Bis zum 3. Freien Training war Lewis Hamilton der große Dominator beim Auftakt-Wochenende der Formel 1 in Österreich. Dann allerdings holte Mercedes-Teamkollege Valtteri Bottas Pole und sorgte mit einem Abflug dafür, dass Hamilton nicht mehr zurückschlagen konnte.

Bei seinem Sieg im Qualifying schlug Bottas Hamilton im Rennen erneut und kostete ihn am Ende auch noch das Podium. Doch von vorne: Weil Hamilton für seine letzte Qualifying-Runde nachträglich noch bestraft wurde, hatte Bottas zu Beginn einfaches Spiel.

"Lewis hat im Verkehr Zeit verloren und ich konnte vorne die Pace managen", erzählte der Rennsieger. Dass Hamilton am Ende des ersten Stints etwas aufholte, beunruhigte ihn nicht: "Ich wollte nur sicherstellen, dass ich noch etwas in den Reifen habe, wenn die Pace anziehen müsste."

Das erste Safety-Car kam Bottas deshalb nicht gelegen: Der Vorsprung zu Hamilton war sofort weg, die aufgesparten Reifen brachten nichts mehr, weil Mercedes beide Piloten zum ersten und einzigen Stopp holte. "Für mich wäre es besser gewesen, wenn wir den ersten Stint so lange wie möglich ziehen", ärgerte sich Bottas.

Bottas überholt fast Safety Car

Doch es sollte nicht bei einem Safety Car bleiben: Bernd Mayländer musste insgesamt dreimal ausrücken, Bottas seine Führung entsprechend oft beim Restart verteidigen. "Nach so viel Übung bin ich jetzt Profi für Restarts hier", scherzte er. "Nur beim letzten wurde es knapp, da kam die erste Safety-Car-Linie zu schnell." Beinahe hätte der WM-Führende das Safety Car noch eingeholt.

Doch es war nicht der einzige heikle Moment im Rennen. Schon früh wurden beide Mercedes-Piloten dazu angehalten, sich von den Kerbs fernzuhalten, weil die starken Vibrationen für technische Probleme sorgten.

Bottas war zunächst skeptisch: "Ich habe in den Rückspiegel geschaut und gesehen, dass Lewis noch hart pusht und die ganze Streckenbreite nutzt. Aber du willst natürlich die Zuverlässigkeit priorisieren. Es hat dann ein paar Runden gedauert, um sich eine neue Fahrweise anzueignen und das zu optimieren. Die Kerbs geben gutes Feedback, wie stark man sie nutzt. Nach ein, zwei Runden hatte ich mich daran gewöhnt."

Trotz der Technik-Probleme war der Zweikampf mit Hamilton in vollem Gange. Eine Stallorder gab es nicht: "Nein, es gab keinen Call vom Team", bestätigt Bottas. "Ich habe das Rennen dann kontrolliert und kam bis zum Ende nie wirklich in Bedrängnis."

Hamilton-Strafe bringt Bottas in Zwickmühle

Trotzdem hatte es das Rennende ins ich: Weil Hamilton wegen des Zusammenstoßes mit Alexander Albon eine Fünf-Sekunden-Strafe erhielt, musste das Mercedes-Duo vorne an der Spitze nach der letzten Safety-Car-Phase den Verfolgern davonfahren.

Damit Hamilton einen Fünf-Sekunden-Vorsprung auf Charles Leclerc und Lando Norris herausfahren konnte, musste Bottas vorne aber die Pace anziehen, um seinen Teamkollegen nicht aufzuhalten. Am Ende reichte es aber nicht, Hamilton verlor die zweite Position und wurde schließlich nur Vierter.

Der Weltmeister kam lediglich sieben Zehntelsekunden hinter Bottas über die Linie, wurde also vom Teamkollegen etwas aufgehalten. Bitter, weil am Ende nicht einmal zwei Zehntelsekunden auf Norris fehlten.

Hat Bottas Hamilton das Podium gekostet, weil er am Ende nicht schnell genug fuhr? "Ich habe die Nachricht bekommen, dass er eine Strafe hat. Aber es war doppelt gelb und ich musste langsamer machen. Andere sind da vielleicht nicht so vom Gas gegangen. Und gleichzeitig mussten wir von den Kerbs wegbleiben. Es war nicht meine Schuld, dass Lewis die Strafe bekommen hat."

Bottas: Sieg für Hamilton-Podium gefährden?

Aber riskierte Bottas seinen eigenen Sieg, um Hamilton, seinem möglicherweise ärgsten Konkurrenten zu helfen? "Ich musste das Risiko kalkulieren", gestand der Finne. "Ich wollte gewinnen und wir hatten Probleme, da willst du einfach keinen Ausfall in der letzten Runde."

Theoretisch hätte Mercedes auch einen Positionstausch vollziehen können, um Hamilton freie Fahrt zu geben. "Ich weiß nicht, ob das diskutiert wurde", sagte der Rennsieger. Mercedes Motorsportchef Toto Wolff bestätigte aber, dass es die Idee gab.

"Natürlich kann man argumentieren, dass wir mit Lewis auf dem Podium hätten laden können, wenn wir das durchgezogen hätten", gestand Wolff. "Mit allen Infos danach wäre P3 möglich gewesen, aber es hätte auch chaotisch werden können. Es war zu komplex, um so einen Platztausch vorzunehmen."

Die Silberpfeil-Ingenieure befürchteten, dass Bottas noch Druck von Leclerc und Norris hätte bekommen können. Beide waren zuvor noch an der Box und waren im Gegensatz zu den Mercedes-Piloten mit frischen Reifen unterwegs. "Dann wäre er am Ende vielleicht Vierter geworden, obwohl er das ganze Rennen geführt hat", so Wolff.