Schon wieder war der Sieg zum Greifen nahe. Schon wieder haben sie ihn auf mehreren Wegen verfehlt. Nach seinem Premierenerfolg in Miami ist Lando Norris hungrig auf seinen zweiten Sieg in der Königsklasse. Doch obwohl McLaren seit Wochen das vermeintlich stärkste Gesamtpaket präsentiert, will es einfach nicht gelingen. Im Rennen bringen es die Papayafarbenen auf der Strecke nicht zusammen. Ist McLaren nicht siegfähig? Wo hakt es beim Rennstall aus Woking? In der neuen Ausgabe des 'AvD Motorsport-Magazins' geht Formel-1-Experte Christian Danner nach dem Großbritannien GP der Sache auf den Grund.

McLaren hat Grundlage geschaffen, aber wo bleibt der nächste Schritt?

Zunächst einmal stellt der Experte klar: "Das Allerwichtigste hat McLaren längst hinbekommen. Sie haben ein Auto hingestellt, womit sie gewinnen können. Das ist ja, wie wir wissen, in der Formel 1 erst mal die Grundvoraussetzung und auch das Allerschwierigste."

Jetzt müsse McLaren den Weg weitergehen, und zwar ganz nach der Methode 'Learning by Doing', meint Danner: "Learning by Doing ist zwar eine sehr altmodische Herangehensweise, aber gerade im Motorsport ist das eigentlich die einzige Methode, die funktioniert. Jede künstliche Intelligenz macht Fehler, repariert diese aber und macht sie kein zweites Mal. Und so hart das für McLaren sein mag - das ist genau das, was sie gemacht haben."

Christian Danner analysiert: Das war ein wahnsinniger Fehler von McLaren!

Den entscheidenden Fehler sieht der F1-Experte in der ersten Boxenstopp-Phase ab Runde 26, als der Regenschauer einsetzte. Bei allen Vorhersagen und Simulationstools sei es am Ende der Mensch, der die endgültige Entscheidung treffe. Der Verzicht darauf, den Reifenwechsel bei Lando Norris und Oscar Piastri, die auf der Strecke dicht hintereinanderlagen, in derselben Runde durchzuführen, sei "ein wahnsinniger Fehler von McLaren" gewesen, so Danner, aber ein menschlicher Fehler, der sicherlich beim nächsten Mal so nicht mehr unterlaufen werde.

Ein Double Stack hätte für Piastri, der auf der Strecke hinter seinem Teamkollegen lag, etwa sechs Sekunden Zeitverlust bedeutet. Dahingegen habe der Australier während der weiteren Runde mit Trockenreifen auf nasser Strecke zwischen 20 und 25 Sekunden verloren und dies sei vorhersehbar gewesen, so die Analyse des Experten.

Lando Norris, wo bleibt die Eigenverantwortung?

Hinsichtlich der Reifenwahl für den letzten Stint nimmt Danner allerdings auch den Fahrer in die Pflicht: "Das Team gewinnt und verliert gemeinsam. Und der Fahrer ist eben auch jemand, der da etwas zu sagen hat. Er ist ein ganz, ganz wichtiger, wenn nicht der wichtigste Baustein."

Soft, Medium, Hard - alle drei Reifenmischungen waren im Fall von Norris eine denkbare Option für den letzten Abschnitt des Rennens. "Was macht man? Man fragt den Fahrer. Das ist ein gutes, probates Mittel", schlägt Danner vor. Allerdings war Norris unentschlossen und nach einer langen Diskussion mit seinem Renningenieur entgegnete er nur: "Mir ist es egal." Das stößt beim ehemaligen deutschen Rennfahrer auf Kritik: "Das ist jetzt nicht wirklich eine Meinung."

So blieb dem Team nur übrig, nach den verfügbaren Daten zu entscheiden - und dabei traf es die falsche Wahl, meint Danner. Ihm zufolge wäre hier mehr Initiative vom Fahrer gefordert gewesen. Denn dieser sei zuvor im Training alle Reifen gefahren und könne am besten einschätzen, welchen er für am geeignetsten hält. "Nicht immer sagen: 'Entscheidet ihr das.' Nein, Eigenverantwortung!", verlangt der Experte.

Christian Danner überzeugt: Ich glaube, dass McLaren das schaffen wird!

Ein Manko sei außerdem das fehlende Selbstbewusstsein auf Seiten von McLaren. Sie hätten in Silverstone nur die roten Reifen gewählt, um Lewis Hamilton zu covern, der dasselbe machte. "Wir haben nach dem vergangenen Rennen darüber gesprochen, dass Norris auch noch lernen muss, wie er einen Verstappen überholt, wissend, wen er da überholt. Da kann man nicht blauäugig rangehen. Da brauchst du einen Plan oder du musst dir Zeit lassen. Und genauso ist es beim Team auch. Einfach nur zu machen, was Mercedes macht, ist nicht der richtige Plan", findet der Ex-Rennfahrer klare Worte.

Genauso überzeugt ist er aber auch davon, dass McLaren das letzte Quäntchen finden, die Fehler ausmerzen und endlich Erfolge einfahren kann: "Ja logisch! Klar schaffen die das! Es sind ja super Leute, die da arbeiten."

Danner zufolge könnte dem britischen Rennstall allenfalls eine Gefahr drohen und die liegt in puncto Weiterentwicklung. "Jeder entwickelt weiter. Jetzt haben sie mal ein Auto, was mindestens genauso gut - über die Distanz auch besser - ist als der Red Bull und als der Mercedes. Das müssen sie jetzt umsetzen. Jetzt. Denn wer weiß, was in zwei Wochen oder in drei Rennen ist? Dann gab es ein neues Upgrade, dann geht der Red Bull auf einmal doch wieder besser, dann haben sie ein Problem mit dem Auto und hinken hinterher", malt Danner ein potenzielles Szenario aus. "Und das ist das, was das Ganze so ärgerlich macht und das, was es auch so emotionalisiert. Das Einzige, was hilft, ist ruhig bleiben, cool bleiben und miteinander sprechen", lautet die Empfehlung des Experten.

Bereut der siebenmalige Weltmeister Lewis Hamilton den Wechsel zu Ferrari? Nach dem Mercedes-Sieg in Silverstone wird diese Frage laut. Im Video bezieht F1-Experte Christian Danner Stellung:

Hamilton bereut Wechsel nicht! Geht Sainz doch zu Mercedes? (29:57 Min.)