Bis zum Samstag war der Russland GP das Wochenende des Nico Hülkenberg. Der Formel-1-Pilot aus Emmerich hatte seinen Renault-Teamkollegen Daniel Ricciardo klar im Griff, bildete mit seinem R.S.19 eine Einheit. Startplatz sechs. Doch dann kam das Rennen. Ein Rennen zum Vergessen.

"Alles, was schiefgehen konnte, ging auch schief", resümiert Hülkenberg. Der eine Trostpunkt für P10 sorgte für kein bittersüßes Gefühl. "Nein, es ist nur bitter. Heute gibt es keine Süße", sagt Hülkenberg. "Ich kann nicht zufrieden sein. Denn das Auto wäre gut genug für P6 gewesen. Ich hätte mit Carlos kämpfen können."

Schwacher Start kostet Hülkenberg Plätze

Was das verhinderte. Eine Reihe von Dingen. Hülkenberg zählt auf: "Ein schlechter Start, ein schlechter Stopp, Unglück mit dem Safety Car, Verkehr, ein paar Motorprobleme ganz am Ende - es war einfach sehr schwierig."

In Hülkenbergs eigener Verantwortung lag bei alldem einzig der verwachste Start. "Es ging alles schon mit einem schwachen Start und einer schwachen ersten Runde los. Da habe ich drei, vier Plätze verloren", hadert der Renault-Pilot. "Nur eine Position davon habe ich dann zurückbekommen." Gegen Sergio Perez, den Hülkenberg in Runde 14 mit einem beherzten Manöver wieder kassierte.

Renault patzt beim Boxenstopp: 5 Sekunden weg

Nur zwei Runden später jedoch erwies sich das durch einen verpatzten Boxenstopp als verlorene Liebesmüh'. "Wir haben es dann mit einem Undercut versucht, aber der langsame Stopp hat uns dann sogar direkt wieder zurückgeworfen", klagt Hülkenberg. Was genau passiert war? Ein einfacher Fehler. Die Crew hatte den Boliden schlicht zu früh wieder heruntergelassen, musste daraufhin neu aufbocken. 7,26 Sekunden dauerte das insgesamt. Fünf Sekunden länger als normal.

Sauer auf sein Team ist Hülkenberg deshalb nicht. "Es war nicht ideal, aber das passiert. Die geben immer alles. Und vielleicht habe ich mich ja auch nicht so klasse positioniert", sagt Hülkenberg. Das Ergebnis ist ohnehin nicht zu verändern. Hülkenberg wundert das nicht. "Im Mittelfeld zählt ja schon jede Zehntel, und wenn du dann gleich ein paar Sekunden verlierst, ist es natürlich schlecht", erklärt er.

Hülkenberg unternimmt Rettungsversuch, Reifen machen nicht mit

Noch dazu zog der Zeitverlust einen Rattenschwanz nach sich. Hülkenberg versuchte, die verlorene Zeit zu kompensieren. Das gefiel den sensiblen Pirelli-Reifen nicht. "Ich musste noch mehr pushen und meine Reifen ziemlich nutzen. Dann wurde es zum Ende des zweiten Stints natürlich schwer mit der Lebensdauer." Zumal der nächste Nackenschlag durch ein VSC noch folgen sollte.

Durch Hülkenbergs frühen Stopp profitierte er nicht, wohl aber die Konkurrenz. "Das lief dann auch noch gegen uns, sodass zwei weitere von den Jungs durchgeschlüpft sind", hadert Hülkenberg. "Heute hat sich einfach alles gegen uns entwickelt. Echt unglücklich, denn das Auto verdiente besseres. Aber ich konnte es nie zeigen, weil ich dann auch immer hinter irgendwem festhing. Schon etwas frustrierend."

VSC hilft Konkurrenz, dann auch noch Motorproblem

Nicht einmal von eine Zeitstrafe von fünf Sekunden gegen Kevin Magnussen profitierte Hülkenberg gegen Rennende. Weil da plötzlich auch noch sein Motor schwächelte. "Da konnte ich dann nicht mehr mithalten und so habe ich auch noch Kevin mit seiner Strafe um eine Sekunde verpasst", schildert Hülkenberg.

Was dieses Mal an der Renault-Einheit nicht funktionierte, wusste der Emmericher auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com noch nicht zu erklären. In seiner Presseaussendung erwähnte das Renault-Team das Problem nicht einmal.

Lando Norris: Hülkenberg halten trotzdem noch hart

Schon zuvor störte das Problem im Kampf mit Lando Norris zusätzlich. Dabei hatten die Reifen da schon genug Sorgen bereitet. "Weil ich nach dem Restart eine Weile gebraucht habe, um Stroll zu überholen. Bis ich dann an Lando dran war, ist nochmal eine Zeit vergangen und der Soft hat schon abgebaut. Der Effekt der Dirty Air ist so groß, dass es dich auf dieser Strecke killt. Das DRS kam für mich dann zu spät und der McLaren war eh zu schnell auf der Geraden. Mit dem Motorproblem war dann final Game Over."

Die Aussagen Lando Norris' bestätigen diese Probleme. "Ich habe ihn am Ende hinter mir gehalten. Die letzten paar Runden hat er dann nachgelassen und ist zurückgefallen. Er war auf dem Soft und so ließ der Druck dann irgendwann nach", berichtet der Brite. "Vorher musste ich mich aber viele Runden gegen ihn verteidigen und immer in den Spiegel schauen. Das war nicht das Schönste, aber ich habe es geschafft."

Carlos Sainz staubt ab, am Start vor Mercedes

Nicht mit den Rückspiegeln zu tun hatte dank der unzähligen Probleme Hülkenbergs Norris-Kollege Carlos Sainz. Abgesehen vielleicht noch einem Mercedes in den ersten Runden. Der Spanier hatte am Start tatsächlich Valtti Bottas kassiert und bis Runde sieben aufgehalten.

"Ich habe schon die ganze Saison sehr gute Starts. Ich wusste schon, dass ich vielleicht einen Windschatten von den Ferrari bekommen würde und dann vielleicht mit Mercedes kämpfen kann. Das war mein Ziel. Und ich habe es geschafft. Schön, zu sehen", freut sich der am Ende nie gefährdete Sechstplatzierte des Russland GP.

Ricciardo fällt aus, McLaren enteilt Renault in WM-Wertung

"Klar, lang hat es dann nicht gehalten, sodass es nur noch darum ging, das Rennen zu kontrollieren. Das haben wir sehr gut gemacht. Mehr war nicht drin", sagt Sainz. Zumal er im Rennen nicht das schnellste Auto im Mittelfeld gehabt habe. "Racing Point hatte im Rennen die gleiche Pace wie wir, vielleicht etwas schneller. In Sachen Rennpace war dieses Wochenende hart für das Team."

Neben Racing Point ebenfalls eher stärker war Renault. Doch bei den Franzosen kam nicht nur Nico Hülkenberg um seine Chance, auch Daniel Ricciardo erwischte es. Durch eine Kollision mit Romain Grosjean am Start beschädigte sich der Australier seinen Boliden derart, dass er in Runde 24 mit zerstörtem Unterboden an der Box aufgab.

Im Kampf um P5 in der Konstrukteursmeisterschaft ist für Renault der orangefarbene McLaren-Zug damit so gut wie abgefahren. Bei noch fünf zu fahrenden Rennen fehlen 33 Punkte auf die Truppe aus Woking, die erstmals seit 2014 wieder die 100-Schallmauer durchbrochen hat. "Das ist jede Menge Holz. Es wird immer schwieriger", weiß Hülkenberg.