Williams - gemessen an den neun Konstrukteurstiteln das zweiterfolgreichste Formel-1-Team aller Zeiten - steckt in der Krise. Von der glorreichen Ära in den 1980er und 1990er Jahren ist längst nichts mehr zu spüren. Vier der letzten sechs Saisons beendete der Traditionsrennstall aus Grove als Schlusslicht der WM-Tabelle. Es fehlt an Performance. Teamchef James Vowles ist auf Fehlersuche gegangen und hat ein chronisches Problem identifiziert: Das Auto hat seit Jahren Übergewicht.

Jahrelanger Kampf: Williams seit 2019 über dem Gewichtslimit

"Wir haben Autos produziert, die nicht an der Gewichtsgrenze sind. Jedes Jahr seit 2019 erreichte keines der Autos die Gewichtsgrenze, sondern lag weit darüber", stellte Vowles klar. In Vorbereitung auf die diesjährige Saison hat sich Williams auf ebenjene Problematik konzentriert und auch erste Erfolge erzielt: "Die Veränderung, die wir zwischen 2023 und 2024 vorgenommen haben, bestand darin, dass wir 14 Kilogramm aus dem Chassis herausgenommen haben. Jeder in der Branche, der diese Zahlen kennt, wird erkennen, dass das eine außergewöhnliche Leistung ist, die das Team sehr gut hinbekommen hat."

Trotz Gewichtsreduktion am Chassis wurde das Auto schwerer aufgrund anderer technischer Lösungen, die zur Verbesserung implementiert wurden. Vowles zufolge habe Williams aber jetzt ein viel besseres Paket. Mit der verbesserten Technologie "haben wir Alex ein Auto gegeben, das viel besser ausbalanciert ist", so der Teamchef. Zuversichtlich will er sich deshalb nach vorne orientieren: "Was mich nicht interessiert, ist, was passiert ist. Es geht darum, wie wir mit diesem Problem weitermachen."

James Vowles: Sukzessive Gewichtsreduktion beginnt in Imola

Die Umbruchsmaßnahmen im Team von Alexander Albon und Logan Sargeant haben bereits begonnen: "Imola ist der Beginn der Gewichtsreduktion. Das wird sich nun in den nächsten sechs Rennen fortsetzen - und zwar auf alle möglichen Arten und Weisen", kündigte Vowles vor dem Großen Preis der Emilia-Romagna einen sukzessiven Gewichtsverlust an.

An der Strecke in Imola lief es für Williams zuletzt auch nicht ganz rund. Alles dazu lest ihr hier:

Nach einem desaströsen Saisonstart reflektierte der Williams-Chef über die Rückschläge des Teams: "Was uns behindert hat, ist, dass wir zu Beginn der Saison vier Getriebeschäden hatten, die nicht mehr zu reparieren waren. Wir haben fünf Unterböden, vier Frontflügel, vier Heckflügel und einige andere Teile beschädigt. Jedes Team im Feld wird sagen, dass man das nicht bewältigen kann, plus den Aufwand sowie die Performance. Wir haben uns selbst behindert."

Die durch die Serie von Schäden verursachten Kosten beeinträchtigen auch andere Bereiche wie die Gewichtsreduktion des Autos, wie Vowles darlegte: "Williams hat viele Jahre lang mit großartigen Leuten an Optionen gearbeitet, aber es ist unglaublich teuer, Gewicht aus dem Auto zu nehmen. Vieles von dem, was wir tun, ist, Gewicht herauszunehmen. Aber es ist sehr ineffizient, das zu tun." Williams ändere nun die Strategie, um effizienter zu werden und eine Grundlage zu schaffen, auf der Ressourcen besser genutzt werden könnten, so Vowles weiter.

Strukturwandel bei Williams: Top-Personal von Red Bull und Ferrari kommt

Er gab Einblicke in die langfristigen Pläne des Teams und insbesondere die strukturellen Veränderungen, die von Williams vorgenommen werden, um wettbewerbsfähiger zu werden: "Als ich in die Organisation eintrat, waren es 700 Mitarbeiter. Jetzt sind es über 1.000 und wir sind noch nicht fertig mit dem Einstellungsprozess. Unser operativer Bereich, also die Bereiche des Unternehmens, die das Auto produzieren, hat eine signifikante Veränderung erfahren. Wir arbeiten unter einer anderen Führung, es gibt dort andere Strukturen."

Deshalb habe Vowles nun auch volles Vertrauen in die Produktion. Das Fundament, das mittlerweile geschaffen worden sei, habe bisher gefehlt. Darin liege der entscheidende Punkt der fehlenden Konkurrenzfähigkeit von Williams in diesem Jahr, so der Teamchef. Jetzt sei es aber so, "dass wir nichts mehr auf einer sinkenden Basis aufbauen" und es komme die nächste Stufe: "Wir haben das Glück, dass einige wirklich gute Leute von Red Bull und Ferrari zu uns stoßen. Dies wird ein Kern sein, der es ermöglicht, Spitzenleistungen in der Organisation zu verteilen. Je mehr man davon hat, desto mehr ist man in der Lage, das Team auf den Punkt zu bringen, wo wir sein müssen."

Nicht nur das Personal in den verschiedenen Abteilungen, sondern auch das Personal im Williams-Cockpit ist in den letzten Wochen vermehrt ein Thema. Kommt jetzt Mick Schumacher für Logan Sargeant? Wir haben mit unserem Experten Christian Danner darüber gesprochen:

Fährt Mick Schumacher bald wieder F1? Danner: Jetzt oder nie! (32:44 Min.)

Williams' Vision: Red Bull nicht nur imitieren, sondern übertreffen

Es geht Williams nicht darum, die Top-Teams zu kopieren und mit ihnen gleichzuziehen. Stattdessen müssen sie sie, um langfristig auf das Niveau zu kommen, jetzt übertreffen. "Wir überlegen, wie wir nicht nur mit Red Bull mithalten können - und damit meine ich, dass wir nicht nur die gleichen Einrichtungen wie sie haben -, sondern was wir tun müssen, um tatsächlich weiter als sie zu sein. Denn wenn ich genau dasselbe kaufe, was sie heute haben, haben sie etwa fünf Jahre Vorsprung, um zu lernen, wie man diese Produkte benutzt", erklärte Vowles hierzu.

Williams' Ambitionen sind groß: "Die grundlegende Veränderung besteht in der Reise, die wir unternehmen, um darüber hinauszugehen. Die Investition ist da und es geht bei den Veränderungen darum, wie wir uns von unserem jetzigen Betrieb in eine Modernisierung hineinbewegen. Die Transformation bedeutet, dass wir jetzt Technologien hinzufügen, die es uns ermöglichen, uns von unserem heutigen Stand aus weiterzuentwickeln. Wir kopieren nicht einfach nur, was andere machen, sondern gehen darüber hinaus."

Studio-Photo von Williams-Teamchef James Vowles
James Vowles will Williams zum Erfolg führen - das erfordert Geduld, Einsatz und Durchhaltevermögen, Foto: Williams F1

Wettbewerbsfähig 2026? Der Weg zur Spitze ist weit

Was James Vowles mit Williams eindrücklich vorführt, ist die Größe, Komplexität aber auch Trägheit eines Formel-1-Teams. Zur Behebung einer scheinbar oberflächlichen Problematik wie dem Übergewicht des Fahrzeugs braucht es oft tiefgreifende, gut koordinierte und langfristig geplante Veränderungen in der Unternehmensstruktur. Vorlaufzeit ist das A und O, weshalb Vowles auch nicht davon ausgeht, dass sie bis 2026 alles umsetzen können. "Alles würde bedeuten, dass man Weltmeisterschaften gewinnt. Das wird bis 2026 nicht der Fall sein. Bin ich zuversichtlich, dass wir Strukturen schaffen können, mit denen wir nicht mehr im Sande verlaufen? Ja. Das können wir bis 2026 schaffen", so Vowles.

Aufgrund des raschen Entwicklungstempos der Mittelfeld-Teams wagte Vowles keine Prognose zur Wettbewerbsfähigkeit von Williams im Sommer 2024 abzugeben: "Die Wahrheit ist, dass die Entwicklungsraten im Mittelfeld im Moment enorm sind. Jetzt haben wir schon seit Beginn der Saison ein paar Kilo abgenommen. Es ist nicht der erste Schritt, mit dem wir hierhergekommen sind, es ist einfach ein sehr großer Schritt."

"Das Mittelfeld entwickelt sich in einem Tempo, mit dem man nur schwer Schritt halten kann. Sie können sehen, wie RB sich nach vorne bewegt hat, Sie können sehen, wie Haas sich nach vorne bewegt hat. Das ist jeweils eine Etage höher. Sauber ist eine Etage höher. Die Aerodynamik-Entwicklung ist im Moment sehr stark. Es hängt also viel davon ab, was die anderen gegen das, was wir haben, in petto haben. Das ist die Geschichte der Saison, denke ich. Aber was ich Ihnen sagen kann, ist, dass die Autos nicht stillsitzen. Sie bewegen sich sehr schnell." Die Formel 1 bleibt also wie immer dynamisch und Williams hofft, durch eine neue, klare Strategie in Zukunft mithalten zu können.