Ob man mit dem ursprünglichen Urteil der Stewards im Kopie-Prozess gegen Racing Point nun zufrieden war oder nicht, Renaults Protest brachte die Thematik wieder auf die Tagesordnung. FIA-Technikchef Nikolas Tombazis kündigte nach Veröffentlichung des Urteils an, das Reglement feinjustieren zu wollen.

Auch wenn die prinzipielle Herangehensweise von Racing Point - von den Bremsbelüftungen abgesehen - vollkommen legal war, man wolle keine acht oder neun Mercedes-Kopien sehen, so die FIA. Genau darum ging es Renault und den anderen unabhängigen Teams in der ganzen Sache auch.

In Folge entwickelte die FIA ein Reglement, dass exzessives Kopieren verhindern soll. Am Sonntag in Monza stimmten die Teamchefs darüber ab - und winkten die Änderung schon für die Formel-1-Saison 2021 durch. Nun muss nur noch der Motorsportweltrat formal zustimmen.

Formel 1 verbietet Reverse Engineering

Doch wie konkret soll das Kopieren in Zukunft verboten werden? Artikel 22.3.3 des Sportlichen Reglements soll alle Eventualitäten abdecken. Darin heißt es zunächst: "Auch wenn es zulässig ist, sich beim Design einer Listed-Parts-Komponente von Informationen beeinflussen zu lassen, die potenziell allen Wettbewerbern bei Testfahrten oder Rennen zur Verfügung stehen, so darf kein Wettbewerber diese Teile im Verfahren des 'Reverse Engineering' designen."

Anschließend wird der Terminus 'Reverse Engineering', also umgekehrtes Konstruieren, genauer definiert. Demnach dürfen Fotos nicht mehr dazu genutzt werden, mithilfe von Software Konstruktionspunkte, Kurven oder Oberflächen zu erstellen, die schließlich in CAD-Daten umgewandelt werden können.

Die Nutzung von Stereofotogrammetrie und 3D-Kameras wird deshalb ebenfalls untersagt. Diese Methoden ermöglichen es, aus mehreren Bildern ein dreidimensionales Objekt zu erstellen. Gleichzeitig wird jegliche Form von Oberflächen-Scannen verboten - ob mit oder ohne Kontakt.

Für den Fall, dass es dennoch verblüffende Ähnlichkeit zwischen Elementen konkurrierender Teams geben sollte, muss die FIA entscheiden, ob 'Reverse Engieering' genutzt wurde oder ob es sich um eigenständige Arbeit handelt.

Dafür sind die Teams verpflichtet, der FIA auf Anfrage jegliche Daten und Informationen zur Verfügung zu stellen. Außerdem hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt: Die Regeln gelten nicht erst ab dem Kalenderjahr 2021. Auch wenn die entsprechenden Teile erst im kommenden Jahr eingesetzt werden, für den Entstehungsprozess gelten schon zuvor - auch 2020 - die neuen Regeln.

Racing Point nach neuen Regeln komplett illegal?

Racing Point würde demnach vor einem Problem stehen: 2021 wäre möglicherweise das gesamte Auto illegal, weil es ursprünglich so aus dem Mercedes entstand. Allerdings gibt es einen Ausweg: Im Abschnitt g) des Artikels wird ausdrücklich darüber informiert, dass Teile - wie sie auch ursprünglich entstanden sein mögen -, die 2019 oder beim ersten Event 2020 eingesetzt wurden, auch 2021 legal sind - selbst wenn sie gegen die neuen Regeln verstoßen würden.

Dass die neuen Regeln bei den Teams auf Zustimmung stießen, sind gute Neuigkeiten für die Formel 1. Denn der Racing-Point-Fall ist offiziell noch immer nicht abgeschlossen. Renault zog zwar den Einspruch gegen das ursprüngliche Urteil zurück, Ferrari ging aber genauso wie Racing Point selbst in Berufung.

Ferrari Teamchef Mattia Binotto hatte bereits angekündigt, den Einspruch möglicherweise zurückzuziehen, wenn man mit den Änderungen der FIA zufrieden ist. Racing Point hat als direkte Folge der Regelklarstellung den Protest nun schon offiziell zurückgezogen: Der Rennstall sieht sich zwar nach wie vor als unschuldig, kam aber mit 400.000 Euro Strafe und 15 Punkten Abzug verhältnismäßig glimpflich davon.