Die Story könnte in punkto Peinlichkeitsfaktor beinahe an die erste "Fahrzeugpräsentation" am Moskauer Roten Platz herankommen - die Bilder vom Uralt-Jordan, der russischen Militärkapelle und den vor Kälte bibbernden südländischen Einsatzpiloten erfreuten im letzten Winter so manche Freunde der Situationskomik...

Was ist passiert? Zunächst nicht viel - oder doch - denn zumindest für Tiago Monteiro war es quasi die Erlösung schlechthin. Die Erlösung aus dem Ungewissen. Der Portugiese war zu Gast bei einer Feier der portugiesischen Motorsportbehörde, wurde dort mit einem Preis ausgezeichnet. Dort erzählte er dann hocherfreut, dass er am Donnerstag einen Vertrag bei Midland unterschrieben habe - als zweiter Einsatzpilot neben dem Holländer Christijan Albers.

In seinen überschwänglichen Aussagen konnte man die unendlich große Freude herauslesen - er und das Team hätten jetzt das Lehrjahr abgeschlossen, die Situation wäre nun um einiges besser als im Vorjahr und zudem hätte das Team auch einige seiner Anregungen in den Bau des nächstjährigen Midland-Toyota M16 einfließen lassen. Außerdem habe er ein Angebot von Frank Williams als Testpilot erhalten. "Ich bin sehr stolz, dass mich Williams in Betracht gezogen hat und ich möchte Frank Williams dafür danken, dass er an mich glaubt - aber auch er versteht, dass ich lieber Rennen fahren möchte", sagte Monteiro. Zu seinem Vertrag erklärte er den Kollegen von Autosport: "Man kann niemals hundertprozentig sicher sein, ob ein Vertrag auch wirklich unterschrieben wird. Die Unterzeichnung war eine große Erleichterung - und jetzt freue ich mich schon sehr auf die Winter-Testfahrten."

Was hat Tiago Monteiro nun unterschrieben?, Foto: Sutton
Was hat Tiago Monteiro nun unterschrieben?, Foto: Sutton

Das Midland-Team reagierte umgehend, ließ über eine Sprecherin ausrichten, dass etwas nur dann offiziell sei, wenn das Team dies auch offiziell erklären würde. Nun aber legte Midland-Teamchef Colin Kolles noch ein Schäuferl nach - und erklärte gegenüber F1Racing, dass "mit Monteiro noch gar nichts unterschrieben wurde". Und: "Wir haben eine Option auf ihn und er ist momentan der wahrscheinlichste Kandidat - aber es ist bislang noch nichts gesichert. Wir werden unseren zweiten Fahrer im richtigen Moment bekannt geben."

Jetzt stellt sich die Frage: Was hat Tiago Monteiro dann am Donnerstag unterschrieben? Dem studierten Portugiesen wird wohl kaum jemand eine Lebensversicherung als Fahrervertrag untergejubelt haben. Und die Option, die Kolles anspricht, gibt es wohl schon länger. Irgendjemand hat also dem Anschein nach die Unwahrheit erzählt...

Oder aber es geht wieder einmal darum, einem Fahrer öffentlich zu demonstrieren, wer in der Königsklasse am längeren Ast sitzt. Dass sich Tiago Monteiro angesichts der zahlreichen nach nur einem Jahr wieder aus der Formel 1 verschwindenden Rookies über eine Vertragsverlängerung ganz besonders freut, ist mehr als verständlich. Sollte Monteiro tatsächlich einen Fahrervertrag für 2006 unterschrieben haben und angesichts der großen Erleichterung vorschnell an die Öffentlichkeit gegangen sein, wären die harschen Worte des Colin Kolles zwar aus seiner Position auch verständlich, zugleich aber bezichtigt Kolles mit seiner Aussage Monteiro, die Unwahrheit gesagt zu haben...

Kompliziert. Eines zeigt dieser absurde Fall aber ganz sicher: Die Formel 1-Piloten der Gegenwart führen bis auf die wenigen Superstars ein Leben in Angst und Schrecken. Es herrscht das große Zittern um die gerade erst begonnene Formel 1-Karriere. Jedes falsche Wort könnte sie zunichte machen. Da wundert es nicht, wenn die Piloten lieber zu wenig als zu viel sagen. Der Grund für diese Entwicklung ist recht leicht zu erklären: Aufgrund der zahlreichen Fahrhilfen können die Piloten nicht mehr ihr volles Talent ausspielen - sie wurden so in gewissem Maße leicht ersetzbar. Dieser Zustand sollte schleunigst abgestellt werden, will man weiterhin die Königsklasse des Automobilrennsports sein...