In der Formel 1 gibt es zwei Wege, sich in die Herzen der Ferrari-Fans zu fahren. Niki Lauda und Michael Schumacher gelang es mit Siegen und Weltmeistertiteln. Wer das nicht schafft, kann sich in Italien nur mit unbändiger Leidenschaft und unbeugsamer Loyalität verewigen, wie einst Gilles Villeneuve oder Jean Alesi. Charles Leclerc scheint mit der Scuderia am Scheideweg. Der Monegasse ist von den Misserfolgen frustriert. Ein Wechsel kommt für ihn aufgrund seines Vertrages nicht vor 2027 in Frage. Doch den Tifosi den Rücken zu kehren, kommt ihm sowieso nicht in den Sinn.

"Weil ich diesem Team sehr viel schulde. Ich denke, das ist die Antwort", erklärt Charles Leclerc, was ihn nach bald sieben Jahren in den Farben von Ferrari weiter antreibt. "Ich habe Ferrari immer geliebt und daraus habe ich meine Motivation gezogen. Ich will Ferrari zurück an die Spitze führen, egal, wie lange es dauert. Und ich werde absolut alles dafür tun."

Im Jahr 2016 trat er in die Fußstapfen seines 2015 verstorbenen Patenonkels Jules Bianchi und wurde Teil der Ferrari Driver Academy. Drei Jahre später wurde er nach nur einem Lehrjahr bei Sauber in die erste Reihe der Scuderia berufen. Teamkollege Sebastian Vettel hatte er 2019 auf Anhieb im Griff und gewann außerdem gleich sein erstes Ferrari-Heimspiel in Monza. Schnell galt er als Heilsbringer der Tifosi.

Ferrari-Heilsbringer Charles Leclerc versinkt in der Bedeutungslosigkeit

"Natürlich war es 2019 etwas schwieriger, weil ich noch sehr jung und neu war. Alles war neu und um mich herum gab es einen großen Hype, einfach weil ich in meinem zweiten Jahr in der Formel 1 schon in Rot fuhr und das etwas Besonderes war", so der 27-jährige Monegasse über den Druck, der mit dem 'Cavallino Rampante' auf dem Overall einhergeht. Seither ist in seiner Karriere viel passiert, aber irgendwie auch nichts. Die Bilanz weist acht Siege aus, darunter ein weiterer in Italien im Jahr 2024. Seine 27 Pole Positions sind sinnbildlich für all das, was schon hätte sein können.

"Ich stehe noch voll dahinter und arbeite mit vollem Einsatz dafür. Das ist, was mich antreibt", beteuert Leclerc, den Glauben an den Durchbruch mit Ferrari längst noch nicht aufgegeben zu haben. "Wir dürfen uns nicht immer auf Emotionen einlassen und darauf, was über uns gesagt wird. Es ist wichtig, fokussiert zu bleiben, und ich denke, wir machen dabei einen guten Job - nur machen wir den Job nicht gut genug, denn wir müssen bald wieder Siege einfahren!"

Erfolgsdruck rechtfertigt schwache Ferrari-Leistungen nicht

Michael Schumacher brauchte nach seinem Wechsel zu Ferrari 1996 fünf Jahre, um den Titel zurück nach Maranello zu holen. Selbst der Rekordweltmeister wurde vor dem endgültigen Durchbruch mit dem Titelgewinn im Jahr 2000 von den italienischen Medien angezählt. "Ferrari wird seine Geschichte und seinen ikonischen Status immer behalten, und damit kommt natürlich ein großer Hype mit hohen Erwartungen. Es liegt an uns, besser damit umzugehen", weiß auch Leclerc.

Er selbst wurde vor allem wegen seiner Loyalität zu Ferrari noch nicht angezählt, hat mit Mattia Binotto allerdings schon einen Ferrari-Teamchef "überlebt". Der Italiener wurde 2019 zeitgleich mit Leclercs Wechsel in Maranello ins höchste Amt berufen und im Januar 2023 durch Frederic Vasseur ersetzt. Der Druck der Öffentlichkeit und das regelmäßige Stühlerücken sind für ihn allerdings keine Rechtfertigung für die Erfolglosigkeit.

"Ich denke nicht, dass das in irgendeiner Weise eine Entschuldigung für unsere Performance sein kann. Ferrari hatte so viel Erfolg und es ist nicht so, dass sie diesen Hype nicht hatten, als sie erfolgreich waren", stellt Leclec klar. Dass Leidenschaft alleine nicht genügt, hat er mittlerweile aber genauso begriffen. "Das kann die Enttäuschungen nicht wettmachen, die ich zu Beginn der Saison verspürt habe, als ich feststellte, dass wir ein paar Schritte hinter McLaren sind. Aber dann besinnst du dich und findest eine neue Motivation, in anderen Zielen."

Charles Leclercs Motivation trotz Formel-1-Durststrecke ungebrochen

An die Durststrecken hat sich Leclerc mittlerweile gewöhnt, denn sie sind seit seinem Wechsel zu Ferrari ein wiederkehrendes Phänomen. Zwischen Monza 2019 und Bahrain 2022 war er sieglos, dann wieder zwischen dem Österreich GP 2022 und Monaco 2024. "Als Fahrer muss ich das Beste aus unserer Situation machen, nicht nur für das Team, sondern auch für mich selbst", sagt er.

Nach Sebastian Vettel und Carlos Sainz ist Lewis Hamilton sein dritter Teamkollege bei Ferrari. Den Rekordweltmeister hat er 2025 bisher sicher im Griff. Sowohl im Qualifying als auch im Rennen bezwang er ihn an 17 Rennwochenenden schon 13 Mal: "Ich bin selbst auch sehr ehrgeizig, und die Tatsache, dass wir zwei Autos haben, pusht mich auch, immer voll auf meiner Höhe zu sein und mich weiter zu verbessern. In der Hinsicht fehlt mir wirklich keine Motivation."