Ferrari hat sein neues Auto für die Formel-1-Saison 2023 vorgestellt. Die neue Rote Göttin hört auf den Namen SF-23 und durfte bei der Präsentation auf der hauseigenen Teststrecke in Fiorano gleich seine ersten Kilometer unter die Räder nehmen. Die Zielvorgabe der Ingenieure war klar: Man wollte keine Revolution des F1-75, sondern eine Evolution.

Aus mehreren Gründen entwickelte Ferrari lieber weiter als neu. Einerseits erlaubt das Reglement ohnehin wenig Freiraum für die Ingenieure. Gleichzeitig kann die Scuderia durch die Budgetobergrenze nicht alle Bereiche anfassen. Deshalb konzentrierte man sich nur auf Areale, die wirklich Performance versprechen.

Ferrari übernimmt viele Teile aus dem Vorjahr

Im Vergleich zu früheren Jahren wurden deutlich mehr Teile vom Vorjahresboliden übernommen. "Rund doppelt so viele", verrät Ferraris Chassis-Chef Enrico Cardile. Sein Motoren-Kollege Enrico Gualtieri musste sogar noch deutlich mehr Teile übernehmen, denn die Power Units sind homologiert und dürfen eigentlich nicht entwickelt werden - eigentlich.

Aus Gründen der Zuverlässigkeit sind Updates erlaubt. Genau deshalb ging Ferrari mit der 2022er Power Unit auf Risiko. Wenn man ein Power-Defizit gehabt hätte, würde man dem bis Ende 2025 hinterherlaufen. Deshalb setzte Ferrari auf Leistung statt Zuverlässigkeit. Allerdings gab es dort tatsächlich großen Nachholbedarf.

Ferrari musste am Ende der vergangenen Saison die Leistung herunterschrauben, um das Triebwerk zu schonen. Das soll nun nicht mehr nötig sein. Abgesehen von Verbesserungen am Design wurden auch die Zulieferer genauer unter die Lupe genommen. Und auch beim Zusammenbau der hochkomplexen Power Units konnte man Verbesserungen vornehmen.

Ferrari bringt neue Nase & Aufhängung für 2023

Zurück zum Chassis: Hier hatten die Ferrari-Ingenieure zwei große Ziele. Wie jedes Jahr stand mehr Abtrieb im Lastenheft. Gleichzeitig sollte die Fahrzeugbalance aber konstanter werden. Charles Leclerc und Carlos Sainz klagten darüber, dass sich die Balance zwischen langsamen und schnellen Kurven stark veränderte.

Die Front-Partie wurde dafür stark verändert. Der SF-23 bekam eine komplett neue Nase samt Frontflügel. Das erste Flügel-Element ist nun schwebend. Beim F1-75 wuchs die Nase weiter nach vorne bis zum vordersten Flügel-Element. Neu ist die Ferrari-Lösung nicht, schon 2022 setzten zahlreiche Teams auf ein schwebendes vorderes Flügel-Element.

Ferraris alter (links) und neuer (rechts) Flügel - 2023 ist das vorderste Element frei, Foto: Ferrari
Ferraris alter (links) und neuer (rechts) Flügel - 2023 ist das vorderste Element frei, Foto: Ferrari

Neben einer komplett neuen Kontur bekam der Frontflügel auch charakterstarke Verbindungs-Elemente. Die hinteren beiden Flügel-Elemente werden auf jeder Seite über fünf Abweiser miteinander verbunden. Hier nutzt man das Reglement maximal aus und versucht, die Luft nach außen um die Vorderreifen zu lenken.

Ferrari setzt auf neue Verbindungs-Elemente, um den Luftstrom rund um den Vorderreifen besser zu kontrollieren, Foto: Ferrari
Ferrari setzt auf neue Verbindungs-Elemente, um den Luftstrom rund um den Vorderreifen besser zu kontrollieren, Foto: Ferrari

Lenken ist ein gutes Stichwort. Die Vorderachse überarbeitete Ferrari komplett. Die Lenkhebel wanderten von oben nach unten. Das dürfte ein neues Chassis nötig gemacht haben. Der Wechsel hat laut Ferrari rein aerodynamische Gründe.

Ferraris alte (links) und neue (rechts) Aufhängung, Foto: LAT Images / Ferrari
Ferraris alte (links) und neue (rechts) Aufhängung, Foto: LAT Images / Ferrari

Gleichzeitig legte man beim Redesign großen Wert auf Setup-Möglichkeiten. Durch die Neuerungen will man nun mehr Möglichkeiten haben, den SF-23 an der Strecke einzustellen. Bei der Lage der Feder-Dämpfer-Einheiten ist man sich aber treu geblieben. Vorne setzt Ferrari auf Pushrods, hinten auf Pullrods.

Ferrari geht weiter eigenen Weg am Heck des Autos

Die Seitenkästen sind eine aggressive Weiterentwicklung des alten Konzepts. Die Einschnitte im Inneren sind nun noch gravierender. Die Kiemen wurden in zwei Bereiche geteilt. Der vordere, schwarte Teil scheint fix zu sein. Dahinter sind in einem separaten Element weitere Kiemen zu sehen. Je nach Strecke und Wetter dürften hier unterschiedliche Varianten zum Einsatz kommen.

Links klar sichtbar die geteilten Kiemen, rechts hervorgehoben ein neuer rückwärtiger Ausschnitt unter dem Halo, möglicherweise aerodynamischer Natur, Foto: Ferrari
Links klar sichtbar die geteilten Kiemen, rechts hervorgehoben ein neuer rückwärtiger Ausschnitt unter dem Halo, möglicherweise aerodynamischer Natur, Foto: Ferrari

Beim Seitenkastenkonzept verzichtet Ferrari weiterhin auf einen Downwash. Die Verkleidung zieht sich zwar stark zusammen, führt aber nicht in Richtung Unterboden. Dafür liegt die Verkleidung rund um den Auspuff extrem eng an. Die Motorabdeckung fällt deutlich eleganter und tiefer ab als bei der Konkurrenz, die die dreckige Abluft der Kühler aus großen Öffnungen rund um den Auspuff zwischen Beamwing und Heckflügel ausbläst.

Die Heckverkleidung fällt nicht nach unten ab, sondern zieht sich vor dem Auspuff extrem schmal zusammen, Foto: Ferrari
Die Heckverkleidung fällt nicht nach unten ab, sondern zieht sich vor dem Auspuff extrem schmal zusammen, Foto: Ferrari

Auffällig sind zahlreiche schwarze Flecken am SF-23 in Sichtkarbon. Wie viele andere Teams versucht die Scuderia hier Farbe und damit Gewicht zu sparen. Ob man in Maranello auf die minimalen 798 Kilogramm gekommen ist, ließ Teamchef Fred Vasseur unbeantwortet.

Technische Daten Ferrari SF-23 - Chassis

  • Monocoque: Karbon, Aluminium-Honigwaben
  • Sicherheit: Titan-Halo, Überrollbügel vorne & hinten, Crash-Strukturen vorne, seitlich und hinten, Eindringungsschutz
  • Verkleidung: Karbon
  • Gewicht (einschl. Kühlflüssigkeit, Öl, Fahrer): 798 kg (per Reglement)
  • Vorderradaufhängung: Druckstrebe
  • Hinterradaufhängung: Zugstrebe
  • Bremsen: belüftete Karbon-Scheiben vorne und hinten von Brembo, Brake-by-Wire
  • Räder: 18 Zoll, BBS, geschmiedetes Magnesium
  • Elektronik: Einheitssteuergerät nach FIA-Standard von McLaren

Technische Daten Ferrari SF-23 - Getriebe

  • Hersteller: Ferrari
  • Aufbau: Karbon-Gehäuse, längsseitig installiert
  • Gänge: 8 vorwärts, 1 rückwärts
  • Gangwechsel: Sequenzielle Halbautomatik, hydraulische Aktivierung

Technische Daten Ferrari SF-23 - Motor

  • Modell: Ferrari 066/10
  • Mindestgewicht: 150 kg
  • Hubraum: 1,6 Liter
  • Zylinder: 6 in 90-Grad-V (per Reglement)
  • Ventile: 4 pro Zylinder (per Reglement)
  • Drehzahl: 15.000 u/min (per Reglement)
  • max. Benzindurchfluss: 100 kg/Stunde
  • Aufladung: 1 Turbolader
  • Hybrid-Batterie: Lithium-Ion, 20 kg Mindestgewicht
  • Batterie-Kapazität: 4 Megajoule/Runde (per Reglement)
  • MGU-K Leistung: 120 kW bzw. 163 PS (per Reglement)
  • MGU-K Drehzahl: max. 50.000 U/min (per Reglement)
  • MGU-H Leistung: unbegrenzt
  • MGU-H Drehzahl: max. 125.000 U/min (per Reglement)