"Kapitaler Audi Fehlstart" titelten wir in unserer vorletzten Print-Ausgabe. Seit die Marke mit den vier Ringen im August 2022 den Einstieg in die Formel 1 bekanntgegeben hatte, ging so ziemlich alles schief.

Der Audi-Fehlstart: Viel Zögern, kein Handeln

Der Schnelldurchlauf: Markus Duesmann, der Vorstandsvorsitze der Audi AG, der den Einstieg maßgeblich vorangetrieben hatte, musste gehen. Sein Nachfolger, Gernot Döllner, bekannte sich nur zögerlich zur Formel 1. Dringend benötigtes Geld, das für den Aufbau des Sauber-Teams nötig ist, fand den Weg nach Hinwil viel zu spät.

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Gernot Döllner entließ Entwicklungsvorstand Oliver Hoffmann, der neben Markus Duesmann der zweite bekennende Formel-1-Mann war. Für Hoffmann fand er aber eine gute Ersatz-Position: Er machte ihn zum Generalbevollmächtigten des Formel-1-Projekts.

Das wiederum führte zu einem Kompetenzgerangel mit Andreas Seidl, der eigentlich als starker Mann für Audis Formel-1-Einstieg geholt worden war, dem aber zwischenzeitlich die nötigen Finanzen und das Commitment des der AG fehlten und am Ende auch noch die Macht.

Sauber mit Pleitensaison: Einzig Hülkenberg-Zugang als positive News

Der Fehlstart gipfelte in einer katastrophal schlechten Saison des Sauber F1 Teams. Die Stimmung in Hinwil war am absoluten Nullpunkt angekommen, noch immer steht der Rennstall ohne einen einzigen Punkt da. Die Suche nach dem zweiten Fahrer neben Nico Hülkenberg gestaltete sich fast wie die Trainersuche des FC Bayern München. Die Absage von Carlos Sainz war eine Watschn für den stolzen deutschen Autobauer.

Die schlechten News überlagerten die wenigen guten Nachrichten: Mit Nico Hülkenberg konnte man sich frühzeitig einen gestandenen Formel-1-Fahrer sichern. Aus den desolaten Boxenstopps zu Beginn der F1-Saison 2024 wurden mitunter die schnellsten im gesamten Feld. Das dürfte auch daran liegen, dass Seidl noch Lee Stevenson, Red Bulls Chefmechaniker, abwerben konnte. Und aus Audis Motorenschmiede in Neuburg hörte man wenig - eigentlich ein gutes Zeichen.

Erste Bewegungen im Audi Formel-1-Projekt

Aber insgesamt war Audis Start in das Abenteuer Formel 1 ein Debakel. Bis jetzt. Langsam kommt Bewegung rein. Jonathan Wheatley, der 2025 bei Sauber beginnen wird, ist einer der wichtigsten Architekten von Red Bulls (ehemaligen) Dreamteam. Mit Mattia Binotto sitzt zwar nicht der beste Kommunikator in Hinwil, aber der ehemalige Ferrari-Mann weiß, was ein Top-Team braucht.

Inzwischen ist auch klar, dass Seidls politischer Kampf hinter den Kulissen Früchte getragen hat. Audi darf ab 2026 mehr Geld ausgeben als alle anderen Teams. Das liegt am Standort Schweiz. Dort sind die Löhne wesentlich höher als in Großbritannien und in Italien. Die Budgetobergrenze berücksichtigt das ab 2026. Was etwas unter dem Radar lief, ist ein elementar wichtiger Punkt für die zukünftige Konkurrenzfähigkeit des Teams.

Da Ingolstadt derzeit nicht mit Geld gesegnet ist, arbeitet man intensiv an Sponsoren. Man hört, dass ein großer Teil des Budgets aus Katar kommen könnte. Idealisten mögen das nicht gerne hören, aber auch das sind gute Neuigkeiten für das Projekt.

Gabriel Bortoleto als Hoffnung für die Zukunft

Und dann gibt es da noch die Verpflichtung von Gabriel Bortoleto. Nach dem Sainz-Hickhack klingt der Brasilianer nicht gerade nach der ersten Wahl. Es klingt, als hätte sich Ingolstadt seinen eigenen Vincent Kompany geholt. Dem widerspreche ich vehement: Bortoleto ist ein absoluter Glücksgriff. Deshalb wundert es mich, dass nach der Sainz-Absage überhaupt andere Kandidaten in Betracht gezogen wurden.

Bortoleto ist gerade dabei, die Formel 2 in seiner Rookie-Saison zu gewinnen. Nachdem er im Jahr zuvor als Rookie den Formel-3-Titel holte. Bortoleto ist einer dieser Fahrer, nach dem alle Juniorprogramme suchen. Audi bekommt dieses Supertalent, ohne einen Cent dafür investiert zu haben, weil McLaren keinen Platz hat. Wie viel Geld haben Mercedes, Ferrari und Red Bull für Antonelli, Bearman und Lawson schon ausgeben? Alle liegen sie in der Formel 2 hinter Bortoleto.

Ich glaube, der 20-Jährige aus Sao Paulo ist genau das, was Audi gebraucht hat: Gegenwart und Zukunft in einem und für Nico Hülkenberg ein guter Ansporn, auch wenn 2025 eine schwierige Saison für das Team werden könnte. Nach so viel Chaos und Hiobsbotschaften kommt Audis Formel-1-Projekt endlich in Schwung. Für die ersten Jahre des Werksengagements ist das zwar viel zu spät, an den Fahrern wird es aber zumindest nicht liegen.