Österreich hat die Formel 1 in den 71 Jahren ihres Bestehens mit außergewöhnlichen Persönlichkeiten geprägt. Ob Fahrer, Manager oder Investoren - die Alpenrepublik hat über die Jahrzehnte ihren festen Platz in der Königsklasse gleichermaßen erarbeitet wie verdient. Vor 50 Jahren gaben zwei Legenden aus der Alpenrepublik gemeinsam ihr Debüt. Als ambitionierte Nachwuchsfahrer in unterlegenem Material rollten Niki Lauda und Helmut Marko am 15. August 1971 beim Großen Preis von Österreich an den Start.

Der dritten Ausgabe des Grand Prix von Österreich im Rahmen der Weltmeisterschaft ging ein regelrechter Formel-1-Boom voraus, ausgelöst durch Markos Schulfreund Jochen Rindt. Der 1943 aufgrund des Todes seiner Eltern bei einem Bombenangriff auf Hamburg nach Graz immigrierte Mainzer hatte es innerhalb weniger Jahre in den Grand-Prix-Sport geschafft. Nachdem er 1961 seine ersten Rennen absolviert hatte, gelangte er dank des Vermögens aus dem Familienerbe und seines großen Talents 1964 in den Grand-Prix-Sport.

Dort avancierte er zu einem der Top-Fahrer und schlug in der Heimat durch seine Erfolge eine Schneise für ambitionierte Piloten wie Marko und Lauda. "Damit hat der Motorsport in Österreich erst begonnen. Mit Rindts Erfolgen beziehungsweise seinem Einstieg in die Formel 1 kamen Journalisten wie Heinz Prüller, Helmut Zwickl oder Dieter Stappert, die international aktiv waren. Daraus hat sich dann eine Popularität entwickelt", sagte Marko im Exklusivinterview mit Motorsport-Magazin.com über seine Laufbahn im Motorsport.

Der Große Preis im Jahr 1971 fand dementsprechend auch nicht mehr auf dem Flugfeld von Zeltweg statt, wo 1964 auf einer temporären Rennstrecke der erste Österreich GP ausgetragen wurde. Im Jahr 1969 wurde der 5,911 Kilometer lange Österreichring ganz in der Nähe des alten Austragungsortes eingeweiht. Ein Jahr später fuhr Rindt dort in seiner Weltmeistersaison vor rund 100.000 Zuschauern auf die Pole Position. Ein Motorschaden verhinderte den Erfolg vom Lokalmatador.

Jochen Rindts Tod schockt Helmut Marko

Ein Wiedersehen mit den heimischen Fans sollte es niemals geben. Wenige Wochen später, am 5. September 1970, endete sein Leben beim Qualifying in Monza auf tragische Weise, als er bei der Anfahrt auf die Parabolica aufgrund eines Bremsdefektes tödlich verunglückte. Für Marko war der Tod seines Freundes ein Schock: "Wie immer, wenn so etwas passiert, will man es nicht glauben."

Als Marko gerade dabei war mit reichlich Verspätung gegenüber seinem Jugendfreund im Motorsport Fuß zu fassen, spielte dieser schon mit Rücktrittsgedanken. "Das Risiko war einfach da und ist ihm bewusst geworden. Er wollte eigentlich aufhören, aber dann hat ihm [Colin] Chapman [Lotus-Teamchef] ein Angebot gemacht, mit dem sogenannten Wunderauto, das dann kein Wunderauto war", erklärt er.

Rindt ließ sich vom erfolgreichen Konstrukteur überzeugen und trat 1970 mit dem Lotus 72C für das Top-Team an. "Er hatte dann mit einem finanziell attraktiven Angebot weitergemacht. Aber er war skeptisch, vor allem der Technik gegenüber und letztlich war es ein technischer Defekt am Lotus, der ihn das Leben gekostet hat", so Marko.

Dr. Helmut Marko: Gott sei Dank sind diese Zeiten vorbei: (55:58 Min.)

Rindt ebnet für Marko und Lauda den Weg in die Formel 1

Rindt stand am Ende der Saison trotzdem an der Spitze und wurde so zum bisher einzigen F1-Weltmeister posthum. Sein Tod konnte Marko schlussendlich nicht davon abhalten, sein Ziel weiter zu verfolgen. "Man hat sich eine Philosophie oder Ausrede zurechtgelegt, dass wenn einem etwas passiert, das ja reines Pech wäre und das könnte auf der Straße genauso sein", sagt er. "Aber genau das Gegenteil war der Fall. Wenn einem nichts passierte, war das ein riesen Glück."

Während Marko erst nach der Promovierung zum Doktor der Rechtswissenschaften im Jahr 1967 den Fokus voll auf den Motorsport legte, hatte zeitgleich der sechs Jahre jüngere Lauda seine Karriere gestartet. Der aus einer einflussreichen Industriellenfamilie stammende Wiener hatte Nägel mit Köpfen gemacht und für die Verwirklichung seines Traumes mit seinem Großvater gebrochen. Den Weg in die Formel 1 finanzierte er sich mit Krediten und Werkseinsätzen für BMW im Tourenwagensport.

Noch vor ihrem gemeinsamen F1-Debüt trafen er und Marko in der Formel V aufeinander, wo ihre Rivalität erstmals aufkeimte. Im Rahmen des Großen Preises von Deutschland 1969 auf dem Nürburgring gewann Marko mitsamt eines neuen Rundenrekords für die Formel V den Deutschland-Pokal vor Lauda. "Wenn der Jochen das kann, das bisschen Selbstbewusstsein hat man gehabt, dann kann man das auch probieren", so Marko.

Er und Lauda profitierten gleichermaßen vom Rindt-Boom in Österreich: "Das Hinausgehen ins Internationale, das waren damals die Europarennen der Formel V und dergleichen, war alles auf Jochen zurückzuführen. Es war ihm zu verdanken, dass wir als kleines Land ohne eigene Automobilindustrie immer wieder Top-Piloten zustande gebracht haben."

Jochen Rindt machte Österreich zur Formel-1-Nation, Foto: Sutton
Jochen Rindt machte Österreich zur Formel-1-Nation, Foto: Sutton

Formel-1-Teams klopfen bei Österreichern an

Fahrer dieser Qualität entgingen den wachsamen Augen der Formel-1-Teams selbstverständlich nicht, und Bedarf war in diesen Zeiten immer. "Es hat natürlich eine Fluktuation gegeben durch die vielen Unfälle, die teilweise sehr tragisch waren, und da sind die Formel-1-Leute auf einen zugekommen. Da hat man nicht weiß Gott was unternehmen müssen", erklärt Marko, der seine erste Chance in der F1 auf der Nordschleife bekam.

In einem McLaren-Ford versuchte er sich für den Großen Preis von Deutschland am 1. August 1971 zu qualifizieren, scheiterte jedoch. Das Auto hatte er vom Schweden Jo Bonnier gechartert. "Ich habe dann mit [John] Surtees verhandelt und schon einen Vorvertrag gehabt", erklärt er. Doch für das darauffolgende Rennen auf dem Österreichring heuerte er bei BRM an. "Er [Surtees] hat mich dann auf Nichteinhaltung verklagt. Das hat er nicht gewonnen, ich hab mich danach aber gut mit ihm verstanden."

Genügend Rückenwind, um für seinen Einstand in der Königsklasse gewisse Ansprüche zu stellen, hatte er zweifelsohne. Am 13. Juni hatte er den wohl größten Erfolg seiner Karriere gefeiert. Zusammen mit Gijs van Lennep gewann Marko auf einem Porsche 917 die 24 Stunden von Le Mans und stellte mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 222,304 km/h einen neuen Distanzrekord über 5.335,313 km auf. Das Debüt in der Formel 1 verlief bei BRM aber trotz Höhenflugs im Sportwagen nicht nach Plan.

Helmut Marko musste sich bei BRM mit Vorjahresautos durchschlagen, Foto: Sutton
Helmut Marko musste sich bei BRM mit Vorjahresautos durchschlagen, Foto: Sutton

Marko und Lauda bei Debüt hinten

Marko trat in Österreich mit einem veralteten BRM P153 an, während seinen drei Teamkollegen Jo Siffert, Howden Ganley und Peter Gethin der neue BRM P160 zur Verfügung stand. Der Grazer qualifizierte sich als 17. knapp hinter Gethin, bildete damit aber das Schlusslicht der BRM-Truppe. Trotzdem war er damit der bestplatzierte Österreicher im Grid, denn Lauda stellte seinen March 711 auf die 21. und vorletzte Startposition.

Das Rennen verlief für die beiden Lokalmatadoren durchwachsen. Für den 22-jährigen Lauda war nach 20 Runden mit einem Lenkungsdefekt Schluss. Marko sah die Zielflagge mit zwei Runden Rückstand als Elfter und Letzter. Dennoch blieben beide ihren Teams für die nächste Zeit treu. Lauda fuhr 1972 seine erste volle Saison für March, während Marko auf BRM baute.

"Das BRM-Projekt schien mir das erfolgreichste zu sein, doch die haben dann eine Politik gestartet, mit der sie bis zu fünf Autos an den Start gebracht haben und damit war die Effizienz dahin, obwohl der Motor super war und auch das Chassis", sagt Marko. In der ersten Saisonhälfte 1972 musste er abermals mit einem Vorjahresauto vorlieb nehmen und blieb damit weiterhin ohne WM-Punkte. Dennoch konnte er sich mit starken Leistungen einen Vorvertrag bei Ferrari für das Folgejahr sichern.

Niki Lauda startete auch 1972 mit March in Österreich, Foto: Sutton
Niki Lauda startete auch 1972 mit March in Österreich, Foto: Sutton

Freakunfall verhindert Markos Ferrari-Zukunft

Mehr gute Werbung für seine Fähigkeiten hatte er 1972 einmal mehr im Sportwagen gemacht. Im Mai des Jahres belegte er für Alfa Romeo mit dem Tipo 33 bei der berüchtigten Targa Florio den zweiten Platz und stellte mit 33:41 Minuten einen Rundenrekord auf, der bis zur Einstellung des gefährlichen Rennens fünf Jahre später nicht mehr unterboten werden sollte. In der Formel 1 sollte es ab dem sechsten Saisonrennen in Frankreich mit dem Upgrade auf den BRM P160B vorwärts gehen, doch Markos Ambitionen wurden am 2. Juni ein jähes Ende gesetzt.

Nachdem er sich auf Startplatz sechs als bester der fünf BRM-Piloten qualifiziert hatte, wurde ihm die Naturrennstrecke von Clermont-Ferrand im Rennen zum Verhängnis. In der achten Runde durchschlug ein von einem vorausfahrenden Auto aufgewirbelter Stein Markos Visier und fügte seinem linken Auge irreversible Schäden zu. Eine Ursache für den Freakunfall soll laut Marko seine Sitzposition gewesen sein, durch die sein Kopf im neuen BRM-Chassis rund zehn Zentimeter weiter herausragte als beim Vorjahresauto.

Auf eine unzureichende Erstversorgung der Verletzung folgte eine Odyssee in unterschiedlichen Krankenhäusern. "Ich war längere Zeit im Krankenhaus, es gab verschiedene Diagnosen", so Marko, der sich des Ausmaßes schnell bewusst wurde: "In der Anfangsphase war eine gewisse Sehkraft da, aber irgendwann in einer Nacht, wo ich aufgrund der Schmerzen nicht schlafen konnte, ist mir klar geworden, das wird nichts mehr. Oder es wird nicht das, was es vorher war."

Dr. Helmut Marko: Gott sei Dank sind diese Zeiten vorbei: (55:58 Min.)

Lauda beerbt Marko und wird zur Ferrari-Legende

Markos Cockpit bei BRM übernahm für 1973 Lauda, der sich dort mit starken Leistungen hervortat und ein Jahr später im Ferrari saß. "Er war sicher der Nutznießer meiner Situation, aber das ist für mich ohne Neid oder so etwas. Ich habe das Pech gehabt, er hat das Glück gehabt", so Marko, der auch in jungen Jahren schon mit der von ihm gewohnt pragmatischen Art durchs Leben ging.

Mit Trauer über die verpasste Ferrari-Karriere hielt er sich nicht auf. "Da müsste ich mein ganzes Leben von dem Unfall jammern und zaudern, das ist nicht meine Art", sagt er. "Es war eine kurze Periode und eine schöne Periode. Ich habe nicht das erreicht, was ich wollte, aber das Leben geht vorwärts."

Seinen ehemaligen Rivalen, den er in der Formel V einst besiegte, als Weltmeister in den Farben der Scuderia zu sehen, machte ihm ebenfalls nichts aus. "Der Niki war halt jünger und hat weniger Routine gehabt, also war das nicht ganz vergleichbar. Ich habe ein paar Rennen gegen ihn gewonnen aber letztendlich zählt das, was du in der Formel 1 erreicht hast und da ist er dreimaliger Weltmeister."