Der Shanghai Circuit ist die größte Rennstrecke Asiens. Der Kurs fasst rund 200.000 Besucher und entspricht den allerneuesten Standards. Geplant wurde der 240 Millionen Dollar teure Kurs vom führenden Rennstrecken-Architekten Hermann Tilke.

Obwohl die 5,451 Kilometer lange Bahn vor den Toren der 17-Millionen-Metropole Shanghai im Uhrzeigersinn gefahren wird, und jeweils sieben Rechts- und Linkskurven aufweist, fahren die Piloten dennoch nach oben. "Die gesamte Streckenführung ist dem chinesischen Schriftzeichen ,shang' nachempfunden, das so viel wie aufwärts oder oben bedeutet", erklären die deutschen Streckendesigner Hermann Tilke und Peter Wahl. Auch die Architektur an der ultramodernen Piste nimmt traditionelle chinesische Motive auf, so etwa die Teamgebäude, die wie Pavillons in einem See angeordnet sind und an den Yuyan-Garten in Shanghai erinnern sollen.

Die Schneckenkurve ist eines der Highlights des SIC., Foto: Sutton
Die Schneckenkurve ist eines der Highlights des SIC., Foto: Sutton

Allein die 29.000 Zuschauer fassende Haupttribüne verschlang hierbei unglaubliche 12.000 Tonnen Stahl. Doch dies ist nicht die einzige architektonische Meisterleistung, welche die Chinesen unter der Führung von Hermann Tilke vollbrachten.

Die F1Welt kommt nach China

Der Shanghai International Circuit (SIC) weist die typische "Tilke-Mischung" aus Beschleunigungsphasen und hartem Herunterbremsen für enge Kurven auf, besitzt aber zugleich zwei Highspeed-Geraden. Dieses Layout fordert Teams, Fahrer und Autos gleichermaßen und eröffnet gute Überholmöglichkeiten.

Eine davon besteht in der doppelten Rechtskurve nach der Zielgeraden, die ihren Radius immer weiter verengt und in einen Linksknick mündet. Dieser Sektor ermutigt zu den meisten Zweikämpfen, da die Innenlinie der ersten zur Außenlinie der zweiten Kurve bzw. umgekehrt wird.

Ex-F1-Pilot Marc Surer, der als Berater am Streckendesign mitarbeitete, hebt derweil andere Streckenabschnitte hervor: "Völlig neu für die Formel 1 ist die so genannte Schneckenkurve nach Start und Ziel. Sie stellt die Piloten vor eine neue Situation: mit Vollgas rein, müssen sie sich einordnen und in der immer langsamer werdenden Kurve bremsen. Das Gegenteil davon finden wir am Ende der hinteren Geraden: Hier fängt die Kurve ganz eng an und wird dann immer schneller. Am Ausgang ist sie so überhöht, dass man im Windschatten bleiben und anschließend überholen kann."

Die Streckengeschichte:

Die Tribünen bleiben im Gedächtnis hängen., Foto: Sutton
Die Tribünen bleiben im Gedächtnis hängen., Foto: Sutton

Schon 1998 bemühte sich China um die Austragung eines Formel-1-Rennens, doch trotz neunjähriger Planungszeit erwies sich die Rennstrecke von Zhuhai als F1-untauglich, da sie nicht internationalen Standards genügte. Daraufhin wurde der Aachener Architekt Hermann Tilke als Streckendesigner verpflichtet, der schon für die Umbauarbeiten auf dem Nürburgring und Hockenheimring sowie für den Neubau der Rennstrecken in Malaysia und Bahrain verantwortlich zeichnete. Sein Entwurf überzeugte die Verantwortlichen der Formel 1. Es wurde ein Vertrag bis in die Saison 2010 unterzeichnet.

Der 2004 eingeweihte Shanghai International Circuit entstand binnen 18 Monaten auf 5,3 Quadratkilometern Sumpflandschaft. Insgesamt arbeiteten 8.000 Arbeiter rund um die Uhr, um die rund 240 Millionen teure Strecke rechtzeitig fertig zu stellen. 40 bis 80 Meter lange Pfähle wurden in den Untergrund geschlagen, mit meterdickem Styropor und schließlich Erde belegt.

"Was wir dort veranstalten mussten, ist einmalig – die erste Strecke auf Styropor!", so Tilke. "Dazu haben wir den gesamten asiatischen Raum leer gekauft. Alle Platten von vier Metern Länge und einem Meter Höhe würden nebeneinander eine Distanz von 350 Kilometern ergeben. Zuerst mussten im Sumpfgebiet 40 bis 80 Meter lange Pfähle eingeschlagen werden und mit mehreren Metern Erde vorbelastet werden. Dann kam die Erde wieder weg. Jetzt legen wir die Styropor-Platten drauf. An einigen Stellen bis zu 14 Meter hoch! Darauf kommen rund zwei Meter Erde - und dann der Asphalt für die Rennstrecke!"

Die Ausmaße der Anlage übertreffen alle anderen F1-Rennstrecken, und führen auch zu weiten Fußwegen. Die Fahrzeit vom Zentrum der boomenden Metropole zur Rennstrecke ist schwer kalkulierbar. Die 2004 gefahrene Bestzeit liegt bei etwas über einer halben Stunde. Abhängig von der Hotelwahl und -lage, kann man zur Hauptverkehrszeit auch über drei Stunden unterwegs sein.

Die Fahrer lieben die neue Strecke., Foto: Sutton
Die Fahrer lieben die neue Strecke., Foto: Sutton

Das sagen die Experten über den Shanghai International Circuit

Der Fahrer - Nick Heidfeld: "Genau so stelle ich mir eine moderne Rennstrecke vor: anspruchsvoll für die Fahrer, hervorragend einsehbar für die Fans, alle Sicherheitseinrichtungen auf höchstem Standard. Es ist schon eindrucksvoll, was die Chinesen da geschaffen haben. Toll finde ich die extrem lange Gerade mit ihren guten Überholmöglichkeiten."

Der Techniker - Sam Michael: "Der Streckenverlauf in Shanghai hat 2004 für ein strategisch interessantes Rennen gesorgt. 2005 wird durch die neuen Regeln, vor allem hinsichtlich der Reifen, wiederum alles anders. Die lange Gegengerade bietet Raum zum Überholen. Es gibt schöne, fließende Passagen. Besonders interessant ist die erste Kurve. Dort sind 2004 ein paar Fahrer gestrandet."

Der Motorenmann - Mario Theissen: "Das Strecken-Lay-out dieser gigantischen Anlage von Shanghai stellt an die Motoren eher durchschnittliche Anforderungen. Aus Sicht von BMW als weltweit agierendem Automobilkonzern mit eigener Produktion in China ist die Präsenz der Formel 1 in diesem Zukunftsmarkt sehr wichtig."