Lewis Hamilton ist wieder da: Pünktlich zum Heimrennen des amtierenden Formel-1-Weltmeisters vor ausverkaufter Kulisse in Silverstone hieß es am Freitagabend im Qualifying für das erste Sprintrennen der F1-Geschichte am Samstag erstmals nach mehr als zwei Monaten wieder: Get in there, Lewis! Auf seine 101. Pole Position der Karriere muss Hamilton formal allerdings noch verzichten, für diese Statistik wird erst der morgige Sprint herangezogen. Dennoch waren die Erleichterung und der Jubel von 90.000 Fans auf den Rängen grenzenlos.

"Das hat uns ein ganzes Jahr gefehlt. Ich bin so dankbar, alle hier zu sehen - wir haben euch ein ganzes Jahr lang vermisst. Nach Silverstone zu kommen und so ein Publikum zu haben, da kannst du die Energie schon sehen. Mit all der großartigen Arbeit, die wir im Team verrichtet haben, und dieser Energie der Fans wusste ich, dass es uns dahin bringen wird. Das lag an den Fans", rief Hamilton gleich im ersten Interview nach der Session seinen Anhängern zu und heizte dem Publikum so weiter ein.

Hamilton verliert Heck: Herz in die Hose gerutscht

Der Erleichterung war Hamilton gleich aus zwei Gründen deutlich anzumerken und anzuhören. Einerseits weil er seine zuvor letzte schnellste Qualifying-Runde vor ganzen sechs Rennen, beim Spanien-GP, erzielt hatte. "Es fühlt sich so lang her an, dass wir auch nur nah dran waren. Es dann auch noch auf heimischen Boden zu machen, ein besseres Gefühl gibt es nicht", sagte Hamilton. Andererseits weil Hamilton seinen finalen Run im Q3 verwachst hatte. In Vale und Club kam kurz vor der Ziellinie das Heck, damit war die Runde trotz absoluter Bestzeiten in den ersten beiden Sektoren ruiniert.

"Die erste Runde war großartig. Auf der zweiten habe ich in der letzten Kurve einfach das Heck verloren. Da ist mir das Herz in die Hose gerutscht, als ich über die Linie bin. Aber ich konnte die Menge sehen und das hat mich echt an meine erste Pole hier 2007 erinnert", berichtete Hamilton von seinen Emotionen im Cockpit.

Hamilton von Silverstone-Qualifying überwältigt

Knapp wurde es durch den Rutscher tatsächlich. Anders als Hamilton verbesserte sich Max Verstappen im zweiten Run um eine Zehntelsekunde. Nur 0,075 Zehntel fehlten dem WM-Führenden so am Ende auf Hamilton. Der konnte sein Glück, noch dazu vor dieser Kulisse, kaum fassen. "Es ist so überwältigend. Wir haben so viel reingesteckt. An der Strecke, in der Fabrik, im Simulator, Training. Einfach überall, um wirklich alles aus diesem Auto rauszuholen", jubelte Hamilton am Mikrofon von Sky Sports F1.

Die Erleichterung war umso größer, weil Red Bull noch im ersten und einzigen Training vor dem Qualifying nach Belieben dominiert hatte. "Sie waren heute Morgen so schnell. Diesen großen Gap zu sehen, war enttäuschend", sagt Hamiton. "Aber ich hatte Hoffnung. Wir haben ein paar Änderungen vorgenommen und im Qualifying war das Auto großartig. Ich wusste das schon auf der ersten Runde, aber er war noch immer vier Zehntel vorne. Da habe ich mich gefragt, wie soll ich diese Zeit noch holen? Aber es ging. Ich bin einfach so happy!"

Hamilton fährt erstes Training am Freitag im Simulator

Beteiligt am potentiellen Comeback Hamiltons auch im WM-Kampf gegen den zuletzt unantastbaren Verstappen war unterdessen ein freiwilliger Frühdienst des Briten. Noch am Morgen vor dem ersten Training nutze der Weltmeister die ungewöhnliche Freizeit am Morgen für einen Abstecher in die nahe Mercedes-Fabrik in Brackley.

Hamilton: "Red Bull war im Training sehr schnell, aber wir haben uns weiter auf unseren Job fokussiert und versucht, es aufzubauen. Ich war heute Morgen im Simulator, um ihn als Trainingssession zu benutzen, denn es ist das erste Mal, dass wir je einen Morgen frei hatten. Da habe ich gesagt, wir brauchen hier nicht rumsitzen und Zeit verschwenden. Also bin ich wieder hin und habe dort eine Übungssession gemacht. Ich wollte einfach diese Zeit einbringen und absolut alles geben, jeden Stein umdrehen."

Mercedes-Teamwork: Bottas zieht Hamilton mit Windschatten

Einer dieser Steine hieß auch Valtteri Bottas: Der Finne half Hamilton im Q3 mit einem ordentlichen Windschatten kräftig mit. "Teamwork makes the dream work [Teamarbeit lässt den Traum wahrwerden]", kommentierte der Brite den generellen Zusammenhalt bei Mercedes mit einem englischen Sprichwort. Doch auch das hätte Hamilton in Silverstone nicht gereicht, glaubt der Brite. "Ich hätte es nicht unsere diese Jungs hier geschafft. Großes Dankeschön", ergänzte Hamilton - wieder mit Blick auf das Meer von Union Jacks auf den Rängen.

Gerade die heimische Kulisse hat Hamiltons Kampfgeist nun vollständig entfesselt. Für das Sprintqualifying kündigt der Brite alles andere als die von vielen Fahrerkollegen propagierte Vorsicht an. "Mit erhobenem Kopf und Feuer aus allen Rohren" - so will Hamilton den Sprint angehen. "Ich muss morgen den Löwen auspacken und alles geben" sagte der WM-Zweite. "Das fängt am Start an, und im zweiten Training können wir noch an den Longruns arbeiten. Die Red Bulls zu überholen ist nicht leicht, deshalb hilft es sehr, wo wir jetzt stehen. Das Sprintqualifying wird interessant, aber ich habe das Auto, wo ich es brauche!"

So funktioniert das neue Formel 1 Sprint-Qualifying (17:06 Min.)