In der Formel 1 wird ab 2019 wieder ein zusätzlicher WM-Punkt für die schnellste Runde des Rennens vergeben. Diese jetzt offiziell abgesegnete Idee der aktuellen Macher der Königsklasse führt die F1 zurück zu ihren Anfängen. Bereits bis einschließlich 1959 hatte ein Punkt für diese Leistung gelockt.

Doch was wäre gewesen, wäre die Formel 1 diesem zusätzlichen Punkt immer treu geblieben? Welche WM-Entscheidungen von 1960 bis 2018 hätte ein Zähler für jede schnellste Rennrunden beeinflusst, sogar gekippt? Motorsport-Magazin.com hat nachgerechnet.

Gleich fünf WM-Vergaben wären rein statistisch gesehen anders ausgegangen. Alles andere lässt sich nicht einheitlich und konsequent berücksichtigen. Allerdings ist etwa durchaus davon auszugehen, dass die Piloten mit dem Wissen, dass es für die schnellste Runde etwas zu holen gibt, anders an die Rennen herangegangen wären und Jagd auf die FL gemacht hätten. Weil dieser Faktor nicht greifbar ist, fällt er an dieser Stelle weg.

Diskussion: Neu: Punkte für die schnellste Rennrunde!?: (12:21 Min.)

Doch jetzt genug der Vorrede: Wer wäre dank FL-Punkten doch noch Weltmeister geworden? Wer hätte einen WM-Titel verloren? Und: Welche kuriosen Fälle hätten sich sonst noch ergeben? In chronologischer Reihenfolge:

Weltmeister 1976: Niki Lauda statt James Hunt

Niki Lauda hätte 1976 trotz Feuerunfall den Titel geholt, Foto: Sutton
Niki Lauda hätte 1976 trotz Feuerunfall den Titel geholt, Foto: Sutton

Gleich die erste Änderung betrifft eine der ohnehin schon dramatischsten Entscheidungen der Formel-1-Geschichte. Niki Lauda hätte sich 1976 mit Punkten für schnellste Rennrunden trotz seines legendären Feuerunfalls auf der Nordschleife und der Aufgabe beim völlig verregneten Saisonfinale noch zum Weltmeister vor James Hunt gekrönt.

Statt den WM-Titel knapp mit 68:69 Zählern zu verlieren, wäre es Lauda dank vier schnellster Rennrunden (Hunt: 2) gelungen, den Spieß genauso knapp (72:71) umzudrehen. Damit wäre Lauda dank seiner Titel '75 und '77 neben Juan Manuel Fangio, Michael Schumacher und Sebastian Vettel der einzige Weltmeister, der drei oder mehr WM-Titel in Serie erzielte, und vierfacher statt dreifacher Champion.

Weltmeister 1979: Gilles Villeneuve statt Jody Scheckter

Das Ferrari-Teamduell 1979 wäre genau andersherum ausgegangen, Foto: Sutton
Das Ferrari-Teamduell 1979 wäre genau andersherum ausgegangen, Foto: Sutton

Nur drei Jahre später schon die nächste Änderung - und eine mindestens genauso emotionale. Gilles Villeneuve galt immer als fahrerisches Genie, doch der WM-Titel war dem Kanadier, anders als Sohn Jacques zwei Jahrzehnte später, nie vergönnt. Mit Punkten für schnellste Rennrunden würden die Geschichtsbücher anders geschrieben sein.

1979 wäre das Teamduell bei Ferrari gegen Jody Scheckter genau andersherum ausgegangen. Mit 47:51 Punkten hatte Villeneuve gegen den Südafrikaner verloren. Doch dank ganzer sechs schnellster Rennrunden gegenüber keiner für Scheckter hätte sich das Blatt zu einem 53:51-Sieg zugunsten Gilles' gedreht.

Weltmeister 1986: Nigel Mansell statt Alain Prost

1986 hätte Nigel Mansell nicht nur Siegerpokale, sondern auch den WM-Pokal gestemmt, Foto: Sutton
1986 hätte Nigel Mansell nicht nur Siegerpokale, sondern auch den WM-Pokal gestemmt, Foto: Sutton

Erst 1992 krönte sich Nigel Mansell zum Formel-1-Weltmeister. Der bis Lewis Hamilton siegreichste Brite der F1-Geschichte hatte bis zu dieser späten Erlösung durch jede Menge Pech und trotz vieler Siege nie die Früchte seiner Arbeit ernten dürfen. Hätte es Punkte für schnellste Rennrunden gegeben, wäre die Leidensgeschichte bis zum Durchbruch ein halbes Dutzend Jahre kürzer ausgefallen.

Und das nicht irgendwie: 1986 lieferte sich Mansell ein extrem enges Duell mit Alain Prost, das der Franzose am Ende mit 72:70 Punkten knapp für sich entschied. Doch fuhr Prost nur zwei schnellste Rennrunden, Mansell doppelt so viele. Heißt: Punktegleichstand! Somit hätten die meisten Siege entscheiden. Und da hatte der Brite mit 5:4 haarscharf die Nase mit Schnauzer darunter vorne.

Weltmeister 1988: Alain Prost statt Ayrton Senna

Ayrton Senna hätte einen WM-Titel weniger …, Foto: Sutton
Ayrton Senna hätte einen WM-Titel weniger …, Foto: Sutton

Vierfacher Weltmeister wäre Prost trotz des verlorenen 1986er Titels gegen Mansell dennoch. Nur zwei Jahre später hätte sich der Franzose durch Punkte für schnellste Rennrunden ein Championat zurückgeholt. Das erste der legendären Duelle mit Ayrton Senna wäre dank sieben schnellster Runden nicht mit 87:90 gegen den Brasilianer verloren gegangen. Weil Senna nur dreimal die FL setzte, hätte Prost sich mit 94:93 durchgebissen. Senna wäre nur zweifacher Weltmeister.

Weltmeister 2008: Felipe Massa statt Lewis Hamilton

2008 hätte sich Felipe Massa über seinen Heimsieg uneingeschränkt freuen können, Foto: Sutton
2008 hätte sich Felipe Massa über seinen Heimsieg uneingeschränkt freuen können, Foto: Sutton

An den Krimi beim Formel-1-Saisonfinale 2008 werden sich die meisten noch gut erinnern. Felipe Massa fuhr als Sieger seines Heimrennens in Brasilien über die Ziellinie, wähnte sich bereits als Weltmeister. Doch auf den letzten Metern kassierte Lewis Hamilton Timo Glock, sicherte sich so die noch fehlenden Punkte, um das Ruder auf den wirklich letzten Drücker herumzureißen. Mit 98:97 gewann der Brite seinen ersten von inzwischen fünf WM-Titel.

Hätten schnellste Rennrunden mitgezählt, wäre der Jubel in der Ferrari-Box jedoch nie so jäh abgebrochen. Drei schnellste Rennrunden Massas über die Saison hinweg wären genug gewesen, Hamilton hatte nur genau eine erzielt. Somit wäre Massa mit 100:99 Punkten Weltmeister geworden und Hamilton (noch) nicht Fangio-Liga.

SaisonFahrerWM-PunkteSchn. RundenWM-Punkte mit FL
1974James Hunt69271
Niki Lauda68472
1979Jody Scheckter 51051
Gilles Villeneuve 47653
1986Alain Prost72274
Nigel Mansell70474
1988Ayrton Senna90393
Alain Prost87794
2008Lewis Hamilton98199
Felipe Massa973100

Randnotizen: Irre WM-Entscheidungen ohne neues Ergebnis

Fünf Weltmeister hätten sich also geändert, hätte es immer Punkte für die schnellste Rennrunde gegeben. Doch hätte diese Regel noch weitere WM-Entscheidungen komplett verrückt gestaltet. Bis heute gab es nie eine WM-Entscheidung mit Punktegleichstand. Mit Punkten für die FL wären es sogar gleich mehrere, nicht nur den oben bereits genannten Mansell.

1974 zum Beispiel hätte Clay Regazzoni gegen Emerson Fittipaldi dank drei schnellsten Rennrunden auf 55 zu 55 gestellt. Der Brasilianer wäre dennoch Weltmeister geblieben, weil er drei Siege erzielt hatte, der Schweizer nur einen.

Kompletter Wahnsinn wäre der WM-Endstand 1981 geworden. Statt Nelson Piquet mit 50 vor Carlos Reutemann mit 49 vor Alan Jones mit 46 Punkten, wäre es durch nur eine schnellste Runde für Piquet, zwei für Reutemann und stramme fünf für Jones zum Gleichstand unter allen drei Piloten gekommen. Auch hier hätte Piquet aber die Nase vorne behalten. Der Brasilianer gewann einmal mehr als jeder der beiden Widersacher.

Dreifachen Punktegleichstand hätte es 1981 in der Formel 1 gegeben …, Foto: LAT Images
Dreifachen Punktegleichstand hätte es 1981 in der Formel 1 gegeben …, Foto: LAT Images

Die mit bekannter Punktevergabe bis dato engste WM-Entscheidung zwischen Prost und Lauda 1984 - nur ein halber Punkt trennte den jungen Franzosen damals davon, dem alten Fuchs Lauda seinen letzten Titel zu entreißen - wäre durch Punkte für die FL jedoch klarer ausgefallen, Lauda hatte diese zweimal mehr gesetzt.

In der Neuzeit des neuen Punkteschlüssels mit 25 Zählern für den Sieg wäre unterdessen so gut wie nie eine Entscheidung auch nur im Ansatz enger ausgefallen. Proportional fällt ein Punkt für die schnellste Rennrunde bei diesem Schlüssel eben weniger ins Gewicht. Nur in einem Fall wäre es wirklich eng geworden. 2010 hätte Fernando Alonso den WM-Titel gegen Sebastian Vettel statt um vier sogar nur um zwei Punkte verpasst.