Am nächsten Wochenende erhält Fernando Alonso die Chance zum zweiten WM-Matchball: Mit einem dritten Rang kann er sich seinen ersten WM-Titel sichern und der jüngste Champion aller Zeiten werden. Und das ausgerechnet in jenem Land, aus dem der bisherige Rekordhalter Emerson Fittipaldi stammt.

Wie sich der bescheidene Spanier an jenem Tag fühlen wird, lässt sich heute natürlich noch nicht vorhersagen. "Jeder Pilot fühlt anders", sagt Alain Prost, der selbst vier Mal das Glück hatte einen WM-Titel bejubeln zu dürfen. "Ich hatte zuvor drei Titel sehr knapp verpasst, also empfand ich den WM-Sieg 1985 als Befreiung. Ich war ja damals schon 30 Jahre alt. Alonso dagegen ist erst 24, und er kämpft zum ersten Mal direkt um den Titel. Für ihn ist das erst der Beginn, er hat seine Zukunft noch vor sich. Der WM-Sieg wird Alonso noch stärker machen."

Aber was macht den spanischen WM-Leader genau aus? "Es ist im positiven Sinne aggressiv und selbstbewusst. Er macht kaum Fehler", listet Prost auf. "Das allein zählt, um Titel zu gewinnen."

Sein einziger Titelrivale war - und ist - in diesem Jahr Kimi Räikkönen. Worin unterscheiden sich die beiden Jungen Wilden der Formel 1? "Es ist schwer, Piloten mit unterschiedlichen Rennwagen zu vergleichen", sagt der Franzose in der Welt am Sonntag. "Wir haben einen Latino und einen Nordstaatler, aber im Verhalten unterscheiden sie sich nur wenig. Beide sind im Umgang eher kühl, ernsthaft und konzentriert, sie arbeiten in hohem Maße professionell. Von außen sieht man kaum Unterschiede, im Gegenteil: Sie ähneln sich erstaunlich stark."

Und in den nächsten Jahren werden es auch diese beiden Fahrer sein, die es im Titelkampf zu bezwingen gilt. "Die beiden heben sich von den anderen ab. Es ist auch klar, dass beide künftig immer in den besten und schnellsten Autos sitzen werden", hält Prost fest. "Als moralischen Sieger der Saison sehe ich übrigens Räikkönen. Er war deutlich schneller als alle anderen, hatte aber oft Pech durch die Schäden an seinem Auto und durch das Reglement."

Während Kimi Räikkönen heute als der Ice Man firmiert und Fernando Alonso gerne Ferni getauft wird, hatte Prost früher einen ganz anderen Spitznamen: Der Professor. Heute müssen die Fahrer laut Prost aber weniger taktisch denken als er zu seiner Zeit.

"Heutzutage gibt es in der Formel 1 für die Fahrer kaum noch eine Taktik. Die Strategie wird von den Teams und den Ingenieuren gemacht", betont er. "Sie wird nur äußerst selten im Rennen geändert und wenn, kommt die Entscheidung per Funk aus der Box. Zu meiner Zeit tüftelten die Fahrer die Strategie aus. Allein durch die Möglichkeit, verschiedene Reifen aufzuziehen, war unser Spielraum deutlich größer. Heute zählt vor allem die Osmose zwischen Fahrer und Rennstall."