Supertalent Oscar Piastri produzierte schon vor seinen ersten Kilometern an einem Formel-1-Rennwochenende mehr Schlagzeilen als so manche Rookies in ihrer ganzen Karriere. Im Rechtsstreit um seine Dienste gewann schließlich McLaren mit einstimmigem Votum vor dem Schiedsgericht der FIA (Contract Recognition Board) gegen Alpine. Die Art und Weise seines Wechsels brachte dem 21-Jährigen trotzdem viel Kritik ein. Da hieß es vor allem von Alpine, er habe mangelnde Loyalität gezeigt, da die Franzosen ihm ein aufwendiges Testprogramm mit Vorjahreswagen zur Vorbereitung auf sein Formel-1-Debüt finanzierten.

In seiner australischen Heimat hingegen gab es aber einen anderen Punkt, der die Fans erzürnte. Mit seinem Wechsel verdrängte Piastri Landsmann Daniel Ricciardo aus dem zweiten McLaren-Cockpit neben dem gesetzten Lando Norris. Der achtfache Grand-Prix-Sieger fand danach keinen Platz mehr in der Startaufstellung für 2023. Er wird nun eine Ersatzfahrerrolle in Teilzeit bei Red Bull ausfüllen.

Ricciardo bedauert: Piastri kann F1-Einstieg nicht genießen

Kein Wunder also, dass Ricciardo im australischen Podcast 'In the fast Lane' zur heiklen Situation rund um seinen Landsmann befragt wurde. Der 33-Jährige war nicht erzürnt, sondern zeigte sich empathisch: "Ich war sicherlich sehr auf mich konzentriert und wollte mir klar werden, was ich machen werde. Aber ich war mir auch bewusst, welche Kommentare auf ihn [Piastri, Anm. d. Red.] einprasselten. Ich habe aus einigen Gründen mit ihm gefühlt."

Der Ex-McLaren-Pilot bedauerte, dass Piastris Debüt in der Königsklasse mit einem faden Beigeschmack behaftet ist: "Der Einstieg in die Formel 1 sollte der größte Moment deines Lebens sein. Da wird ein Traum wahr und du kannst ihn nicht richtig genießen oder feiern. Das ist dann schon schade." Ricciardo selbst gab sein Debüt mit wesentlich weniger Nebengeräuschen während der Saison 2011 beim Hinterbänklerteam HRT. 2012 fuhr er dann seine erste volle Saison bei Toro Rosso.

Ricciardo feierte sein Debüt 2011 bei HRT, Foto: Sutton
Ricciardo feierte sein Debüt 2011 bei HRT, Foto: Sutton

Ricciardo: Piastri schon vorm Debüt abgestempelt

Nach Jahren bei Red Bull und Renault war nun McLaren seine vorerst letzte Station als Stammfahrer in der Königsklasse. Sein Rauswurf beim Traditionsrennstall wird unweigerlich mit Piastris Wechsels in Verbindung gebracht, doch der 33-Jährige macht seinem jüngeren Landsmann keinen Vorwurf: "Er war in dieser Situation, aber er hatte sie nicht heraufbeschworen. Es passierte einfach und das Team wählte ihn aus. Auch Mark [Webber, Anm. d. Red.] musste einfach seinen Job machen und einen Platz für ihn finden."

Danile Ricciardo löste einst Mark Webber ab, Foto: Sutton
Danile Ricciardo löste einst Mark Webber ab, Foto: Sutton

Ironischerweise war es Ricciardo, der Piastris heutigen Manager Mark Webber 2014 bei Red Bull beerbte. Webber wurde damals allerdings nicht rausgeworfen, sondern beendete seine Karriere aus freien Stücken mit der Saison 2013. Deswegen gab es damals auch keine negativen Reaktionen aus der Heimat, sondern die Freude, weiterhin einen Australier in einem Spitzenteam wie Red Bull zu haben.

Piastri hingegen ist nun im eigenen Land für manche der Buhmann. Ricciardo schließt sich dieser Sichtweise nicht an: "Ich verstehe, warum die Leute sagen: 'Wie konntest du das einem anderen Aussie antun?' Ich habe das aber definitiv nicht so gesehen. Wir alle versuchen einfach, das Beste herauszuholen." Das bestmögliche war aus Piastris und Webbers Sicht offenbar das Cockpit bei McLaren. Sein Vorgänger in Woking ruft die Fans zum Abwarten auf. Er sieht es kritisch, dass Piastri ohne eine einzigen Rennkilometer bereits ein Stigma trägt: "Die Leute kennen ihn ja noch gar nicht, weder als Fahrer noch seinen Charakter. Ich finde es also übertrieben, wenn er so abgestempelt wird und die Leute einfach ihre eigenen Vermutungen über ihn anstellen."