Das Thema Rennleiter ist in der Formel 1 in aller Munde. Und das nicht nur aufgrund der überraschenden Entlassung von Niels Wittich am Dienstag. Bei praktisch allen Rennwochenenden der Königsklasse nimmt er eine zentrale Rolle ein, die mitunter rennentscheidend sein kann. Doch manchmal wird seine Aufgabenverteilung mit jener der Stewards vermischt. Dabei besteht eine klare Abgrenzung. Was genau macht also der Rennleiter in der Formel 1 und wo endet seine Zuständigkeit?

Wie wird man Formel-1-Rennleiter?

Als Voraussetzung für einen Formel-1-Rennleiter ist der Besitz einer FIA-Superlizenz vorgesehen (nicht zu verwechseln mit der FIA-Fahrer-Superlizenz). Dasselbe gilt auch für die Rennkommissare, welche an einem Rennwochenende im Dienst sind, den permanenten Starter und den ‚Clerk of the Course‘. Die Anforderungen an den Renndirektor sind allerdings im Vergleich zu den anderen genannten Positionen ungleich weiter gefasst. Deshalb ist ausreichend Vorerfahrung aus anderen Rennserien und/oder aus anderen Jobs als Offizieller im Rahmen von Rennwochenenden notwendig.

Rui Marques, der Nachfolger von Wittich, machte beispielsweise vor seiner Beförderung in der Formel 1 eine Laufbahn als Streckenposten, Scrutineer (Verantwortlicher für technische Abnahme) und Steward durch, ehe er seit 2022 regelmäßig die Funktion als Rennleiter in der Formel 3 und Formel 2 ausführte. Ob ihn das ausreichend auf seinen Job als Formel-1-Rennleiter vorbereitet, wird die Zukunft zeigen. In der Formel 1 ist vor allem der politische Druck von Seiten der Teams und die öffentliche Brisanz seiner Entscheidungen ungleich höher als in der F2 oder F3.

Im Reglement ist übrigens nicht aufgeführt, dass ein einzelner Rennleiter für die gesamte Saison im Einsatz sein muss. Die Meldung erfolgt immer für das Rennwochenende. Aufgrund der genannten breiten Aufgabengebiete und der notwendigen Erfahrung macht es aber Sinn, dass es nicht zu viel Fluktuation gibt. Nach dem Aus von Michael Masi gab es etwa in der Formel-1-Saison 2022 zwei Renndirektoren, die sich je nach Grand Prix abwechselten. Mit dem Aus von Eduardo Freitas nach dem Japan-GP blieb aber nur noch Wittich übrig, der bis Brasilien 2024 permanent diese Rolle ausfüllte.

Was tut ein Formel-1-Rennleiter an einem Grand-Prix-Wochenende?

Grundsätzlich ist der Rennleiter während einem F1-Wochenende die oberste Instanz, wenn es um die Handhabe der Action auf und direkt rund um die Strecke geht. In dieser Funktion formuliert er vor jedem Grand Prix die „Race Director‘s Event Notes“ aus, in denen ergänzend zum allgemein gültigen Regelwerk streckenspezifische Regeln verkündet werden und nochmals ausdrücklich auf diverse Passagen im Reglement hingewiesen wird. In der Vergangenheit war vor allem unter Michael Masi dabei die Auslegung der Track Limits ein interessanter Punkt, unter Wittich wurden diese aber einheitlich gehandhabt.

Der Rennleiter ist auch für das Abhalten der im Reglement vorgesehenen Fahrer- und Teamchef-Meetings zuständig. Davon sind drei am Freitag eines Sprint-Wochenendes und zwei an einem normalen Freitag vorgesehen. Es liegt in seinem Ermessen, je nach Lage weitere Meetings einzuberufen oder vorgesehene Meetings abzusagen.

Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Renndirektor aber natürlich bei Zwischenfällen auf der Strecke. Dort ist er nicht alleine zuständig, sondern bekommt einen 'Clerk of the Course' aus dem zuständigen Automobilclub des Austragungslandes zur Seite gestellt. Diese haben meist ebenfalls viel Vorerfahrung als FIA-Offizielle. Beim Belgien-GP übernimmt beispielsweise jährlich Ex-F1-Rennleiter Roland Bruynseraede diese Position.

Der 'Clerk of the Course' steht in ständigem Kontakt mit dem Rennleiter, kann aber selbständig keine bedeutenden Entscheidungen treffen. Die übergeordnete Verantwortung liegt beim Rennleiter, der damit auch die letztendlichen Entscheidungen fällt.

Während der Grands Prix ist die Rennleitung für das Ausrufen von roten Flaggen, Safety Cars und VSC zuständig, sowie für die Aktivierung oder Deaktivierung von DRS, für eine etwaige Verzögerung des Startes, einem Abbruch der Startphase oder eine Freigabe eines Rennens nach der SC-Phase. Die Umsetzung erfolgt dabei in vielen Punkten zwar offiziell laut Reglement durch der ‚Clerk of the Course‘, die Entscheidung liegt aber beim Rennleiter.

Was ist der Unterschied zwischen dem Rennleiter und den Stewards?

Bei Regenrennen fällt dem Rennleiter die Aufgabe zu, die Strecke für „Wet“ zu erklären, sobald die ersten Tropfen fallen. Erst dann dürfen Regenreifen aufgezogen werden. Auch die etwaige Schließung und Öffnung der Boxengasse im Rennverlauf liegt in seiner Verantwortung.

Er hat zudem die Freiheit, die Boxengeschwindigkeit, die im Normalfall auf 80 Km/h festgelegt ist, vor einem Rennwochenende anzupassen. Allerdings nur nach einer Empfehlung des Sicherheitsbeauftragten der FIA.

Wozu der Rennleiter keine Befugnis hat, ist jedoch die Verteilung von Strafen. An diesem Punkt kommt die Rollenaufteilung mit den Stewards ins Spiel. Die Verantwortung des Rennleiters ist nur potenziell bestrafungswürdige Zwischenfälle zu notieren und an die Rennkommissare weiterzureichen. Die Stewards, die an jedem Rennwochenende aus vier Personen bestehen, treffen anschließend die Entscheidungen über eine potenzielle Bestrafung.

Wie die Formel-1-Stewards arbeiten, erfahrt ihr in diesem Video:

Erklärt: So arbeiten die Rennstewards in der Formel 1 (11:08 Min.)

Im Sinne der Sicherheit kann der Rennleiter beschädigte Autos nach einem Unfall mit der sogenannten Spiegelei-Flagge zu einem Stopp zwingen. In den Einsatz von Sicherheits- und Rettungsfahrzeugen ist er ebenfalls involviert, allerdings auch hier nicht im Alleingang, sondern jeweils in Absprache mit dem medizinischen Delegierten der FIA und/oder dem ‚Clerk of the Course‘. Er spielt auch eine zentrale Rolle bei der Homologation einer neuen Formel-1-Strecke vor einem Rennwochenende.

Für die Job-Beschreibung ist selbstverständlich ein gewisses Wissen im Zusammenhang mit dem Regelwerk der Formel 1 – vor allem dem sportlichen Reglement – unerlässlich. Doch alleine jenes Reglement erstreckt sich 2024 über einen Umfang von 107 Seiten. Dazu kommen noch Paragraphen des (inklusive Anhänge) mehrere hundert Seiten umfassenden intentionalen Sportkodex der FIA, die möglicherweise relevant werden.