Hans-Joachim Stuck trägt eine Vielzahl an Bezeichnungen mit sich durch die Fahrerlager dieser Motorsportwelt. Er ist Ex-Formel 1-Pilot, noch immer aktiver Rennfahrer, Kolumnist einer großen deutschen Boulevardzeitung, steht für einen Münchner Pay-TV-Sender vor der Kamera und wird von einigen schlicht als Experte bezeichnet.

Eine Funktion wird dabei gerne vergessen: Jene des Jurors bei der Deutschen Post Speed Academy. In dieser Funktion wacht Strietzel Stuck mit all seiner Erfahrung über die Karrieren von sechs jungen Nachwuchshoffnungen.

Wer könnte also besser geeignet sein um über die abgelaufene Formel 1 Saison 2005, den Motorsportnachwuchs und die Zukunft der Königsklasse zu diskutieren? Das sagten sich auch unsere motorsport-magazin.com-Redakteure Stephan Heublein und Mike Wiedel, die sich mit Strietzel Stuck an einen Tisch setzten und all diese Fragen beantworteten.

Strietzel Stuck freut sich über die Talente der Speed Academy., Foto: BMW
Strietzel Stuck freut sich über die Talente der Speed Academy., Foto: BMW

Hans, zur Saisonmitte hast Du uns gesagt, dass die Speed Academy der Deutschen Post noch ein bisschen im Verborgenen wächst. Hat sich das im vergangenen halben Jahr verbessert?

Hans-Joachim Stuck: In einer positiv gesättigten Medienlandschaft ist es relativ schwierig sich abzuheben, aber noch wichtiger als die Bekanntheit auf der Tribüne ist, dass die Insider wissen was abgeht. Es ist entscheidend, dass die Leute aus der Industrie, die sich mit dem Nachwuchs beschäftigen, wissen, dass die Speed Academy eine logisch aufgebaute und fundiert geführte Institution ist.

Kommen wir auf die Fahrer zu sprechen: Wie haben sich die sechs Kandidaten geschlagen?

Hans-Joachim Stuck: Mein absoluter Favorit ist Marc Hennerici. Er tummelt sich in der WTCC in einer Serie, in welcher er nicht das beste Material besitzt. Trotzdem setzt er sich gegen die Werksteam mit Bravour in Szene. Er selbst ist ein sympathischer Bursche mit einem guten Auftreten. Also fast schon ein Idealfall.

Ihm könnte also mit dem richtigen Material eine große Karriere bevorstehen...

Hans-Joachim Stuck: Das ist immer der schwierigste Punkt: Alle unterstützen ihn, aber wie geht es danach weiter? Leider macht BMW auf dem Tourenwagensektor nicht sehr viel, was sehr schade ist. Allerdings lässt ihnen das neue Engagement in der Formel 1 nur wenig Luft für andere Dinge.

Da wir gerade vom Nachwuchs sprechen: Red Bull hat das Minardi Team übernommen und damit dafür gesorgt, dass Fahrer die nicht zum Red Bull Junior Team gehören es noch schwieriger haben werden in die Königsklasse zu gelangen...

Hans-Joachim Stuck: Das ist aus Sicht von Red Bull verständlich. Wenn Didi Mateschitz sich ein Team kauft, dann wird er keinen deutschen Nachwuchsfahrer nehmen. Red Bull ist zwar ein Global Player, aber er versucht natürlich trotzdem seine Österreicher unterzubringen. Mit Christian Klien hat er einen Mann, der ein komplettes zweites F1-Jahr verdient hat. Neulich habe ich mit dem Christian auf dem Flughafen gesprochen und er sagte: "Du kannst dir gar nicht vorstellen, was das Cockpitsharing für einen ständigen Druck ausübt."

Was hältst Du also von der Squadra Toro Rosso?

Stuks Brabham war auch ein Toro Rosso., Foto: Sutton
Stuks Brabham war auch ein Toro Rosso., Foto: Sutton

Hans-Joachim Stuck: Das ist eine tolle Sache für die F1. Wir haben momentan 20 Autos. Aber der Aufwand der dafür betrieben wird, ist eine Lachnummer. Da könnten Hersteller wie Mercedes, Honda oder Toyota locker noch ein zweites Team betreiben. Dann hätten wir wieder 26 bis 30 Autos im Feld. Dort könnten die jungen Burschen ohne Druck die F1 kennen lernen. Dass ein Privatmann den großen Automobilherstellern diesen Weg vormachen muss, ist beinahe schon ein Witz.

Derzeit wird über ein elftes und sogar zwölftes Team für 2006 diskutiert. Allerdings erscheint das eher unwahrscheinlich...

Hans-Joachim Stuck: Ich würde mir wünschen, dass es funktioniert. Dann hätten wir 22 Autos und das wäre schon nicht schlecht. Meinetwegen sollen sie mit den Chassis und V10-Motoren aus diesem Jahr fahren. Man müsste die V10 nur so herunterregeln, dass sie den anderen nicht um die Ohren fahren. Die Jungen sollen ja nicht gleich um den Sieg oder den Titel mitfahren, sondern erst einmal die Strecken und die Autos kennen lernen.

Das ist unser nächstes Stichwort: Motoren. Im nächsten Jahr kommen die V8 zum Einsatz. Was wird sich verändern?

Hans-Joachim Stuck: Grundsätzlich muss man sagen, dass man mit dem V8-Motor keinerlei Kosten spart. Stattdessen sind die Entwicklungskosten immens hoch. Dennoch sind zu Beginn einige Motorschäden zu erwarten. Denn ein V8 ist nicht unbedingt ein sehr laufruhiges Konzept. Für mich macht es einfach keinen Sinn. Ich saß in Istanbul mit Mario Illien, Norbert Haug, Mario Theissen und Bernie Ecclestone beim Frühstück zusammen. Und alle fragten sich: Warum machen wir im nächsten Jahr eigentlich V8? Die wissen es selber nicht. Ich habe auch schon mit Max Mosley gesprochen und ihn gefragt: "Max, weißt Du, dass die Formel 1 als einzige Top-Motorsportserie der Welt noch ohne Katalysator fährt?" Da hat er mir geantwortet: "Fuck the cat." Dabei wäre gerade das eine neue Herausforderung für die Motorenbauer.

Wenn wir jetzt auf die Saison 2005 zurückblicken: Hatten wir zu viele Rennen?

Max Mosley sagte: Fuck the cat!, Foto: adrivo Sportpresse
Max Mosley sagte: Fuck the cat!, Foto: adrivo Sportpresse

Hans-Joachim Stuck: 19 Rennen ist die absolute Obergrenze. Es kann einfach nicht sein, dass wir in 8 Wochen 6 Rennen haben. Das war der totale Megastress. Wichtig sind die drei Wochen Sommerpause, in der wirklich an drei Wochenenden nicht gefahren wird. Zudem sollte man versuchen die back-to-back-Rennen einzuschränken. Das Kanada und USA oder Japan und China zusammengezogen werden, ist logisch. Aber vier Double-Header sollten genug sein. Allein der Aufwand der im Hintergrund betrieben wird, um die ganzen Hospitalities bereits während der Rennen abzubauen, um rechtzeitig zum nächsten Austragungsort zu gelangen, ist gigantisch. Selbst der Rennkalender für 2006 ist nicht perfekt: Es geht los mit Bahrain und Malaysia, dann kommt eine Woche Pause und erst danach geht es nach Australien.

Sportlich gesehen war diese Saison aber interessanter als die vorangegangen Jahre...

Hans-Joachim Stuck: Die Saison war klasse. Die Abwechslung hat gestimmt, Renault hat einen Superjob gemacht und McLaren Mercedes hat alles Pech der Welt gehabt. Dabei steht fest: Auch bei McLaren muss man die Millionenausgaben mit Erfolgen rechtfertigen. Es ist für sie zwar schön, dass sie das schnellste Auto besitzen, aber davon können sie sich nichts kaufen.

Bei Ferrari konnte man sich in dieser Saison von den dargebotenen Leistungen ebenfalls nicht viel kaufen. Du hast zuletzt angezweifelt, dass Ferrari 2006 zurückschlagen wird.

Hans-Joachim Stuck: Das wird schwierig werden. Mit dem neuen Motorenkonzept kommen einige Dinge auf Ferrari zu, welche sie parallel zur Ausmerzung ihrer diesjährigen Fehler meistern müssen.

Und selbst bei den Roten ist das Geld nicht mehr in so großen Mengen wie die WM-Titel vorhanden...

Hans-Joachim Stuck: Überall muss auf das Geld geachtet werden. Toyota musste in diesem Jahr für sich und Jordan 500 Motoren bauen. Die Windkanäle laufen im Dreischichtbetrieb. Vielleicht sollte man allen das gleiche Aerodynamikpaket geben. Dann würde es wieder auf die Feinheiten, wie die Einstellung der Dämpfer und Federn sowie auf den Fahrer selbst ankommen. Dem Zuschauer auf der Tribüne oder vor dem Fernseher ist es doch völlig egal, ob die Autos 1:30 oder 1:40 fahren. Wir müssen uns nur die NASCAR-Autos ansehen. Das sind uralte Kisten, aber die Fahrer bieten damit Klasse-Motorsport. Da muss auch die Formel 1 wieder hinkommen.