Red Bull Boss Dietrich Mateschitz gilt als Visionär. Während seine Presseabteilung dieser Tage Verkaufsgerüchte des Dosenimperiums ins Lächerliche ziehen muss, konzentriert sich der Bigboss heute ganz und gar auf das Roll-Out seines zweiten neuen F1-Boliden innerhalb zweier Monate: Nach dem neuen RB2 des Red Bull Racing Teams tritt in Jerez der STR1 der Scuderia Toro Rosso ins Rampenlicht.

Aber nicht nur Mateschitz ist ein Visonär. Auch der von ihm bei Toro Rosso als Teamchef eingesetzte Franz Tost kennt sich mit Blicken in die Kristallkugel aus. Wie also sieht die F1-Welt in zehn Jahren aus? "Ferrari ist mittlerweile das 'andere italienische Team', auf dem Siegerpodest wird statt Champagner Red Bull verspritzt, Michael Schumacher gibt in RTL bekannt, dass er sich ein Comeback vorstellen könne, vorausgesetzt freilich, er bekäme ein Angebot von Toro Rosso."

Das Auto: Hilfe vom Altmeister?

Rote Bullen auf italienisch: Toro Rosso ist da., Foto: Sutton
Rote Bullen auf italienisch: Toro Rosso ist da., Foto: Sutton

Doch bevor dieser Scherz des Tirolers Wirklichkeit wird, gibt es noch sehr viel Arbeit zu bewältigen. Begonnen hat die Arbeit bei der Umstrukturierung des alten Minardi Teams zur neuen Scuderia Toro Rosso: "Als allererstes legten wir die Struktur des Teams fest, indem wir zum Beispiel erst einmal ein Organigramm erstellt haben. Wo es nötig und möglich war, verstärkten wir die Mannschaft. Dieser Prozess ist zum größten Teil abgeschlossen. Des weiteren sind wir gerade dabei, die vorhandenen Räumlichkeiten umzugestalten, um auch die Arbeitsabläufe zu optimieren."

Für 2006 hat sich die Scuderia Toro Rosso keine wirklichen Ziele gesteckt: "2006 wird von Zufallserfolgen geprägt sein." Darüber hinaus hat die STR folgenden Masterplan: "2007 sollten wir uns stabilisiert haben, ab 2008 müssen wir regelmäßig Punkte holen."

Die Geschichte von den Zufallserfolgen nimmt Tosts Nummer 1-Pilot Tonio Liuzzi mehr als nur wörtlich. Denn er sagt ohne ironische Absichten: "Mein Ziel ist es auf dem Podest zu landen. Ich weiß nicht ob wir Rennen gewinnen können, aber wir werden alles geben um 2007 noch besser zu sein." Schließlich sei es das große Gesamtziel "Red Bull gemeinsam an die Weltspitze" zu bringen.

Auf dem Weg dorthin soll ein Mann helfen, der eigentlich nur Weltmeisterautos konstruiert und offiziell für das Schwesterteam in Milton Keynes arbeitet. "Wir sind dabei, die Design-Abteilung von Minardi personell zu verdoppeln. Aber es spricht nichts dagegen, dass Adrian Newey auch auf das Toro-Rosso-Auto schaut", kündigte Mateschitz noch im letzten Jahr an. "Das ist nicht verboten."

Tatsächlich: Die Italiener müssen ihr Chassis selbst bauen, aber "wenn einer gescheit genug ist, zwei Autos parallel zu verbessern, dann ist das in Ordnung". Der STR1 ist dennoch ein "völlig eigenständiges" Auto, das "mit dem bestehenden Know-how" in Faenza entworfen wurde.

Damit der STR01 im Laufe der ersten Saison noch besser wird, erwartet sich Tost einigen Input von Newey. "Wir freuen uns auf Adrian Newey. Es wäre schade, wenn wir ihn bei all seiner Erfahrung nicht um Rat bitten würden."

Allzu intensive Kooperationen mit dem Red Bull Racing-Team sind aber nicht möglich: "Überall dort, wo es das Reglement erlaubt, werden wir versuchen, es auch in der Praxis möglich zu machen. Aber das Reglement ist in diesem Punkt strikt, und die Praxis engt unseren Spielraum zusätzlich ein", so Tost. "Man darf nicht vergessen, dass wir mit zwei völlig unterschiedlichen Motor-Konzepten unterwegs sind. Das daraus resultierende Paket mit Gewichtsverteilung, Thermik, Verbrauch und anderen Elementen variiert so stark, dass ein Technologietransfer schwer vorstellbar ist."

Die Ziele: Der Traum vom Podium

Bislang wurde mit einem RB1 getestet., Foto: Sutton
Bislang wurde mit einem RB1 getestet., Foto: Sutton

Eins ist jedoch sehr wohl vorstellbar: Dietrich Mateschitz möchte aus dem einstigen Hinterbänkler-Team "etwas richtig Großes" machen. In seinen 21 Jahren Teamgeschichte galten die Punkteränge für das kleine Minardi Team meistens als unerreichbar. Da ist es kein Wunder, dass die Italiener in ihren 340 Grand Prix nur 38 WM-Punkte eingefahren haben.

Nach der Übernahme durch Red Bull und der Umbenennung in Scuderia Toro Rosso soll sich das in der nächsten Saison allerdings schlagartig ändern. "Unser Ziel ist es so viele Punkte wie möglich zu holen", kündigte Tonio Liuzzi in an. "Besonders zu Jahresbeginn können wir in die Top-8 fahren. Dann kommt es auf die Zuverlässigkeit unseres V10 an, der bereits eine Saison hinter sich hat."

Im Laufe des Jahres könnte sich der Spieß dann durch Weiterentwicklungen bei den Hersteller-V8 umdrehen, aber bis dahin möchte der gestern bestätigte Nummer 1 Fahrer der Scuderia schon einige WM-Zähler eingefahren haben.

Die Motivation innerhalb des Teams könnte jedenfalls nicht besser sein. "Das Team ist sehr motiviert und die Leute haben noch eine offene Rechnung mit der F1, die sie jetzt oder 2007 begleichen möchten."

So zum Beispiel Technikchef Gabriele Tredozi, dem in seiner Minardi-Zeit bislang die finanziellen Mittel fehlten, um ein erfolgreicheres Auto zu bauen. "Wir haben schon immer unser Bestes gegeben, aber ich kann es nicht bestreiten, dass ich in den letzten 20 Jahren davon geträumt habe einen unserer Fahrer auf dem Podium zu sehen."

Allerdings benötige man für solch einen Leistungssprung "mehr Zeit": "Man kann in der F1 nicht über Nacht erfolgreich werden. Bislang mussten wir ein Wunder vollbringen, um überhaupt beim Saisonstart anzutreten und unser Ziel war es immer bis zum Ende dabei zu sein." Unter dem neuen Bullen-Banner geht es jetzt darum von Anfang bis Ende gute Leistungen zu bringen und Ergebnisse einzufahren.

Alles schön und gut, aber illegal?

Genau das befürchtet auch die Konkurrenz, weswegen diese schon seit Monaten die Limitierung des Cosworth-V10 verstärken möchte. "Bei Minardi hätte man vielleicht noch darüber hinwegsehen, damit leben können", sagte uns Toyota-Technikchef Mike Gascoyne bereits im letzten Jahr. "Aber das ist doch jetzt ein Team mit durchaus starkem Rückhalt, mit entsprechender Ausstattung. Da ist das etwas anderes."

STR ist bereit für das erste Jahr., Foto: Sutton
STR ist bereit für das erste Jahr., Foto: Sutton

"Das Auto ist nicht legal", beschwerte sich auch Toyota-Kunde und MF1-Teamchef Colin Kolles lautstark über die gedrosselten V10-Triebwerke. "Dazu habe ich eine klare Meinung. Dieser Motor gehört nicht mehr in die F1. "s wurde aus finanziellen Gründen für Minardi akzeptiert und das ist jetzt nicht mehr der Fall", wetterte Kolles. "Für mich ist es nicht nachvollziehbar. Sie pumpen hunderte Millionen in die F1, haben zwei Teams und bescheißen die Welt."

Deswegen behält sich Kolles für den Saisonstart in Bahrain Schritte gegen STR vor: "Wenn sie vor uns liegen sollten, dann werden sie ein Problem bekommen", kündigte er an. "Ich vertraue der FIA und in deren Händen liegt es jetzt."

Allerdings reicht es ihm nicht, die V10-Motoren weiter zu limitieren. "Es geht nicht darum die Motoren noch langsamer zu machen", sagte er. "Es geht um die Regeln und die schreiben einen V8-Motor und keinen V10-Motor vor. Es war eine Ausnahme für Minardi. Für uns geht es also nicht nur um die V8/V10-Sache, sondern um ein finanzielles Thema."

Schließlich sei ein V8-Motor "viel teurer" als ein V10. "Zudem kann ein gedrosselter V10 viel zuverlässiger sein und er hat mehr Drehmoment. Es ist eine völlig andere Welt." Toyota-Motorenchef Luca Marmorini schlug deshalb vor ins Motor-Mapping der V10 einzugreifen und diese so auf das Niveau der Achtzylinder zu bringen.

Franz Tost glaubt hingegen nicht daran, dass STR aufgrund der umstrittenen Motorenregel (die derzeit eine Reduktion auf 16.700 U/min und einen auf 77 mm verringerten Lufteinlass vorsieht) einen Vorteil haben könnte. "Alle Teams waren mit dieser Regelung einverstanden. Erst nachdem Red Bull Minardi kaufte, kamen die Diskussionen der Wettbewerbsverzerrung auf, weil die Herrschaften plötzlich Angst bekommen haben. Der V10 wird im unteren Drehzahlbereich Vorteile bieten, dafür verhungert er auf der Geraden."