Der Große Preis von Deutschland ist in der Formel 1 längst keine feste Größe mehr. Schleichend hat sich das einstige Traditionsrennen zu einer Ausnahmeerscheinung im Kalender entwickelt. Die Rückkehr 2018 ist wieder nur eine vorübergehende. Vor einigen Jahren wäre die Königsklasse ohne ein Rennen in Deutschland noch undenkbar gewesen. Die Zeiten haben sich geändert. Etwas, das auch die Protagonisten der F1 mit Sorge sehen.

"Ich denke, die Engländer haben gut vorgelegt. Ich hoffe, dass wir nachziehen können", zählt Sebastian Vettel darauf, dass bei seinem Heimrennen in diesem Jahr wieder mehr Stimmung im Motodrom sein wird als in den Jahren 2014 und 2016. Für den Heppenheimer gibt es nichts, was einem Heimrennen näher kommt: "Hockenheim ist immer etwas Besonderes, weil ich mehr oder weniger von dort komme."

In Silverstone geht spätestens seit Hamiltons Erfolgen mit Mercedes auf den Tribünen wieder richtig die Post ab. Die Briten haben mit dem 33-Jährigen einen neues Zugpferd, das die Massen mobilisiert wie einst ihr Formel-1-Nationalheld der 1980er und 1990er Jahre, Nigel Mansell. Deutschland ist ein derartiges Revival bisher noch nicht gelungen.

Trotz reger deutscher Beteiligung in der Zeit nach Michael Schumacher hat die Formel 1 seit dem Karriereende des Rekordweltmeisters kein vollbesetztes Motodrom mehr gesehen. "Die Situation ist für uns natürlich keine einfache, denn wir würden gerne ein deutsches Rennen für unsere Fans in Deutschland und all die Mitarbeiter von Mercedes haben", so Mercedes-Teamchef Toto Wolff dazu, dass es 2019 wohl erstmal wieder kein Rennen in der Heimat der Silberpfeile geben wird.

Wolff glaubt: Deutschland war in der Formel 1 zu erfolgreich

Doch warum platzt das Motodrom nicht mehr wie zu besten Zeiten aus allen Nähten? An ausbleibender deutscher Beteiligung oder fehlenden Erfolgen kann es kaum liegen. Dank Sebastian Vettel und Nico Rosberg feierte Deutschland ab 2010 fünf Fahrer-Weltmeistertitel. Mercedes sorgte als Hersteller seit 2014 für WM-Titel in Serie. "Es ist immer etwas überraschend, dass es in den letzten Jahren nicht mehr Unterstützung für den Deutschland Grand Prix gegeben hat, besonders mit den deutschen Weltmeistern", so Red-Bull-Teamchef Christian Horner.

"Ich erinnere mich daran, dass ich zu Zeiten Schumachers dort war und die Tribünen randvoll waren", so der Brite. "Es ist eine Schande, dass das Rennen nicht im Kalender ist." Toto Wolff glaubt die Ursache für die zurückgegangene Begeisterung ausgemacht zu haben: "Der Grund dafür, dass Deutschland etwas müde ist, ist, dass die Deutschen so erfolgreich waren", so der Österreicher.

Tatsächlich knüpfte Vettel mit seiner Erfolgsserie fast nahtlos an die Triumphe Schumachers an. Nur drei Jahre nach dem letzten WM-Kampf des Kerpeners 2006 war Vettel mit Red Bull bereits ein Titelkandidat. Die Briten hingegen durften sich nach dem Titel von Mansell 1992 zwar über Damon Hills WM-Titel 1996 freuen, bis Hamilton den Weg in die Formel 1 schaffte dauerte es dann aber noch einmal elf Jahre.

"Wir hatten sieben Jahre Schumacher-Dominanz und bald danach vier Jahre lang Sebastian, der alles gewann. Vielleicht musst du erst ein bisschen eine Art Durchhänger haben, von dem du dich dann erholen kannst", glaubt Wolff. Dass es aber auch ohne einen großen Nationalhelden laufen kann, zeigt Österreich.

Formel 1 2018: Hülkenberg und Vettel heiß auf Deutschland GP (02:56 Min.)

Mercedes lobt Red Bull: Wolff stolz auf Österreich GP

Dort liegt der letzte Sieg eines Österreichers schon über 20 Jahre zurück. Seit Gerhard Berger 1997 in Hockenheim stand kein Pilot aus der Alpenrepublik ganz oben auf dem Podium. Im Gegensatz zu Deutschland trägt in Österreich aber auch ein potenter Sponsor den Grand Prix quasi im Alleingang.

Der Red-Bull-Konzern von Dietrich Mateschitz sichert sowohl die Existenz zweier Teams als auch die Strecke und das Rennen in Spielberg. "Ich denke, Österreich ist natürlich viel wichtiger als Deutschland und es ist sehr gut, dass der Grand Prix dort auf Jahre gesichert ist", so Horner in Hinblick auf das Heimspiel seines Teams.

"Als Österreicher bin ich natürlich sehr stolz darauf, dass Red Bull und Herr Mateschitz solch eine fantastische Infrastruktur um Spielberg herum realisiert haben", lobt auch Wolff die Anstrengungen des Konkurrenten. "Es ist nicht nur die Rennstrecke. Egal worauf du schaust, die Hotels sind erstklassig, die Unterhaltung ist großartig und diese Abwechslung ist es, was die Formel 1 ausmacht."

Formel 1 2018: Brachialer Sound in Hockenheim (Deutschland GP) (07:47 Min.)

Mercedes nicht wie Red Bull: Rennteam und Eventvermarkter gibt es nicht

Dass ein erfolgreicher Premiumhersteller wie Mercedes die Existenz des Deutschland GP nicht im Stile von Red Bull finanziert, ist für ihn nachvollziehbar. "Du musst eine klare Linie dazwischen ziehen, ein Team zu leiten und in die Vermarktung eines Rennens involviert zu sein. Was Mercedes als Team angeht, ist es das, was wir gemacht haben", so Wolff.

Dass ein Traditionsrennen wie das in Deutschland aber in den Kalender gehört, steht für alle Beteiligten außer Frage. "Hoffentlich können sich die Fans wieder für das Racing begeistern und wir haben ein tolles Publikum", so Horner. "Wenn das Stadion in Hockenheim voll ist, ist das eine der großartigsten Atmosphären die es in der Formel 1 gibt."