Die Formel 1 hat für 2021 einen Großteil der Fahrzeugentwicklung, in allererster Linie das Chassis, eingefroren. Zumindest für neun Teams. Bei McLaren gilt das nicht, denn dort stellt man soeben von Renault- auf Mercedes-Motoren um. Das Projekt liegt im Plan, der Motor läuft bereits. Aber bei allem Optimismus - zusammen mit allen Entwicklungsbeschränkungen ist der Wechsel keine einfache Aufgabe.

Formel 1 2021: McLaren startet erstmals den Mercedes-Motor: (01:01 Min.)

"Es hat eine Unmenge an Veränderungen mit sich gebracht, und effektiv bauen wir ein neues Auto", gesteht McLarens Produktionsdirektor Piers Thynne. Zwar wurde die 2021er-Version 'MCL35M' getauft, impliziert also eine Evolution des letztjährigen 'MCL35', aber McLaren ist klar: "Die Anzahl an neuen Teilen am MCL35M ist ungefähr gleich groß wie beim MCL35."

McLaren-Chassis übersteht Crashtest - Herausforderungen im Griff

Trotzdem ist Thynne knappe eineinhalb Monate vor dem offiziellen Test-Auftakt in Bahrain zuversichtlich: "Wir liegen bei vielen Dingen im Plan. Es gibt in bestimmten Bereichen gerade Herausforderungen - aber das ist F1. Wenn du keine Probleme findest, dann bist du wahrscheinlich nicht aggressiv genug. Wenn alles einfach und geradlinig läuft, heißt das meist, dass du Performance verschenkst und die Grenzen nicht pushst."

Das neue Chassis hat den verpflichtenden FIA-Crashtest bereits im Dezember passiert, verrät Thynne. Für Team und Offizielle eine Herausforderung, denn die Pandemie bedeutete, dass sich FIA und McLaren nicht treffen konnten. Stattdessen musste in der Fabrik in Woking ein Live-Feed mit Kameras und Sensoren eingerichtet werden.

McLaren übernimmt so viele alte Teile wie möglich

McLarens neues Chassis ist ein Ausnahmefall, denn eigentlich ist es per Reglement eingefroren. Nur weil McLaren den Motor wechselt darf, und muss, das Team umbauen. Nicht, dass man heiß darauf wäre.

Kompromisse sind nötig, denn auch andernorts herrscht Entwicklungsverbot. Die Teams bekamen nur zwei Entwicklungs-Token, die sie einsetzen konnten, um beschränkte Teile umzugestalten. Die McLaren-Entscheidungen wurden vom neuen Mercedes-Motor diktiert. Die anderen neun Teams konnten frei wählen.

Formel 1 Entwicklung 2021: Was ist erlaubt? Was kostet Token?: (15:06 Min.)

"Der hintere Teil des Chassis und das Getriebegehäuse mussten signifikant verändert werden, um die neue Power Unit aufzunehmen", erklärt Produktionsdirektor Thynne. "Die Power Unit zu wechseln, das verändert die Architektur des Autos beim Packaging enorm. Das ganze Kühllayout, die ganzen Rohrleitungen - für Flüssigkeit und Luft - sind neu, sowie alle elektrischen Verkabelungen und Kontrollen."

Sorgen wegen der seit dem Jahreswechsel gültigen Budget-Obergrenze hat McLaren nicht. Die Regelungen zur Übernahme alter Teile werden trotz der Umbauten so gut es geht ausgenützt, sagt Thynne: "Wie beim Inneren des Getriebes, oder bei ein paar Aufhängungs-Teilen. Daher müssen wir nicht einen Teil unseres 2021er-Budgets für deren Design und Produktion aufwenden."

McLaren hat auch 2022 im Blick - trotz Corona-Herausforderungen

Thynne glaubt nicht, dass sich die Budget-Obergrenze vor 2022 wesentlich auswirken wird. Und das gilt es natürlich auch zu beachten - McLaren muss wie jedes Team für 2022 wieder ein komplett neues Auto bauen.

Die Entwicklung für 2021 darf seit Jahresbeginn auch im Windkanal stattfinden (2020 war das verboten), und McLaren ist nicht hinten dran. Das Programm läuft bereits, so Thynne: "Wir haben massenhaft Teile für den Start des Programms angefertigt. Was die eigentliche Produktion des 22er-Autos angeht, ist es noch früh, und der Hauptfokus liegt darauf, Teile im Windkanal zu testen."

Obendrauf gilt es schließlich noch eine Pandemie zu bewältigen. In die Fabrik darf nur, wer seinen Job nicht von zuhause verrichten kann. Es gibt regelmäßige COVID-19-Tests. "Für die Leute im Produktionsteam, die im McLaren Technology Centre arbeiten, haben wir Schichtbetrieb, spät-früh oder Tag-Nacht, damit wir bei einem COVID-19-Ausbruch nicht das ganze Team verlieren", erklärt Thynne. Und: "Wir haben das Gebäude in Zonen aufgeteilt, und den Leuten in jeder Zone wird geraten, eine andere Zone nur wenn unbedingt nötig zu betreten."

Der Rest der Belegschaft ist im Homeoffice. Der Plan des Managements: Ein möglichst lockeres Umfeld schaffen, um die Motivation zu halten. "Wen interessiert es, ob du noch immer im Pyjama bist oder ob du dein Haar gerichtet hast?", meint Thynne. "Wenn du an die Tür musst, um etwas abzuholen, ist das okay. Wenn Homeschooling ein Albtraum ist und du etwas erst später am Tag fertigbekommst, ist das okay. Das ist alles real."

"Die Leute müssen sich komfortabel fühlen, um alles auszusprechen, womit sie gerade fertig werden müssen und wie es ihre Arbeit beeinflussen könnte. Durch dieses Level an Offenheit schaffen wir Zusammenhalt, wenn körperliche Interaktion nicht möglich ist."