Die Formel 1 legte bei ihrem Comeback in Las Vegas am Freitag einen katastrophalen Fehlstart hin. Der Abbruch des ersten Trainings nach nicht einmal zehn Minuten war ein früher Anti-Höhepunkt an dem seit Monaten im großen Stil beworbenen Rennwochenende in der US-amerikanischen Metropole. Am Ende einer langen Nacht stand ein mit allen Mitteln erzwungenes FP2 samt Ergebnis. Die F1 wendete den Super-GAU ab, doch die Versäumnisse bei der Vorbereitung der Strecke und fragwürdiges Krisenmanagement bleiben haften. Wir arbeiten den verflixten Freitag in Las Vegas chronologisch auf.

F1 blamiert sich in Las Vegas! Wie konnte es dazu kommen? (10:00 Min.)

20:38 Uhr Ortszeit: Carlos Sainz rollt auf dem Strip vor Kurve 14 aus und die Rennleitung zückt sofort die rote Flagge. In Anbetracht der gefährlichen Parkposition des Ferraris auf dem Highspeed-Abschnitt des 6,201 Kilometer langen Las Vegas Strip Circuit entspricht die Maßnahme den bekannten Abläufen. Im Replay wird gleich darauf jedoch ersichtlich, dass der Bolide am Unterboden von einem Gegenstand auf der Rennstrecke getroffen wurde. Ein nicht ordnungsgemäß fixierter Kanaldeckel ist auf Stadtkursen aber ebenfalls ein bekanntes Bild.

20:50 Uhr: Die Rennleitung teilt ohne Angabe von Gründen mit, dass die Session nicht wiederaufgenommen wird. Die auf Social Media kursierenden Aufnahmen und Bilder von der Unfallstelle legen den Verdacht nahe, dass eine größere Operation notwendig sein wird, um die Rennstrecke wieder für den Formel-1-Verkehr sicher zu machen.

20:58 Uhr: Von der FIA kommen scheibchenweise Updates. Die Offiziellen bestätigen den Ernst der Lage mit der Mitteilung, dass eine schnelle Lösung des Problems nicht in Sicht ist.

21:02 Uhr: Alpine meldet ein irreparables Chassis bei Esteban Ocon. Der Franzose hatte unmittelbar vor Sainz eine gelbe Flagge ausgelöst. Auch sein Auto wurde am Unterboden durch den auf dem Strip liegenden Gegenstand beschädigt. Er kehrte jedoch selbstständig an die Box zurück.

21:18 Uhr: Die FIA teilt das Ergebnis der ersten Analyse mit. Dabei wird klar, dass es sich nicht um einen typischen Kanaldeckel, sondern um eine Schachtabdeckung für Wasserventillöcher handelt. Der für die Fixierung im Boden benutzte Betonrahmen des Deckels hatte den aerodynamischen Kräften der F1-Boliden nicht standgehalten, wodurch sich die komplette Einheit aus dem Asphalt löste und zum Geschoss wurde.

21:38 Uhr: Ferrari und Alpine liefern Updates. Bei den Italienern ist das genaue Ausmaß der Schäden noch nicht klar, bei den Franzosen steht hingegen schon fest, dass für Ocon ein neues Chassis und ein neuer Unteroden fällig sind.

22:00 Uhr: Als Gast der Teamchef-Pressekonferenz feuert Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur aus allen Rohren. Mittlerweile ist klar, dass das Auto von Sainz nahezu ein Totalschaden ist. "Das wird uns ein Vermögen kosten! Für Carlos ist die Session im Arsch, wir werden am zweiten Training sicher nicht teilnehmen!", schimpft der Franzose. "Die Situation ist, dass wir ein komplett zerstörtes Monocoque haben, dazu der Motor und die Batterie. Ich finde das einfach inakzeptabel."

22:15 Uhr: Die Formel 1 und der Veranstalter des Grand Prix in Las Vegas geben ein erstes offizielles Statement heraus, nachdem das Krisenmanagement zuvor allein bei der FIA lag: "Eine einzelne Wasserventilabdeckung auf der Grand-Prix-Strecke von Las Vegas ging in FP1 kaputt. Die FIA, F1 und die Streckeningenieurteams vor Ort arbeiten aktiv daran, das Problem zu untersuchen und zu lösen."

23:05 Uhr: Für die nächsten knapp 60 Minuten muss sich die Öffentlichkeit gedulden, denn außer Fotos von den Arbeitern auf der Rennstrecke gibt es keine Neuigkeiten. Um 23:05 Uhr teilt die Rennleitung eine Verschiebung des FP2 auf unbestimmte Zeit mit. Ursprünglich hätte die zweite Session um Mitternacht gestartet werden sollen.

23:20 Uhr: Die FIA bestätigt für Sainz den Tausch von Monocoque, Verbrennungsmotor, Batterie und Steuereinheit. Bei Ocon bleibt es bei einem neuen Monocoque. Mittlerweile ist durchgesickert, dass der Start des zweiten Trainings für 02:30 Uhr angepeilt ist. Die Arbeiter müssen rund 30 Wasserventillöcher mit Beton füllen.

00:26 Uhr: Alpine meldet die erfolgreiche Reparatur von Ocons Auto. Bei Ferrari ist weiterhin offen, ob die Crew den Boliden von Sainz rechtzeitig fit bekommt.

00:50 Uhr: Der Zeitplan wird von offizieller Seite angepasst. Das FP2 soll um 02:00 Uhr beginnen und wird von 60 auf 90 Minuten verlängert, um die im ersten Training verlorene Streckenzeit zu kompensieren. Über all dem steht die Deadline von 04:00 Uhr, denn dann sollen die Streckenbereiche wieder für den Straßenverkehr freigegeben werden.

01:28 Uhr: Ferrari plädiert beim Schaden an Sainz Auto auf höhere Gewalt und beantragt bei der FIA, eine Strafe für den Wechsel der Power-Unit-Komponenten auszusetzen. Bei der Batterie ist der Spanier bereits am Limit und käme um eine Sanktion nicht herum.

01:41 Uhr: Es kursieren erste Berichte darüber, dass die Fans von den Tribünen verwiesen werden. Von offizieller Seite heißt es, dass die Fan-Bereiche wegen logistischer Bedenken gesperrt werden müssen.

01:47 Uhr: Unmittelbar bevor es mit dem FP2 losgehen soll, wird die Session um weitere 15 Minuten auf 02:15 Uhr verschoben. Die Formel 1 hat mit der Stadt mittlerweile ausgehandelt, die Öffnung für den Straßenverkehr nach hinten zu verlegen.

01:57 Uhr: Die Stewards lehnen den Antrag von Ferrari ab, die Batterie bei Sainz ohne Strafe wechseln zu dürfen und es bleibt bei einer Grid-Penalty von zehn Startplätzen: "Unabhängig von den höchst unüblichen externen Umständen verpflichtet Artikel 2.1 des Sportlichen Reglements der Formel 1 alle Offiziellen einschließlich der Stewards, das Reglement so anzuwenden, wie es geschrieben steht. Entsprechend muss die verpflichtende Strafe unter Artikel 28.3 angewandt werden. Die Stewards halten fest, dass sie, wenn sie die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung in diesen höchst unglücklichen mildernden Umständen hätten, sie diese gezogen hätten, aber die Regeln erlauben so eine Aktion nicht."

02:01 Uhr: Die Rennleitung verkündet auf den Monitoren eine weitere Verschiebung von 15 Minuten mit der neuen Startzeit um 02:30 Uhr.

02:15 Uhr: Sämtliche Tribünen sind mittlerweile geräumt und die Szenerie erinnert an die Jahre 2020 und 2021, als die Formel 1 ihre Veranstaltungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit abhalten musste.

02:17 Uhr: Die Arbeiten sind abgeschlossen. Rennleiter Niels Wittich absolviert im von Bernd Mayländer pilotierten Safety Car eine letzte Inspektionsrunde. Seitens Ferrari ist mittlerweile klar, dass die Reparatur von Sainz Auto erfolgreich war und auch er am FP2 teilnehmen kann.

02:30 Uhr: Das 2. Training wird mit zweieinhalb Stunden Verspätung gestartet. Weiteres Deckel-Drama bleibt im Verlauf der 90 Minuten aus, sodass die Königsklasse in den frühen Morgenstunden doch noch die Kurve bekommt und einen größeren Skandal abwendet. Das sportliche Geschehen wird am Freitag dennoch vom Imageschaden durch die chaotischen Zustände überschattet.