Kur vor halb Vier trat FIA-Präsident Max Mosley am Mittwoch-Nachmittag nach einer mehrstündigen Anhörung und Beratung des FIA World Motor Sport Council in Paris vor die versammelten Pressevertreter, um diesen das Urteil im Streitfall "Michelin-Teams gegen die FIA" mitzuteilen.

Wie lautet das Urteil?

Der World Motor Sport Council befand die sieben Michelin-Teams in zwei der fünf Anklagepunkten für schuldig. Diese beiden Punkte sind: Die fehlende Verfügbarkeit eines zu den Streckenverhältnissen passenden Reifens und eine nicht gerechtfertigte Weigerung beim US Grand Prix 2005 an den Start zu gehen, bei welchem man auch durch die Boxengasse hätte fahren können.

In den Anklagepunkten drei bis fünf wurden die Teams hingegen freigesprochen. Diese beinhalteten den Startverzicht ohne eine ausreichende Geschwindigkeitsreduzierung (weil es dafür keinen sinnvollen Plan gab), eine Boykottdemonstration (weil man bis zuletzt hoffte doch noch fahren zu können) sowie die fehlende Mitteilung des Startverzichts an die Rennstewards (aus dem gleichen Grund).

Wie sieht die Strafe aus?

Das Strafmaß werden die Mitglieder des FIA World Motor Sport Council erst auf einer außerordentlichen Sitzung am 14. September festlegen.

Bis dahin möchte man zwei Dinge überwachen: 1. Ob sich ein ähnlicher Vorfall wiederholen wird. 2. Welche Maßnahmen die Teams und Michelin unternehmen werden, um die Fans zu entschädigen.

Warum wurde die Strafverkündung vertagt?

FIA Präsident Max Mosley: "Es wäre unfair gewesen heute schwerwiegende Strafen auszusprechen. Im September wäre es aber fair, wenn sich bis dahin bei der Entschädigung der Fans nichts geändert haben sollte. Ich kann nicht für den World Council sprechen, aber meine persönliche Meinung ist, dass wir mit Dingen wie Punktabzügen sehr vorsichtig sein sollten, so lange durch den Verstoß die sportliche Performance nicht verändert wurde. Es wäre nicht angemessen Punkte abzuziehen oder Leute für ein Rennen zu sperren. Wir können eine Geldstrafe aussprechen und danach mit dem Geld machen was wir möchten. Wir könnten Strafen aussprechen und das Geld zur Entschädigung benutzen."

Wird B·A·R eine härtere Strafe erwarten?

Obwohl das British American Racing Team aufgrund seiner Bestrafung in der Tankaffäre von Imola unter Bewährung fährt, erwartet den Rennstall keine härtere Bestrafung als die anderen betroffenen Teams.

FIA-Präsident Max Mosley: "Die Bewährungsstrafe wurde aus einem bestimmten Grund ausgesprochen und so lange sie nicht aus einem ähnlichen Grund gegen die Regeln verstoßen, gibt es kein Problem. Es wäre unfair sie herauszupicken, wenn auch die anderen ein Problem hatten."

Warum wurde Michelin nicht bestraft?

Obwohl Max Mosley Michelin als "verantwortlich" und als "Hauptschuldigen" ansieht, konnte die FIA die Franzosen nicht bestrafen, da diese in keinerlei vertraglicher Beziehung zur FIA stehen. Allerdings versucht der Weltverband laut seines Präsidenten durch das heutige Urteil über die sieben Michelin-Teams "Druck" auf Michelin auszuüben. Zudem könnten weiterführende Untersuchungen der Sicherheit der Michelin-Reifen dazu führen, dass die Franzosen möglicherweise wegen unsicherer Pneus aus der Formel 1 ausgeschlossen und von der FIA ein Einheitsreifenhersteller beschlossen wird.

FIA-Präsident Max Mosley: "Es gibt den Verdacht, dass es schon früher solche Schäden gegeben hat. Wir wissen nicht ob es stimmt, aber wir untersuchen es. Sollte es tatsächlich wahr sein, könnte das Technical Department diese Reifen als gefährlich einstufen und sie dürften in der F1 nicht eingesetzt werden. Aber das wäre eine Entscheidung von unabhängigen Experten und nicht des World Council."

Was sagen die Teams dazu?

In einem gemeinsamen Presseschreiben gaben sechs der sieben Michelin-Teams bekannt, dass sie vom Urteil des WMSC "sehr enttäuscht" wären und sie gegen die beiden Entscheidungen in den Anklagepunkten eins und zwei Einspruch einlegen werden.

Als Begründung gaben die Rennställe an, dass nicht sie, sondern Michelin für die Belieferung mit falschen Reifen verantwortlich seien, und dass der Schuldspruch im zweiten Anklagepunkt nicht nachvollziehbar sei, da die FIA in ihrer Anklageschrift die Benutzung der Boxengasse als einzige Lösung bezeichnete. Entsprechend würden die Teams nicht verstehen, wieso sie nun schuldig sein sollen nicht durch die Boxengasse zu fahren - was zudem "keine befriedigende Lösung für die Fans" gewesen wäre.

Mosley wurde von den Kameras umlagert., Foto: Sutton
Mosley wurde von den Kameras umlagert., Foto: Sutton

Mit einem von 19 Stamm- und Testpiloten unterzeichneten fünfzehnseitigen Schreiben, verliehen die Teams zudem ihrer Ansicht Ausdruck, dass es "unvernünftig" und "gefährlich" gewesen wäre mit dem vorhandenen Reifenmaterial am Rennen teilzunehmen.

Das einzige Team, welches sich nicht dem gemeinsamen Pressetext und dem Einspruch anschloss ist Red Bull Racing. Spekulationen zu Folge, könnte dies mit dem nächstjährigen Motorenpartner der roten Bullen zusammenhängen. Und dieser lautet bekanntermaßen Ferrari...

Wie geht es nun weiter?

Ungeachtet des Standpunktes von Red Bull, wird die FIA nun genau überwachen, welche Entschädigungsaktivitäten seitens der Teams und seitens Michelin unternommen werden. Letztere haben bereits gestern in einer Art Friedensangebot verlautbart, dass sie sich an den Entschädigungskosten für die Fans beteiligen und 20.000 Freikarten für den nächstjährigen Grand Prix - sollte dieser denn überhaupt stattfinden - zur Verfügung stellen möchten.

Während die FIA diese Entscheidung bereits begrüßte und den Teams laut Max Mosleys letzten Worten vom heutigen Tage - welche sich aber schnell ändern können, schließlich wollte er noch am Wochenende einige Rennsperren "nicht ausschließen" - wohl schlimmstenfalls eine Geldstrafe droht, um den anderen Teil der Entschädigungszahlungen abzudecken, könnte Michelin noch mehr Ungemach drohen. Jedenfalls dann, wenn die unabhängigen Experten des Weltverbandes die Reifen der Franzosen als "unsicher" oder gar "gefährlich" einstufen.

Für diesen Fall hat Max Mosley bereits angekündigt, dass die Pneus dann von den Rennstewards für den Renneinsatz gesperrt werden könnten.

Wohin die Berufung der sechs Michelin-Teams führen wird, muss unterdessen abgewartet werden. Die dunklen Wolken über der ohnehin arg angeschlagenen Formel 1 werden sich auf alle Fälle auch in den kommenden Wochen nicht verziehen. Vorerst bleibt allerdings die Hoffnung auf einen spannenden, fairen und nur sportlich interessanten Großen Preis von Frankreich am kommenden Wochenende.