Lewis Hamilton zündete nach seinem 93. Formel-1-Sieg beim Großen Preis der Emilia Romagna am Sonntag eine mediale Bombe. Es gebe keine Garantie, dass er 2021 noch in der Startaufstellung stehe, sagte der Brite nach dem Rennen in Imola. Gerade hatten Hamilton und Teamkollege Valtteri Bottas durch einen weiteren Doppelsieg den siebten WM-Titel für Mercedes in der Konstrukteurswertung in Serie fixiert. Eine Sternstunde, die in der Pressekonferenz zahlreiche Medienvertreter den Fokus auf die Zukunft lenken ließ.

Nicht nur auf die Zukunft Hamiltons in der Königsklasse respektive bei Mercedes - noch immer fehlt die offizielle Bestätigung des designierten siebenfachen F1-Weltmeisters für 2021 -, sondern auch die Pläne von Toto Wolff. Wie es mit dem Mercedes-Motorsportchef weitergeht, ist ebenfalls noch offen. Einer der Gründe oder gar der Grund schlechthin, warum auch Hamiltons Vertrag auf sich warten lässt? „Ich weiß nicht einmal, ob ich nächstes Jahr hier sein werde. Deshalb sorgt mich das momentan nicht wirklich“, wich Hamilton aus.

Hamilton fragte Wolff nach dessen Zukunft

Dass Hamiltons und Wolffs Planungen einander bedingen, erscheint nicht sonderlich abwegig. „Wir gehören in einer Weise zusammen, dass wir eine Symbiose haben und natürlich ist es wichtig, wo sich unser Herz und Mindset für das nächste Jahr befinden“, sagte Wolff am Sonntag in Imola. „Aber ich habe schon gesagt, dass dies mein Team ist, ich ein sehr stolzer Miteigentümer bin und nirgends hingehen werde“, betonte der 48-Jährige.

Schon an den vorherigen Tagen hatte Wolff wiederholt Fragen zu seinen Zukunftsplanungen beantworten müssen. Am Freitag sprach der Österreicher erstmals direkt von einem möglichen Nachfolger auf seinem Posten. Das bedeute allerdings mitnichten seinen Rückzug von Mercedes, wie er Folge mehrfach klarstellte. „Meine Rolle mag sich in Zukunft ändern und das ist etwas, wonach er gefragt hat“, sagte Wolff über die Relevanz dieses Faktors für Hamilton.

Wolff: Hamilton, ich und Mercedes sind noch nicht fertig

Sicher sei allerdings nichts. Niemals, so Wolff fast schon philosophisch. „Wie Niki Lauda in den 70ern könntest du einen Freitag- oder Samstagmorgen aufwachen und sagen, einfach keinen Spaß mehr zu haben“, verglich Wolff mit Laudas legendärem Hinschmeißen mitten am Rennwochenende in Kanada. Falsch verstanden wissen will Wolff das nicht. „Das kann jedem passieren, aber wir wollen diese Reise fortsetzen, wir sind nicht fertig. Lewis und ich und das gesamte Team, wir sind noch nicht fertig“, beteuerte der Österreicher.

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Dieser Teil war nicht sonderlich neu. Schon eine Woche zuvor hatte Wolff das im Rahmen des Portugal GP bekräftigt. „Alle wollen weitermachen“, sagte Wolff da über seine und Hamiltons Pläne. Das sei sehr einfach. Dass nicht längst alles formal erledigt sei, liege schlicht an den 2020 besonderen Umständen. „Mit Lewis und mir ist es einfach so, dass wir wie Einsiedler leben. Unser Team ist da ganz besonders diszipliniert. [...] Ich war vergangene Woche in Monaco, aber wir haben entschieden, uns nicht zu treffen, denn das schlimmste, das passieren könnte wäre, wenn ich Corona in unser Meeting bringe“, sagte Wolff. „Es war einfach nicht die Zeit dafür, sich hinzusetzen und treffen und ich hoffe, dass wir die nächsten paar Rennen jetzt auf einem Hoch beenden können und uns dann auf den Vertrag konzentrieren können.“

Wolff will bei Mercedes bleiben: Schon mit Daimler geklärt

Er selbst habe sich längst entscheiden zu bleiben, so Wolff schon in Portimao. „Ola [Källenius, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG] und ich haben mehrfach erwähnt, dass wir entschieden haben, miteinander weiterzumachen. Die Vertragsverhandlungen sind wegen der Situation um meine Anteile etwas kompliziert, aber auf keine schlechte Weise. Es ist einfach ein langer Prozess, die Dinge richtig hinzubekommen. Wir haben eine Deadline, dass bis Ende des Jahres alles geregelt sein muss. Keiner von uns möchte in die Weihnachtspause gehen, ohne das zu wissen“, sagte Wolff.

Hängt Lewis Hamiltons Zukunft auch an den Plänen Toto Wolffs?, Foto: LAT Images
Hängt Lewis Hamiltons Zukunft auch an den Plänen Toto Wolffs?, Foto: LAT Images

Neu in Imola war nun allerdings, dass Wolff seine genaue Position bei Mercedes offenließ. Zwingend als Motorsport- und damit Teamchef in der ersten Reihe müsse er nicht zwingend weiter stehen. „Die Wahrheit ist, dass wir dem alle Tribut zollen müssen“, sagte Wolff bereits am Freitag über das Leben im Hamsterrad Formel 1, bei einem über die Jahre auch noch wachsenden Rennkalender. Am Sonntag knüpfte Wolff im Emotionsrausch nach Fixierung des Herstellertitels daran an. „Wir sind alle happy, aber auch sehr müde. Dasselbe gilt für mich. Ich kann dieses Gefühl, dass du dich selbst hinterfragst, voll und ganz nachempfinden. Dass du über all die anderen Dinge nachdenkst, die zählen“, sagte Wolff über Hamiltons Verweis auf unzählige andere Interessen und Dinge von Relevanz in seinem Leben abseits der Formel 1.

Wolff spricht von Opfern und Ablaufdaten

Auch dieses Thema hatte Wolff in der jüngeren Vergangenheit bereits gestreift. Die Familie soll nicht zu kurz kommen, tut es bei einem Job am Kommandostand der Formel 1 allerdings. „Das erfordert, viele Opfer zu bringen“, sagte Wolff nun in Imola. Hinzu würden die genannten persönlichen Ermüdungserscheinungen durch die permanenten Anstrengungen kommen. „Jeder verfügt in seiner Rolle über ein Ablaufdatum“, sagte Wolff. „Und ich will in dem Job nicht herumhängen und nicht auf eine Weise beitragen, wie ich in der Vergangenheit beigetragen habe.“

Toto Wolff bekommt derzeit viele Fragen zu seiner Zukunft bei Mercedes, Foto: LAT Images
Toto Wolff bekommt derzeit viele Fragen zu seiner Zukunft bei Mercedes, Foto: LAT Images

Bei ihm sei es allerdings noch nicht so weit. „Ich bin noch nicht an das Ende des meinen gekommen, ich denke, dass ich noch etwas betragen kann. Tatsächlich genieße ich die Rennwochenenden gerade sehr. Dieser merkwürdige Lockdown hat mich verjüngt. Ich genieße es, zu den Rennen zu gehen, ich genieße die Kameradschaft im Team und zu sehen, wie alle einfach ihr Bestes geben“, verriet Wolff. „Und solang ich das tue, kann ich einen Beitrag zum Erfolg des Teams leisten.“

Toto Wolff bereitet Nachfolge vor

Dennoch wolle er gewappnet sein. Gewappnet für die Zeit, wenn sich genau das verändert, sein MHD als Teamchef erreicht ist. „Ich muss auch an die Zukunft denken, jemanden aufbauen, in seine Rolle entwickeln“, sagte Wolff. „Denn du solltest nie von sehr gut zu gut wechseln. Dann sollte jemand anderes den Taktstock nehmen. Es würde mich stolz machen, einen Teamchef kommen zu sehen, der von mir übernimmt und dann einen besseren Job macht als ich ihn zu dieser Zeit noch machen könnte.“ Tatsächlich habe er bereits die Suche nach geeigneten Kandidaten begonnen. Das sei ein interessantes, neues Projekt.

Toto Wolff denkt bereits darüber nach, wie er seine Nachfolge regeln kann, Foto: LAT Images
Toto Wolff denkt bereits darüber nach, wie er seine Nachfolge regeln kann, Foto: LAT Images

„Wenn der Zeitpunkt da ist, müssen wir unter uns Gesellschaftern überlegen, wie die Organisation bestmöglich aufgestellt ist. Dieser Zeitpunkt ist noch nicht da, weil ich eben noch nicht identifiziert habe, an wen ich den Stock am besten übergeben kann, aber gleichzeitig bin ich natürlich als Miteigentümer dieses Teams interessiert, den bestmöglichen Mann oder die bestmögliche Frau zu finden, aber das wird nicht etwas sein, das von heute auf morgen passiert“ sagte Wolff. „Meine Rolle wird dann erst zu definieren sein.“

Wolff noch voll im Saft: 2021 weiter Teamchef?

Heißt: 2021 ist eher noch nicht das Jahr, in dem Wolff in die zweite Reihe treten wird. Dort seien dann verschiedene Optionen denkbar. CEO und Chairman nannte Wolff als Beispiele. „Da lässt Daimler mir so ziemlich die Wahl“, sagte Wolff. In jedem Fall werde er sich weiterhin um das Team kümmern, in welche Funktion genau auch immer. „Ich werde das Team nicht im Stich lassen“, betonte Wolff. Vor seinem Wechsel in die Rolle will Wolff deshalb sicherstellen, dass sein Nachfolger in der Lage sein wird, 23 Rennen oder mehr zu stemmen. „Sodass ich dann entscheiden kann, wie viele Rennen ich mache oder, ob ich es genieße, zuzusehen und vom Sofa aus dumme Ratschläge zu geben“, scherzte Wolff.

Dafür, dass Wolff zumindest kurzfristig nahezu regulär auf seinem Posten verbleiben wird, spricht auch, dass er die Vertragsfrage einzig als Formalie bezeichnete. „Es geht nur noch darum, den Stift im richtigen Moment auf das Papier zu setzen“, sagte Wolff. Zuletzt habe er sich schlicht lieber darauf konzentriert, die WM-Titel abzusichern. Das ist nun der Fall. Der Konstrukteurstitel wurde in Imola fixiert, genauso steht inzwischen fest, dass nur noch Hamilton oder Valtteri Bottas den Fahrertitel einfahren können. Die Stunde der Wahrheit rückt näher.