kurven ist problematischer."

Empfinden Sie das neue Qualifying-Prozedere, das nun mit zwei jeweils 15-minütigen Sessions beginnt, nach denen jeweils die sechs langsamsten Teilnehmer ausscheiden, als zusätzliche Belastung?
RB
"Die Anspannung ist jedesmal enorm. Wenn das eigene Auto schnell genug ist, können wir Fahrer dies aber durchaus genießen - immerhin sind wir bis zur Runde der letzten Zehn mit leeren Benzintanks, also besonders leichten Wagen unterwegs, das ist immer aufregend."

Müssen Sie sich auf das Fahren an sich noch konzentrieren?
RB
"Mit zunehmender Erfahrung geht Vieles praktisch automatisch. Ich kann mich mental dann darum kümmern, die einzelnen Kurven immer noch ein bißchen schneller zu fahren."

Körperliche Fitness ist zwingende Voraussetzung für erfolgreiche Formel 1-Piloten. Wie halten Sie sich fit?
RB
"Ich laufe, schwimme und radle regelmäßig. Am meisten aber hilft das Formel 1-Fahren selbst, vor allem der Nackenmuskulatur, die enorm beansprucht wird. Nach der Winterpause zum Beispiel habe ich einen Halsumfang von 38 Zentimetern. Am Ende der Saison misst er 41 Zentimeter."

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie das Zeug zum Formel 1-Fahrer haben?
RB
"Das war ein langer Prozess. Bereits als Sechsjähriger saß ich im Kart. Mit acht habe ich in Interlagos bei Reifentestfahrten von Renault und Michelin zugesehen und war sofort begeistert. Danach bin ich in der europäischen Formel Opel und der britischen Formel 3 gestartet, beide Serien konnte ich gewinnen. Bereits mit 20 habe ich den Sprung in die Formel 1 geschafft und genieße es bis heute. Du musst immer an dir arbeiten und bereit sein, aus Fehlern zu lernen. Erst später verstehst du, dass die schlechten Tage in deiner Karriere eigentlich die wichtigeren waren, solange du aus ihnen die richtigen Lehren ziehst."

Sie sind bereits 34 Jahre alt - können Sie mit Honda noch Weltmeister werden?
RB
"Wir versuchen es auf jeden Fall. Die Voraussetzungen dafür stimmen."

Was werden Sie vermissen, wenn Sie ihren Helm eines Tages an den Nagel hängen?
RB
(lachend, auf deutsch) "Die Durchsagen ,Achtung Fahrerlager! Achtung Fahrerlager!'"