Die erste Saisonhälfte hat bei Ferrari spuren hinterlassen. Trotz eines siegfähigen Boliden wurden immer wieder entweder durch technische Defekte, strategische Fehlgriffe, aber auch durch Fahrerfehler unzählige Punkte liegengelassen.

Der misslungene Ungarn GP war in 13 bisherigen Saisonrennen nicht der einzige Tiefpunkt des geschichtsträchtigen Teams aus Maranello. Die Rufe nach Reaktionen wurden lauter, viele Fans fordern so etwa auch das Aus von Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. Doch ist das wirklich der richtige Weg? Ex-Formel-1-Pilot Christian Danner äußert sich in einem exklusiven Interview von Motorsort-Magazin.com kritisch gegenüber diesen Forderungen.

Danner: "Binotto nicht so schlecht wie es aussieht!"

Ursprünglich sah die Welt für Ferrari zu Saisonbeginn noch rosig aus, nach nur drei Rennen lag das Team in beiden WM-Wertungen vorne, Leclerc hatte in der Fahrerwertung sogar über 46 Punkte Vorsprung auf den jetzigen Führenden Max Verstappen. Geblieben ist davon nicht viel, der Unmut der Ferrari-Fans groß und Mattia Binotto angezählt.

Doch Binotto, der seit 2019 das Amt des Teamchefs innehat, bekommt aber auch Rückendeckung. So etwa vom TV-Experten und ehemaligen Formel-1-Fahrer Christian Danner. "Gerade Binotto hat in den Katastrophenjahren einen kühlen Kopf bewahrt, das muss man ihn lassen", nimmt er den 52-Jährigen in Schutz. "Der ist nicht so schlecht wie er jetzt dargestellt wird.

Gleichzeitig hält Danner aber fest, dass die aktuelle Situation bei Ferrari eine prekäre ist und damit auch für den Teamchef der Scuderia: "Die Dinge, die er anpacken muss, sind so vielschichtig und vielseitig – sowohl technisch als auch strategisch. Ich weiß gar nicht, wo er da anfangen soll."

Danner lässt dabei aber nicht nur in Bezug auf die vielen Zuverlässigkeitsprobleme kein gutes Haar an der Scuderia, schließlich zeigen sich die technischen Probleme auch bei den Kundenteams Haas und Alfa Romeo, sondern vor allem strategisch.

"Da muss ich ehrlich sagen, das sind ein paar Rennen dabei gewesen, wo man schlichtweg komplett danebenlag. Da denkt man sich schon: 'Das gibt es doch nicht! Warum machen die das? Das kann noch nicht wahr sein!", so Danner. Aber auch in Sachen Teamorder empfindet er die Herangehensweise Ferraris fragwürdig.

Ferrari muss den Blick aktuell auch auf Mercedes richten, Foto: LAT Images
Ferrari muss den Blick aktuell auch auf Mercedes richten, Foto: LAT Images

Strategisch macht die Konkurrenz aus dem Hause Red Bull und Mercedes eine bessere Figur, findet der 64-Jährige. "Die Engländer sind da schon sehr abgebrüht und sehr gut. Und zwar beide Engländer, die schwäbischen Engländer in Brackley und die österreichischen Engländer in Milton Keynes."

Mercedes schwieriger zu schlagen als Ferrari

Vor allem Mercedes hat zuletzt eine ordentliche Aufholjagd auf Ferrari hinlegen können. Trotz eines performancetechnisch eher schwächeren Pakets, gelang es dem Team rund um Teamchef Toto Wolff wieder näher an Ferrari heranzukommen. Der WM-Kampf gegen Red Bull ist laut Danner ohnehin fast gelaufen.

Auch in der Hinsicht habe Mercedes vergangenes Jahr, als noch sie gegen Red Bull um den Titel kämpften, eine bessere Figur gemacht. "Mercedes wären nie so viele Fehler passiert. Mercedes war immer ein konsequenter, durchtriebener und auch ein kreativerer Gegner. Hamilton war mit Mercedes viel schwieriger zu schlagen als jetzt Leclerc und Ferrari." Vor Ferrari und Binotto liegt nach Ansicht Danners also noch ordentlich Arbeit. In der Saison 2022 sind schließlich noch ganz 9 Rennen zu fahren.