Lando Norris entriss Max Verstappen im Formel-1-Qualifying in Barcelona die scheinbar sichere Pole Position. An einem für McLaren dramatischen Tag feiert der Brite seine langersehnte Erlösung. Nach dem Feuer im Paddock gelang ihm trotz chaotischer Vorbereitung die perfekte Runde. Der große Wurf am Samstag war für ihn überfällig. Nach dem Befreiungsschlag nimmt Norris den zweiten Saisonsieg ins Visier. McLaren-Teamchef Zak Brown glaubt an WM-Chance.
"Es fühlt sich großartig an. Eine Pole fühlt sich immer gut an, das ist die zweite meiner Karriere. Ich hatte zwei Sprint-Poles, aber die sehe ich nicht als Pole Positions an", so Norris nach dem Herzschlagfinale gegen Verstappen. Am Ende reichten ihm zwei Hundertselsekunden, um zum zweiten Mal nach dem Russland GP 2021 vom ersten Startplatz in ein Formel-1-Rennen zu gehen. Das lange Warten hatte für den Pole-Setter endlich ein Ende: "Sochi ist schon eine Weile her."
In den vergangenen Jahren hatte sich Norris am Samstag häufig für verpasste Chancen gerügt. "Ich habe von meinem Ingenieur so oft gehört, dass ich irgendetwas versaut habe. Es ist heutzutage so schwierig mit den Autos und den Reifen. Du pushst so sehr, um alles zusammenzubringen. Manchmal passt die eine Hälfte, mal die andere oder umgekehrt. Aber am Limit alles zusammenzubringen ist sehr knifflig, und ich denke, das sagt jeder Fahrer. Wenn du es schaffst, ist es sehr befriedigend, und wenn es dann noch für Pole reicht, ist es noch süßer", freut sich Norris.
Risiko-Runde: Norris bezwingt Qualifying-Fluch unter Einsatz von Eiern
Diesmal ließ er im entscheidenden Moment absolut nichts liegen. "Es war eine unglaubliche Runde. Ich habe die ganze Runde zusammenbekommen und hatte einen schönen Windschatten. Es waren wahrscheinlich alle meine besten Kurven zusammen in einer Runde", erklärt der 24-Jährige, der bereits in den ersten beiden Teilen des Qualifyings der erste Verfolger von Verstappen war. Der Weltmeister kristallisierte sich dabei allerdings mit deutlichen Bestzeiten als Favorit für die Pole heraus. Sein Vorsprung betrug im Q2 fast zwei Zehntelsekunden.
"Max war auf den Runs, die wir gefahren sind, immer rund zwei Zehntel vorne. Und wir sind auch nur drei Runs gefahren, im ganzen Qualifying waren es am Ende nur vier", erklärt Norris. "Ich wusste, dass ich im Q3 etwas Perfektes machen muss, um es zu schaffen - und das habe ich gemacht. Es war vielleicht die beste Runde, die ich jemals gefahren bin. Du weißt, dass du auf einer guten Runde bist, wenn du dabei aufgeregt bist."
Am Ende riskierte er für die perfekte Runde alles: "Mir hat immer ein bisschen auf Max gefehlt und ich wusste, dass es in den schnellen Kurven war. Ich wusste also, dass ich auf der letzten Runde einfach die Eier brauchte und ich habe das Bisschen, die zwei, drei, vier Hundertstel, die ich für Max brauchte, gefunden", so Norris. "Es waren nur die beiden Highspeed-Kurven, Turn 9 und die Zielkurve, wo das Auto sich bewegt hat und herumgesprungen ist. Das steigert nicht gerade dein Selbstvertrauen, wenn dein Auto in solchen Kurven solche Dinge macht. Da ist es unberechenbar, und es ist nervenaufreibend, in solchen Highspeed-Kurven alles reinzuwerfen und das Risiko einzugehen."
In der Vorbereitung war ihm das bereits auf die Füße gefallen: "Über das Wochenende bin ich einige Risiken eingegangen, habe gepusht und war ein paar Mal im Kiesbett, wobe ich hier und da den Unterboden beschädigt habe. Aber im Highspeed-Bereich bin ich nicht so sehr ans Limit gegangen, wo die Konsequenzen schwerer sind. Aber in den Daten haben wir nach dem Q1 und dem Q2 gesehen, dass ich zwei Zehntel auf Max nur in diesen beiden Kurven verliere, wo ich mich am wenigsten wohlfühle. Es ging also nur darum, es drauf anzulegen und zu hoffen, dass ich in einem Stück rauskomme. Und das brauchte ich auf der letzten Runde und genau das habe ich gemacht."
Hospitality-Feuer macht McLaren das Leben schwer
Am Vormittag hatte ein Feuer in der Hospitality von McLaren für chaotische Zustände im Fahrerlager gesorgt. Der Vorlauf auf das dritte Training und das Qualifying litt unter diesen Voraussetzungen. "Das Wichtigste ist, dass es allen gut geht. Eine Person musste für einen Check ins Krankenhaus, aber es ist alles in Ordnung. Für das Team war es ein Schreck und der Tag war stressiger, als uns lieb gewesen wäre", sagt Norris, der sich nicht wie üblich vorbereiten konnte.
"Meine Schuhe sind weg, aber das war schon das Schlimmste, was mich betrifft. Es war einfach anders. Ich konnte nicht in mein Zimmer und mich entspannen, wie ich es normalerweise mache", erklärt er weiter. "Aber die Teams waren sehr nett zu uns und haben Hilfe angeboten. Das war alles toll, es ist nur schade, dass wir es [Hospitality] heute oder morgen oder vielleicht auch in der Zukunft so nicht mehr nutzen können".
Die Nachwehen des Feuers machten sich im Tagesablauf überall bemerkbar "Es ist immer noch ein bisschen chaotisch. Ich habe von allem zwei Garnituren. Sie konnten ein paar Sachen retten, manche sind wohl nicht mehr so brauchbar. Sie riechen ziemlich übel vom Feuer. Manche Dinge habe ich zurückbekommen, und ich höre auch gerne vorher meine Musik. Oscar beschwert sich immer, dass ich vor den Sessions immer so laut höre. Das hatte ich diesmal nicht", so Norris.
Die Fahrer mussten sich andere Räume suchen, um sich auf die Sessions vorzubereiten: "Ich war oben im Büro der Ingenieure und Oscar war unten im Truck. Außerdem habe ich das Office von Zak [Brown] belegt, womit er wohl nicht ganz glücklich ist. Am Ende war alles kein Thema, ich bin auch nicht der Typ, der sich über so etwas beschwert. Ich könnte auch einfach nichts machen und ins Auto steigen, wenn ich muss. Aber ein paar Minuten für sich zu haben, nimmst du schon mit, wenn du die Möglichkeit hast."
Norris will zweiten Formel-1-Sieg
Am Sonntag wird Norris ebenfalls ohne seinen normalen Ablauf klar kommen müssen. "Morgen wird es mich vielleicht etwas mehr beeinflussen, dass ich nicht die Ruhe finden kann, die ich gerne habe. Aber das ist nicht das Ende der Welt. Ich werde nicht klagen", sagt er. Die perfekte Ausgangslage lässt ihn aber ohnehin darüber hinwegsehen. "Ich freue mich darauf, Rennen zu fahren. Gegen Max bin ich wohl am wenigsten gefahren, weil er immer so weit vorne ist. Ich bin froh, in dieser Position zu sein und es wird sicher ein Kampf über das gesamte Rennen."
Der Start ist in Barcelona mit dem langen Run zur ersten Kurve bereits der erste Schlüsselmoment: "Das ist vielleicht einer der Orte, an dem du nicht auf Pole stehen willst. Aber das ist eine Möglichkeit für uns, um einen Rennsieg zu fahren. Wir sind nicht viele Longruns gefahren, aber wir waren nah dran. Unser Auto wird morgen nicht schneller sein. Zwischen Mercedes, uns, Red Bull und Ferrari hätten heute acht Autos auf der Pole stehen können und die haben morgen auch die Chance auf den Rennsieg. Es wird darum gehen, die wenigsten Fehler zu machen."
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