McLaren behielt am Samstag im engsten Qualifying der Formel-1-Saison 2024 in Monza die Oberhand. WM-Herausforderer Lando Norris sicherte sich im Dreikampf gegen Mercedes und Ferrari eine entscheidende zweite Pole Position in Serie. Im Q3-Showdown setzte McLaren von Anfang an auf Windschatten-Teamwork und stach die Konkurrenz auf beiden Runs aus. Vor dem Hintergrund des Debakels für Weltmeister Max Verstappen und Red Bull, winkt für McLaren und Norris beim Rennen in Italien am Sonntag ein wertvoller Big Point im Titelkampf. Doch über der guten Ausgangslage schwebt die dunkle Teamorder-Wolke.

"Es tut weh, zu sagen, dass meine Runde nicht gut war. Aber ich bin sehr, sehr glücklich", so Norris nach der fünften Pole Position seiner Karriere. Der 24-jährige Brite hatte nach seinem letzten Versuch im Q3 zunächst seine Zweifel, ob die Runde für ihn reichen würde. Dabei war er bereits nach dem ersten Schlagabtausch als Favorit in den Showdown gegangen.

Im Q2 schien sich mit Lewis Hamilton vor Max Verstappen, Lando Norris und Carlos Sainz ein Kampf zwischen vier Teams um die Pole Position für das 16. Saisonrennen auf dem Autodromo Nazionale die Monza herauszukristallisieren. Im Q3 brach Red Bull jedoch ein, sodass McLaren, Ferrari und Mercedes die ersten Startreihen unter sich ausmachten. McLaren und Mercedes setzten im Q3 von Beginn an auf den Formationsflug für den optimalen Windschatten.

McLaren-Duo feiert Startreihe eins durch Teamleistung

Im ersten Versuch spendete Piastri den Slipstream und profitierte seinerseits vom vor ihm fahrenden Sergio Perez. Auf diese Weise sorgten Norris und der Australier, von nur 0,035 Sekunden getrennt, schon im ersten Run für eine McLaren-Doppelführung. Im letzten Anlauf leistete Norris die Führungsarbeit und hatte dabei Alex Albon vor sich. Obwohl die entscheidende Runde sich für ihn alles andere als optimal anfühlte, verbesserte er seine Zeit noch einmal und machte den Deckel auf die Pole.

"Die Runde war gut, aber nicht grandios. Ich habe es in Kurve eins und zwei etwas schleifen lassen und war danach schon anderthalb Zehntel langsamer als auf meinem ersten Run im Q3. Da dachte ich schon, ich hätte es versaut", erklärt er gegenüber Sky Sports UK. Nach dem Fahrfehler gelang es ihm trotzdem, seine bisherige Zeit noch einmal zu unterbieten und die Pole sicherzustellen: "In der zweiten Schikane habe ich es aber perfekt getroffen und die ganze Zeit im Grunde sofort wieder aufgeholt, was mir wieder etwas Hoffnung gemacht hat."

Schon vor einer Woche in Zandvoort war Norris auf die Pole gefahren, hatte dort allerdings Verstappen im Nacken. Red Bull war mit über sechs Zehntelsekunden diesmal zwar chancenlos, doch die Verfolger von Ferrari und Mercedes waren mehr als nur in Schlagdistanz. Lewis Hamilton verlor als Sechster lediglich 0,186 Sekunden auf die Pole-Zeit von Norris. "Erster und Zweiter zu sein war etwas überraschend, nachdem das Feld hier so eng beisammen ist. Ich erwarte kein leichtes Rennen. Es gibt einige Unbekannte, wie die Reifen und den Reifenabbau", so Norris.

Piastri fehlte am Ende eine knappe Zehntelsekunde, um die erste Pole seiner Karriere zu feiern. "Es hat gerade so nicht gereicht, was ich dieses Jahr gefühlt sehr häufig sage. Aber es war eine sehr gute Teamleistung", sagt der 23-Jährige. "Es gab für die erste Startreihe keine Garantie, von daher war es fantastisch, das wir das zusammengebracht haben. Als Zweiter zu starten ist auch nicht immer das Schlechteste."

McLaren hat noch keinen Teamorder-Plan, Norris will kämpfen

Ob der Australier am Sonntag allerdings noch wie vor der Sommerpause in Ungarn die Attacke auf Norris in Kurve eins reiten darf, bleibt abzuwarten. Bei neun ausstehenden Rennen hat der Brite in der Gesamtwertung einen Rückstand von 70 Punkten auf WM-Leader Verstappen. Piastri liegt als Vierter bereits 116 Zähler zurück. "Nein, ich will Rennen fahren, denn dafür bin ich immer noch hier", will Norris nichts von einer Stallregie zu seinen Gunsten wissen.

Der zweifache Grand-Prix-Sieger will wie auf dem Hungaroring das Team-Game spielen: "Wie in Budapest ist es so, wenn Oscar ein besseres Rennen fährt und vor mir ist, hat er wahrscheinlich auch einen besseren Job als ich gemacht. Wir wissen aber schon, was für uns als Team am besten ist. Wir wollen gewinnen, weil wir das als Team brauchen, und auch wenn wir unseren Konkurrenten Punkte wegnehmen wollen. Zusammenzuarbeiten, ist der beste Weg, das zu erreichen."

Offenbar hat es nach dem Chaos von Budapest noch keine Absprache für eine Wiederholung des Szenarios unter Berücksichtung von Norris' Chancen auf die Fahrer-WM gegeben. "Das ist Teil unseres Sonntagmorgen-Meetings. Wir haben schon ein bisschen darüber gesprochen, aber momentan dürfen wir gegeneinander fahren, wie es immer ist", stellt Norris klar. McLaren CEO Zak Brown ließ gegenüber Sky Sports UK ebenfalls durchblicken, dass die Teamführung in Sachen Stallregie zuerst noch zu einer finalen Entscheidung gelangen muss.

"Diese Diskussion werden wir mit Andrea [Stella] haben. Wir haben die Fahrer- und die Konstrukteursweltmeisterschaft und werden sehen, wie es läuft. Oscar hat klar gemacht, dass er damit einverstanden ist, das Team zu unterstützen, genau wie Lando. Wir werden hinter verschlossenen Türen darüber sprechen und das kommunizieren, wenn wir uns entschieden haben. Das ist ein Luxusproblem", so der US-Amerikaner.

Norris will nicht über Weltmeisterschaft sprechen

Lando Norris möchte die Rolle des WM-Anwärters trotz der starken Formkurve am liebsten ganz vergessen. "Wann immer jemand Weltmeisterschaft sagt, werde ich ab jetzt einfach "nö" sagen", wiegelt er ab. Ein weiterer wunder Punkt ist für ihn die Frage nach seiner Startschwäche. Auch in Zandvoort wurde er auf den ersten Metern von Verstappen ausbeschleunigt. Auf dem Dünenkurs war der McLaren MCL38 für die Konkurrenz jedoch unantastbar, sodass Norris am Ende einen dominanten Sieg feierte.

In Monza erwartet er deutlich mehr Widerstand. "George und Mercedes waren auf den Longruns sehr schnell und es war eng mit uns. In Zandvoort war das alles überzeugender. Wir waren da einfach schneller und das Rennen hat genau das gezeigt. Ich denke nicht, dass wir hier heute im Qualifying viel schneller waren. Wir haben einfach nur bessere Runden als die anderen gefahren", so Norris. "Mit Rennsprit sah Mercedes auf jeden Fall sehr, sehr schnell aus. Sie haben ihre Vorderreifen auch gut im Griff, womit wir etwas Probleme hatten. Die sind also auf jeden Fall nicht aus dem Rennen."