Er ist der unumstrittene König der Zweiradartisten. Niemand hat in dieser MotoGP-Saison mehr Rennen gewonnen. Niemand sonst hat mit einer solchen beinahe spielenden Leichtigkeit gewonnen. Und niemand wurde in so hohen Tönen gelobt wie Valentino Rossi.

Doch wie alle großen Geister und erfolgreichen Sportler dürstet es auch den Doktor nach seinen vielen Weltmeistertiteln auf zwei Rädern nach einer neuen Herausforderung.

Michael Schumacher suchte sich diese anno 1996 in Maranello, wo er dem Mythos Ferrari neues Leben einhauchte. Adrian Newey sucht sich das neue Abenteuer in Milton Keynes, wo er Red Bull zum Erfolg verhelfen möchte. Und Valentino Rossi könnte nach Ablauf seines Yamaha-Vertrages Ende 2006 seine neue Herausforderung auf vier Rädern in der Königsklasse des Automobilmotorsports suchen.

F1 oder nicht F1?

Rossi studiert die F1 momentan ganz genau., Foto: Sutton
Rossi studiert die F1 momentan ganz genau., Foto: Sutton

Die Formel 1 sucht hingegen händeringend nach Persönlichkeiten, so genannten Charakterköpfen und sympathischen Weltstars. Valentino Rossi erfüllt gleich alle drei Voraussetzungen: Mit seinen berüchtigten Späßen und Siegesfeiern bringt er die Massen bei jedem Rennen auf's Neue zum jubeln.

Bernie Ecclestone riss dies im letzten Jahr noch zu der Aussage hin: "Ich weiß nicht, ob die Leute bei uns wirklich diese leicht verrückten Dinge erwarten, die ein Rossi tut. Man darf nicht vergessen, unter welchem Druck ein moderner Formel 1-Pilot steht. Sie müssen ernsthaft sein und ernsthaft wirken, da sind ganz andere Sachzwänge vorhanden als bei den Bikes."

Mittlerweile hat der F1-Zampano seine Meinung allerdings geändert. Nun würde er sich freuen wenn Rossi ab 2007 einen der beiden Ferrari-Boliden steuern würde. Dass es in der F1 nicht immer nur um "neue Märkte", "PR-Termine" und "Geld" gehen muss, sondern auch einmal Spaß und Entertainment an der Tagesordnung stehen dürfen, hat das Red Bull Team in der vergangenen Saison mit Bravour bewiesen und vorgelebt.

Apropos Red Bull. Deren Boss Dietrich Mateschitz ist wenig überraschend ein großer Fan des Italieners. "Valentino ist nicht nur ein großartiger Motorrad-Pilot, bei seinem Talent könnte er auch in der Formel 1 Erfolg haben." Da verwundert es nicht, dass es für den Marketingguru der roten Bullen "ein Traum" wäre, wenn Rossi in einem Red Bull Ferrari antreten würde. "Red Bull heißt in Italien Toro Rosso, da müssten wir nur einen Buchstaben ändern", strahlt er.

Die Meinungen von Rossis bereits in der F1 tätigen Landsleuten weichen derweil stark voneinander ab. "Es macht ihm Spaß, er sammelt Erfahrung und wenn er bereit ist, dann wird er einer von uns werden", würde sich Jarno Trulli über einen F1-Einstieg des Doktors freuen. "Rossi wäre in der F1 willkommen, aber ihm würde eine harte Zeit bevorstehen. Denn so ist die Grand Prix Welt nun einmal."

Zumindest in diesem Punkt stimmt Giancarlo Fisichella seinem Toyota-Kollegen zu. "Vale ist ein Gott und wenn er in der F1 fahren würde, dann wäre das großartig. Aber das wäre für ihn ein harter Weg." Deswegen würde Fisico lieber sich selbst und Jarno Trulli in den beiden roten Boliden sehen. "Wir haben es mehr verdient", betont er. "Aber ich habe nichts gegen Rossi."

Mit Gegenwehr kommt dieser spielend klar. Bei seinem ersten von bislang drei Ferrari-Tests musste sich der Motorrad-Champion auch den Respekt der Ferrari-Crew erst verdienen. "Ich hörte, dass die Techniker dort eine Wette laufen hatten. Nur wenn man unter 60 Sekunden fährt, ist man ein Formel 1-Fahrer", erinnerte sich Valentino zurück. "Die meisten der Ingenieure wetteten, dass ich es niemals unter einer Minute schaffen würde. Ich lachte darüber, aber tief in mir drin wollte ich es ihnen zeigen." Das Ergebnis sprach eine eindeutige Sprache: 59,1 Sekunden. "Da haben eine Menge Leute ihr Geld verloren!"

Noch ist Rossi auf zwei Rädern in seinem Element., Foto: Sutton
Noch ist Rossi auf zwei Rädern in seinem Element., Foto: Sutton

Nach zwei weiteren Testsessions mit der Scuderia ist sich deren Präsident Luca di Montezemolo sicher: "Valentino ist ein sehr schneller und besonderer Mensch. Er hat das Potenzial in der F1 zu fahren."

Wer ist dieser Valentino Rossi überhaupt?

Der am 16. Februar 1979 im italienischen Urbino geborene Mehrfachweltmeister ist alles andere als ein vom Erfolgsstreben zerfressener Überfahrer, sondern ein bei allem was er macht vollkommen natürlicher und lustiger Mensch, der sehr viel Spaß an seinem Sport hat.

Sein jahrelanger Weggefährte Jeremy Burgess fasst dies so zusammen: "Mick Doohan genoss es zu gewinnen, aber Valentino genießt es Rennen zu fahren. Wenn Valentino ein großartiges Rennen fährt und nur Zweiter wird, dann ist er enttäuscht, aber er ist nicht wütend auf den Rest der Welt wie dies Mick immer war. Er wird Dir nicht den Kopf abreißen."

Denn rollende Köpfe sind Valentino nicht so wichtig wie lachende Gesichter: "Für mich ist es wichtiger Spaß zu haben", sagt der Italiener, der sich bravourös seinen Weg durch die drei Klassen gebahnt hat. Nachdem er den 125er WM-Titel 1997 gewonnen hatte, wechselte er in die 250er Klasse und nach seinem Vizetitel 1998 folgte schon 1999 der neuerliche Triumph. Danach ging es direkt und ohne Umschweife um eine Klasse weiter nach oben in die Königsklasse.

Nach drei Weltmeistertiteln in Folge verließ den Motorsport verrückten Rossi die Motivation einen vierten überlegenen Titel mit den Japanern von Honda einzufahren. Deshalb suchte er sich bei Yamaha eine neue Herausforderung suchte. Auch mit unterlegenem Material war der Doktor nicht zu stoppen und sicherte sich gleich in seinem ersten Jahr bei Yamaha den WM-Titel. In dieser Saison ließ er mit einer überragenden Vorstellung seinen zweiten Titel für die Blauen folgen.

So wurde er zum Doktor

Darin zeigte sich eine der großen Stärken des Italieners: Rossi ist nicht nur ein großartiger Racer und brillanter Entertainer, sondern auch ein genialer Entwickler, dessen Feedback es den Ingenieuren erlaubt ein Bike schnellstmöglich zu verbessern.

Masao Furusawa, seines Zeichens General Manager bei Yamahas Technology Development Division, beschreibt diesen Prozess wie folgt: "Ich habe Valentino mit der Basis versorgt und nun kümmert er sich um das Feintuning des Pakets. Ich bin davon begeistert wie er dies macht", so der Japaner, der nun ins Detail geht: "Mein erster Eindruck von Rossi war, dass er ziemlich witzig und immer positiv ist und einen großartigen Charakter besitzt. Ich hätte niemals erwartet, dass dieser lustige Junge technisch so analytisch sein könnte", lobt Furusawa die technischen Fähigkeiten und das Feedback seines Piloten.

Werden die beiden Superstars Ferrari-Teamkollegen?, Foto: Ferrari Press Office
Werden die beiden Superstars Ferrari-Teamkollegen?, Foto: Ferrari Press Office

"Rossi hat eine Fähigkeit das Bike für sechs oder sieben Runden zu fahren und gleichzeitig ein halbes Dutzend Bereiche auszutesten. Auf seinen ersten sechs Runden mit dem Bike hat er es komplett durchgecheckt. Aber es ist nicht nur seine Fähigkeit zu verstehen was er testet, sondern auch die Art und Weise wie er die Daten an sein Team und seine Ingenieure weitergibt. Er ist wie ein Computer, der alle Komponenten logisch untersucht. Ich glaube, dass er deswegen der Doctor ist - er untersucht das Problem und bietet ein Heilmittel dafür an."

Wie Valentino tatsächlich zu seinem Beinamen 'the Doctor' gekommen ist, erklärt der Italiener am besten selbst: "Als ich 2000 zu den 500ern wechselte nahm ich den Namen 'the doctor' an, weil man hier wie ein Arzt ruhig und überlegt mit seinem Bike umgehen muss. Zudem gibt es in Italien viele Ärzte namens Rossi. Deswegen wurde ich Doctor Rossi."

Der Rennsportvirus wurde dem kleinen Valentino von Vater Graziano in die Wiege gelegt. Dieser gewann 1979 drei 250er Grand Prix auf Morbidelli. Begonnen hat Rossi Junior seine Motorradkarriere bereits im zarten Alter von zwei Jahren. Danach interessierte er sich allerdings eher für den Automobilrennsport, weswegen er in den Kartsport einstieg. Diesen musste er aber aus Kostengründen zu Gunsten einer Motorradkarriere aufgeben.

Keine schlechte Entscheidung möchte man meinen. Ein bisschen hängt das Herz des Weltmeisters aber schon noch an den Vierrädern. Das beweisen seine immer häufiger werdenden Ausflüge auf die Ferrari-Teststrecken in Fiorano und Mugello.

Sich selbst sieht Rossi jedoch nur als einen "Fan auf einem Motorrad". Nicht als mehr. Aber immerhin ist er ein verdammt schneller Fan. Seine teils ausufernden Jubelarien nach einem Grand Prix Sieg begründet Rossi in seinem lustigen Naturell sowie einer alten Idee mit seinen Jugendfreunden: "Als ich damit anfing zu gewinnen beschlossen meine Freunde und ich, dass wir etwas Besonderes machen sollten das viel Spaß macht. Wir wollten einfach etwas Neues machen um allen die Emotionen ein Rennen zu gewinnen zu zeigen."

"Wenn ich kein Rennfahrer wäre, würde ich ein normales Leben führen", sagt der Mensch Valentino Rossi. "Ich würde Spaß haben und Zeit mit meinen Freunden verbringen. Ich würde auch Sport treiben. Fußball spielen oder Motocross fahren - einfach alles mit Rädern!" In Zukunft könnte Rossi vier Räder, einen CDG-Heckflügel und Slick-Einheitsreifen erleben. Nämlich dann, wenn er tatsächlich ab 2007 in die Formel 1 wechseln sollte.