Mercedes hat zum Auftakt des Frankreich Grand Prix den erwarteten Aufschwung nach zwei katastrophalen Wochenenden in Monte Carlo und Baku erfolgreich auf der Strecke umgesetzt. In beiden Trainings auf dem Circuit Paul Ricard in Le Castellet mischten Lewis Hamilton und Valtteri Bottas an der Spitze mit.
In der ersten Session fuhr Letzterer die Bestzeit vor dem Briten. Am Nachmittag fehlten dem Finnen nur 0,008 Sekunden auf die Tagesbestzeit von Max Verstappen, obwohl Bottas auf seiner schnellsten Runde nicht den weichsten Reifen fuhr wie der Red-Bull-Pilot und sein Teamkollege. Hamilton, mit Soft, lag durch einen Schnitzer auf seinem Performance-Run eine Viertelsekunde hinter dem Spitzenduo.
Hamilton nach Auto-Tausch mit Bottas: Da stimmt etwas nicht
"Da stimmt etwas mit dem Auto nicht", funkte der Weltmeister schon im Training. Auf seinen Chassiswechsel in Le Castellet mit Bottas führt Hamilton das nicht zurück. "Es ist sehr selten, dass du da Unterschiede spürst", sagt der Brite. Bottas spiegelt trotz seines Aufschwungs diese Aussage fast exakt: "Es ist schwer zu sagen, ob es das Chassis ist oder die Streckenbedingungen. Das Gefühl ist viel besser als vor zwei Wochen. Wir haben das Wochenende auf dem richtigen Fuß begonnen. Alles fühlte sich ziemlich okay an, ich fühlte mich wohl und war auch schnell im Auto!"
Der Chassistausch erfolgte nach Mercedes-Angaben geplant. "Kein Fahrer hat je um einen Chassis-Tausch gebeten oder bei einem zu bleiben", beteuert Teamchef Toto Wolff. Vielmehr sei Mercedes schlicht einer geplanten Rotation gefolgt. "Dieses Jahr haben wir [aus 2020] mitgenommene Chassis, denn wegen der Beudgetgrenzen konnten wir keine neuen Chassis bauen. Wir haben vier Chassis mitgenommen. Aus Gründen der Laufleistung werden sie zwischen den Fahrern gewechselt, das ist alles", sagt Wolff. Im Zweifel, wenn ein Fahrer es doch verlange, habe Mercedes allerdings immer ein Ersatz-Fahrgestell parat.
Mit dem neuen Chassis fand sich Hamilton jedoch nur zum Teil zurecht. Recht zügig unterwegs war der Weltmeister zwar, wohl fühlte sich Hamilton allerdings mitnichten in seinem W12. Der Freitag habe sich nicht einmal großartig anders angefühlt als zuletzt in Baku oder Monaco, so Hamilton. "Auch wenn die Position ganz anders ist war es bis jetzt ein ziemlicher Kampf", sagt Hamilton. Diesmal gelte das allerdings vielleicht für alle.
Lewis Hamilton: Reifendruck so hoch wie fast noch nie
Auch Hamilton führt das auf die äußeren Bedingungen - heiße Temperaturen und den neuen Streckenbelag - zurück. Allerdings nennt der Titelverteidiger noch einen zweiten Aspekt. "Diese aufgeblasenen Reifen. Sie haben ja die Drücke erhöht, höher als je zuvor oder auf jeden Fall auf einen der höchsten Punkte", klagt Hamilton über die Folgen der Reifenschäden bei Red Bull und Aston Martin in Baku. "Es ist schwer zu sagen, aber wir rutschen alle herum und kämpfen alle da draußen."
So viel höhere Mindestdrücke als in Baku gab Pirelli allerdings gar nicht vor. 21 PSI an der Vorderachse und 19,5 PSI an der Hinterachse sind es zu Beginn des Wochenendes in Südfrankreich. 20 und 19,0 waren die Werte am Freitag in Baku, ehe Pirelli am Samstag noch einmal erhöhte. Im Kontrast dazu haben die Italiener diesmal die Mischungen C2, C3 und C4 gebracht, in Baku waren es noch die weichsten Pneus im Sortiment.
Hamilton kritisiert alle Reifen, Bottas kommt klar
Aus der Range in Frankreich sagt Hamilton jedenfalls keine einzige Mischung zu. "Sie fühlen sich alle ziemlich schlecht an", sagt Hamilton. "Der Hard fühlt sich vielleicht noch besser an, denn die Temperaturen hier sind heftig. Je weicher du da fährst, desto schlechter fühlt es sich an. Der Hard wird derjenige sein, mit dem es die Leute nicht erwarten können zu fahren. Aber ich bin nicht ganz sicher, welcher Reifen der schnellste ist. Der Soft-Reifen scheint schon nach einer halben Runden einzugehen, der Medium-Reifen ist etwas widerstandsfähiger, gibt dir aber keinen riesigen Grip."
Bottas widerspricht. "Die Balance ist gut, die Reifen arbeiten gut", sagt der Finne. "Mein Gefühl war, dass es zwischen dem Medium und dem Soft auf eine Runde keinen großen Unterschied gab." So könne er seinem Mercedes nun auch wieder vertrauen. "Das ist der größte Unterschied", erklärt Bottas seinen Aufschwung. Der könne allerdings noch weitergehen - und muss es auch, das zeigt die Bestzeit Verstappens. "Es wird eng. Wir haben sie stark erwartet. [...] Ich bin sicher, dass von ihnen noch viel mehr kommt - und von uns auch."
Valtteri Bottas zerstört Auto an Kerb
Für Hamilton gilt das ganz besonders. "Ich schaue mir jede Option an. Wir haben schon viele Änderungen vorgenommen und werden heute Abend viel analysieren - in der Hoffnung, dass es morgen besser wird", sagt der Weltmeister. "Aber wer weiß? Das sehen wir erst morgen. Die Zeiten sehen nicht schrecklich aus, wir sind nah an der Spitze. Immerhin sind wir im Kampf dabei." Hamiltons Viertelsekunde Rückstand entspricht dabei nicht einmal der ganzen Wahrheit. Allein in Kurve elf verlor der Weltmeister auf seiner schnellen Runde durch einen Ritt über den Kerb viel Zeit.
Eine ähnliche Szene in Kurve zwei kostete Teamkollege Bottas im ersten Training einige Karbonteile. Mercedes meldete sich daraufhin direkt bei Rennleiter Michael Masi, um eine Änderung der Kerbs zu erwirken. "Es ist ziemlich hart", sagt Bottas über Kurve zwei. "Aber es liegt natürlich am Fahrer, ob du zu viel pushst und da drauf fährst." So argumentierte am Ende des zweiten Trainings auf eine weitere Anfrage - diesmal durch Red Bull - auch Masi.
Mercedes fordert Anpassung: Kerb zu radikal
Bottas: "Aber es straft dich schon sehr, ich habe mir ein paar Teile am Unterboden beschädigt und ich war nicht der einzige. Es ist hart, das ist das harte Limit. Wir können nicht weiter rausfahren. Das ist vielleicht ein Diskussionspunkt." So sieht es auch Toto Wolff. "Diese Randsteine sind vielleicht etwas zu radikal, weil sie die Autos kaputtmachen", sagt der Teamchef bei Sky Sports F1.
Immerhin sportlich zeigte sich der Wiener nach den jüngsten Nackenschlägen erleichtert. "Es war klar, dass es an der Spitze eng werden würde. Einige Runs liefen gut, andere nicht so sehr, aber wir haben im Großen und Ganzen eine gute Basis für das restliche Wochenende gefunden", sagt Wolff.
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