Der scheidende AlphaTauri-Teamchef Franz Tost wird seit Jahren nicht müde zu behaupten, dass Rookies in der Formel 1 mindestens drei Jahre brauchen, um vollständig in der Königklasse des Motorsports anzukommen. Für Supertalente scheint diese Regel nicht zu gelten. Oscar Piastri ist eines davon, wie der McLaren-Pilot gerade zeigt: 57 Punkte, Platz 9 in der Fahrerwertung, sowie das erste Podium seiner Formel-1-Karriere beim vergangenen Japan GP markieren eine der besten Rookie-Saisons der letzten Jahre.
Seit dem Großen Preis von Großbritannien, bei dem zum ersten Mal beide McLaren-Piloten einen rundum erneuerten MCL60 steuern durften, fährt Piastri von einem Erfolgserlebnis zum nächsten. Ein vierter Platz in Silverstone, direkt gefolgt von Platz 5 auf dem Hungaroring, das Top-3-Ergebnis im Belgien-Sprint und nun das bisherige Saisonhighlight mit dem Podium in Suzuka. Piastris Entwicklung geht Hand in Hand mit dem Aufwärtstrend seines Teams - steil nach oben. Doch was macht den Rookie so besonders?
Oscar Piastri: Eiskalt und abgezockt
Neben seinen unbestreitbaren Fähigkeiten auf der Strecke, sticht bei Oscar Piastri eine andere Fähigkeit besonders heraus. Der Australier wirkt, trotz seines jungen Alters, sowohl in der Öffentlichkeit als auch auf der Strecke bereits wahnsinnig abgezockt und erwachsen. Viele Piloten hätten das Alpine-Cockpit mit Handkuss genommen, Piastri wollte mehr und bekam es auch.
Hinzu kommt seine für einen Rookie niedrige Fehlerquote. Lediglich in Kanada und Zandvoort schmiss der McLaren-Pilot seinen MCL60 in die Bande. Beide Fehler waren nicht besonders kostbar. In Kanada-Qualifying flog er erst im letzten Abschnitt ab, in Zandvoort war es die Trainingssitzung. Nur der Startunfall in Spa war bitter, war aber kein kapitaler Fehler. Es war ein Rennunfall, der auch einem alten Hund hätte passieren können.
Piastri sticht nicht durch große emotionale Ausbrüche heraus - weder in die eine, noch in die andere Richtung. Diese Aufgabe übernimmt bei McLaren sein Teamkollege Lando Norris. Das mag dem Briten zwar eine größere Fangemeinschaft bescheren, macht ihn aber auch, siehe Russland GP 2021, anfälliger für emotionsbedingte Fehleinschätzungen.
Selbst nach seiner Podest-Premiere in Japan fiel Piastris Reaktion auffallend verhalten aus. Kein Jubelgeschrei, keine wilden und unkontrollierten Aussagen, nicht mal eine Siegerfaust streckte Piastri in den Himmel von Suzuka. Lediglich ein erleichtertes "Gut gemacht Team, vielen Dank", kam dem Australier am Funk über die Lippen. Doch warum war das so?
Die Antwort dürfte ebenfalls bei Lando Norris zu finden sein. Dieser war im Rennen "eindeutig schneller", wie Piastri nach dem Rennen zugab. Während andere Rookies nach einer Podest-Platzierung vor Freude fast aus dem Cockpit gesprungen wären, betrachtete Piastri seine Leistung aus einem anderen, größeren Blickwinkel. Mit dem Ergebnis war der Australier zufrieden. Doch von Norris geschlagen geworden und im Rennen deutlich langsamer gewesen zu sein, trübte seine Feierstimmung sichtbar.
Formel 1: Wie weit kann Piastris Reise gehen?
McLaren traf mit der vorzeitigen Vertragsverlängerung des Australiers eine Entscheidung mit Weitsicht. Piastris ursprüngliches Arbeitspapier wäre nach der Saison 2024 ausgelaufen. Um der Konkurrenz bei der Kontaktaufnahme zu Piastri und dessen Berater Mark Webber so schnell wie möglich einen Riegel vorzuschieben, fackelte das britische Traditionsteam nicht lange und brachte den Deal noch während Piastris erster Saison unter Dach und Fach. Das Supertalent wird bis einschließlich 2026 bei McLaren bleiben.
Doch bekanntermaßen reicht Talent allein in der Formel 1 nicht aus. Selbst der beste Fahrer kann ohne ein adäquates Auto nur bedingt Erfolge feiern. Für die kommenden Saisons liegt es nun an McLaren, seinem hochtalentierten Fahrer ein Auto zu geben, mit dem beide konstant um Siege fahren können. Nach dem bemerkenswerten Turnaround in der aktuellen Saison, soll kommendes Jahr erstmals der neue Windkanal seine Auswirkungen auf die Autos präsentieren. Sollte McLaren in den nächsten Jahren in der Lage sein, ein Top-Auto zu entwickeln, scheinen Piastri nach oben keine Grenzen gesetzt zu sein.
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