Der kraftraubende Doppelpack-Marathon ist nun endlich zu Ende. Acht Rennen in elf Wochen – das geht selbst den eingefleischtesten Fans an die Substanz. Ohne in den populären Jammer-Kanon einzustimmen: Weniger wäre mehr gewesen.

Bernie hat aber bei der FIA für 2006 bereits 20 Termine reservieren lassen – mir schwant fürchterliches! Vielleicht kann uns irgendwann jemand auch erklären, warum ein Saisonbeginn im Februar (früher gab´s ja sogar Kyalami im Januar) nicht machbar ist. Oder ein Finale im November. Oder wem ein so spektakulärer Grand Prix wie der von Ungarn wirklich fehlen würde?

Tut mir auch wirklich leid für die Einheitsstreckenbauer der Kurse von Shanghai, Malaysia, Bahrein, Hockenheim usw., aber der Fan kann im Fernsehen diesen Einheitsbrei beim besten Willen nicht mehr unterscheiden. Auslaufzonen so groß wie Golfplätze und Fans, die so nahe dran sind, dass sie das Geschehen nur mit Feldstecher verfolgen können.

Wenn hier nur jemand den Mut hätte, zurück zu den Wurzeln zu gehen. Oder ist es ein Zufall, dass etwa 100% der Piloten als ihre Lieblingsstrecken entweder Spa oder Suzuka angeben?

Der Renn-Opa bei Minardi

Spätestens seit dem Budapest-Grand Prix hat sich die FIA als Institution der Lächerlichkeit demaskiert. Wie anders ist es zu erklären, dass der Israeli Chanoch Nissany im zarten Alter von 42 zu seinem Debüt als Freitagstester von Minardi kommt?

Da herrscht ein Eiertanz um die notwendige Superlizenz für junge Fahrer, deren Talent und Reife über jeden Zweifel erhaben ist, und Minardi darf eine rollende Schikane einsetzen. Die Erfahrung von drei jämmerlichen F3000-Rennen im Vorjahr und ein Testtag in Italien waren den FIA-Beamten offensichtlich ausreichend.

Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt: Er war nicht wie berichtet vierzehn Sekunden langsamer als Alex Wurz. Zu dem Zeitpunkt, als er den Minardi in den Kies setzte, waren es lediglich elf. Wurz konnte sich noch verbessern, der Israeli konnte durch den Ausritt seine Zeitenjagd nicht mehr fortsetzen.

Nissany ist übrigens ein absolut fitter und überaus netter Zeitgenosse. Aber zum Formel 1-Fahrer fehlt ihm so viel wie mir zum Opernsänger. Dabei hätte er so gute Möglichkeiten. Seine private Rennautosammlung ist bemerkenswert. Öfters mietet er sich Rennstrecken und dreht Runden in seinen F3000-Autos.

Das Geschäft mit den Testfahrern

Mit Schaudern erinnere ich mich an weitere Minardi-Testfahrer. Der Slowake Jirko Malcharek war Parlamentsabgeordneter und durfte für Bares auf Flugplätzen gerade auf und ab fahren. Und der Russe Sergej Zlobin brachte harte Petro-Dollars mit, die ihn fast zwei Saisons lang als "official test and reserve driver" auswiesen. Ein Titel, der übrigens bei anderen Teams in diesem Jahr mit etwa 500.000 Dollar zu erkaufen ist. Ohne Garantie darauf, auch nur einen einzigen Testtag zu absolvieren. Macht sich offensichtlich im Lebenslauf besser als irgendein weiterer Nachwuchstitel, der mindestens das selbe kostet.

Endlich ein neues Qualifying

Die beste Neuheit ist, dass man sich hinter verschlossenen Türen endlich auf ein neues Qualifying-System geeinigt hat. Das alte war ja ohnehin schon fast drei Monate in Gebrauch.

Wenn mich jemand fragt: Es sollte noch viel mehr geändert werden, am besten jedes Wochenende. Einmal das Qualifying, einmal das Punktesystem, einmal die Regeln. Dann wieder von vorne. Solange bis sich keiner mehr auskennt. So etwas verleiht dem Sport unschätzbare Glaubwürdigkeit.

Vielleicht kapiert in der Sommerpause doch noch jemand, dass der Sport für die Fans gemacht wird. Dass Anlassgesetzgebung im Sport immer nach hinten losgeht. Dass nicht alles schlecht gewesen sein kann, das in der Formel 1 über 40 Jahre und mehr Bestand hatte. Sprit raus, freie Runden, der Schnellste steht vorne. Aus. Basta!

Und wenn es Menschen gibt, die sich stundenlang Golf-Übertragungen im Fernsehen ansehen, wird eine einstündige Formel 1-Session wohl für die Fans auch zu ertragen sein. Vielleicht müssen die Fernsehmacher einfach das Produkt ein wenig attraktiver gestalten.

Das Red Bull Desaster

Christian Kliens Überschlag und David Coulthards Kollision mit den Wrackteilen von Alonso waren der Saisontiefpunkt für die Bullen. Leider kann ich die Personalpolitik nicht ganz nachvollziehen. An der cäsaren-ähnlichen Vorgangsweise, die Untergebenen zittern zu lassen und dann den Daumen nach oben oder unten zu bewegen wären andere schon zerbrochen. Hut ab vor Christian Klien, der den brutalsten Job der Formel 1 hat.

Warum aber brauchen die Verantwortlichen im Zeitalter der Telemetrie so lange, um herauszufinden, ob er oder Liuzzi der würdigere Mann für das Cockpit ist? Wie viele tausende Kilometer noch?

Als Bernie selbst noch Brabham-Teamchef war, ging das etwas einfacher. So erzählte mir einer seiner ehemaligen Schützlinge unlängst: "Er sah mir in die Augen. Ganz lange starrte er mich an und fragte mich dann, ob ich denn glaube, hart genug für diesen Job zu sein. Ich antwortete ruhig und bestimmt: 'Yes, Sir!' Wenig später gratulierte Bernie mir zum Cockpit."

Das Wechselkarussell

Ich musste innerlich schmunzeln, als Nelson Piquet im Fahrerlager herumerzählte, Rubens Barrichello würde zu B·A·R wechseln. Die PR-Verantwortlichen von Ferrari mussten sich verbiegen und verwinden, und wollten alle glauben machen, Rubens würde seinen Vertrag bis Ende 2006 erfüllen.

Ich frage mich manchmal, für wie dumm halten die uns eigentlich? Aber die eigentliche Ironie müssen ja die Vertragsverhandlungen mit Felipe Massa gewesen sein. Ferrari hat die alte Option aus dem Jahr 2001 gezogen. Beim Aushandeln der Details haben einander Manager Nicolas Todt und Ferrari-Boss Jean Todt mit Sicherheit tagelange Verhandlungsmarathons mit allen Finten und Tricks geliefert. "Papi, borgst Du mir den Wagen? Felipe möchte damit heute bei Williams vorbeischauen", oder so ähnlich.

Michael Schumacher kennt Felipe nach dessen 15.000 Testkilometern bei Ferrari natürlich ganz genau. Der Brasilianer ist einschätzbar und eine dankbare Nummer 2. Das Wichtigste jedoch: Er ist billig, denn im Moment wird in Maranello alles zu Geld gemacht, um sich den Betrieb weiter leisten zu können. Zuletzt versilberte man einen F2004 um 3,3 Millionen Dollar. Der reiche Käufer darf ihn aber erst 2006 in Besitz nehmen, und vorerst auch nur in Fiorano damit fahren. Ich hoffe doch, dass es sich beim neuen Besitzer nicht um Chanoch Nissany handelt.