Lando Norris ist mittlerweile unangefochtener Teamleader bei McLaren. Der 23-jährige fährt seit vier Jahren für die Papayas und konnte in der Zeit eine Pole-Position und mehrere Podestplätze erringen, ein Sieg war ihm allerdings noch nicht vergönnt. Zu schlecht war der McLaren der letzten Jahre. Die hohen Ziele, nach dem Regelumbruch 2022 wieder regelmäßiger um Siege kämpfen zu können, konnten nicht eingehalten werden.
Stattdessen fiel das britische Team sogar auf Konstrukteurs-Rang fünf zurück. Zu wenig für den Traditionsrennstall - und vor allem zu wenig für seinen Teamleader. Lando Norris wartet seit seiner Ankunft in Woking auf ein siegfähiges Auto. Ist die Kombination McLaren-Norris zukunftstauglich? Der Brite unterschrieb erst vor der Saison 2022 einen langfristigen Vertrag bis Ende 2025. Die Motorsport-Magazin.com-Redakteure Tobias Mühlbauer und Louis Budweg debattieren Pro und Contra.
Pro: McLaren die beste Norris-Option
Von Tobias Mühlbauer
Zugegeben: McLaren hat 2022 einen Rückschritt erlebt und der Verlust von Teamchef Andreas Seidl wiegt schwer, auch wenn ihm mit Andrea Stella ein fähiger und eingearbeiteter Mann folgt. Dennoch sind Seidls Pläne immer noch auf Kurs: Der neue Windkanal, der neue Simulator und die von ihm geschaffenen Strukturen, all das wird erst in Zukunft so richtig greifen.
Dazu kommt die Frage, wohin Norris denn wechseln soll? Red Bull will mit Max Verstappen als Nummer 1 antreten und daneben einen zweiten Piloten, der dies nicht in Frage stellt. Norris würde das kaum akzeptieren. Bei Mercedes hingegen dürfen die Piloten frei kämpfen, nur wird sich dort keine Tür auftun. George Russell ist als Zukunftshoffnung gesetzt und Lewis Hamilton wird so lange einen Vertrag bekommen, wie er das möchte. Und die letzten seiner Aussagen sowie die von Teamchef Toto Wolff waren eindeutig: Die Verlängerung über 2023 hinaus steht vor der Tür.
Auch bei Ferrari haben beide Piloten Vertrag bis Ende 2024. Neu-Teamchef Frederic Vasseur wurde auch als ein Vertrauter Charles Leclercs geholt. Selbst wenn Norris also die Nachfolge seines Ex-Teamkollegen Carlos Sainz antreten dürfte, stünde auch hier eine Nummer-2-Rolle in Aussicht. Und sonst? Es gibt nur Alternativen, die aktuell schlechter sind als McLaren. Sowohl Aston Martin als auch Sauber/Audi liegen in ihren Projekten sogar noch deutlich hinter dem McLaren-Zeitplan. Andreas Seidl hat noch keinerlei sportliche Argumente, um seinen Ex-Piloten nach Hinwil zu locken.
Deswegen muss Norris das Projekt McLaren durchziehen, dort ist er für den Moment der unumstrittene Leader. Selbst wenn Woking scheitern sollte, werden sich richtige Alternativen für ihn erst in einigen Jahren ergeben und dann kann er diese Chancen immer noch ergreifen.
Contra: Die Zeit rennt, auch in der Königsklasse
Von Louis Budweg
Lando Norris ist mittlerweile 23 Jahre alt. In der Regel erstreckt sich die Karriere von Formel-1-Piloten bis in ihre mittleren 30er-Jahre. Spezialfälle wie Kimi Räikkönen, Fernando Alonso oder Lewis Hamilton mal ausgenommen. Norris bleiben damit noch gut über 10 Formel-1-Saisons bis zur Rente. Wie viele will er damit verbringen, auf McLaren zu warten, ohne zu wissen, ob sich dieses Warten überhaupt lohnt?
Der Brite sitzt fest. Gestrandet im Nirgendwo der Formel-1-Konstrukteure, in diesem Fall bei McLaren. Das Team aus Woking ging mit großen Ambitionen in diese neue Formel-1-Generation 2022. Endlich sollte wieder ein Auto her, das um die Spitzenpositionen kann. Das Ergebnis? McLaren beendete die Saison nur dank Norris auf Platz fünf der Konstrukteurs-Meisterschaft. Im Prinzip war man ein Ein-Mann Team. Das kann und darf nicht der Anspruch von Lando Norris sein, einem Fahrer, der das Potenzial hat, um die Formel-1-Weltmeisterschaft zu kämpfen.
Also was tun? Schließlich hat der Brite einen Vertrag bis einschließlich 2025 und die Cockpits der Spitzenteams sind vorerst besetzt. Norris muss sich aktiv bei anderen Teams bewerben, mit den Verantwortlichen sprechen und so versuchen andere Fahrer aus ihren Cockpits zu verdrängen. Essenziell ist, sich schon so früh wie möglich in Stellung zu bringen. Sergio Perez bei Red Bull ist nach den jüngsten Ereignissen in Brasilien alles andere als sattelfest und auch Charles Leclercs Geduldsfaden bei Ferrari scheint endlich. Man weiß nie, was in der Königsklasse des Motorsports passiert - und das muss der Brite mit aller Macht versuchen zu nutzen.
Norris' letzte Option ist Audi. Schon Andreas Seidl wagte den Schritt von Woking nach Hinwil, warum nicht auch Norris? Sportlich mag Alfa Sauber noch nicht auf McLaren-Niveau sein. Mit Audi-Unterstützung, Knowhow und ab 2026 einem eigenen Werksmotor scheint ein sportlicher Aufstieg aber nahezu garantiert. Norris könnte das Team schon vor dem letztendlichen Audi-Einstieg formen und für 2026 zusammen mit Seidl in die passende Stellung bringen, um dann erfolgreich zu sein. Ein Werksteam kann McLaren seinem Piloten nicht bieten - und nicht zu vergessen: Ein Brite, der von McLaren zu einem deutschen Werksteam wechselt? Das funktionierte schon einmal ganz gut.
diese Formel 1 Nachricht