Für Nico Rosberg und Mercedes ist der Shanghai International Circuit ein Ort von hoher Bedeutung. Im Jahr 2012 holte der spätere Weltmeister und Erzrivale von Lewis Hamilton beim Grand Prix von China einen für ihn und die Silberpfeile geschichtsträchtigen Sieg. Der Weg dorthin war für den damals 26-jährigen Rosberg kein einfacher.

"Es waren 111 Versuche. Davor war man es gewohnt immer zu gewinnen. Dann sechs Jahre Formel 1 und nicht einmal annähernd eine Chance", erklärt Nico Rosberg im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Der Weltmeister von 2016 ist, zwei Jahre nachdem er zuletzt selbst als Pilot in China im Cockpit saß, als TV-Experte von RTL in Shanghai vor Ort.

Der für seine Karriere richtungsweisende Moment jährt sich diese Saison zum sechsten Mal. "Es ist immer wieder emotional, hierher zurückzukommen", sagt Rosberg, für den das dominante Wochenende in Shanghai damals eher unerwartet kam. "Wir hatten damit eigentlich überhaupt nicht gerechnet. Dann kommt auf einmal dieser Sieg, wie aus dem Nichts."

Rosberg hatte in den ersten beiden Rennen in Australien und Malaysia als 12. und 13. keine Punkte geholt. Als Favoriten auf den Sieg galten er und Teamkollege Michael Schumacher damit nicht. In Shanghai lief es für die Silberpfeile dann aber von Beginn an überraschend gut. Am Samstag sicherte sich Rosberg mit einer halben Sekunde Vorsprung auf Lewis Hamilton und Schumacher die erste Pole Position seiner F1-Laufbahn.

Gerechnet hatte er aber auch damit nicht. "Die Pole kam auch aus dem Nichts, vor allem der Vorsprung von einer halben Sekunde vor dem Rest", sagt Rosberg. "Das war Wahnsinn und dieser Schritt war auch so eine Erleichterung." 2006 hatte er nach dem Gewinn des GP2-Titels bei Williams den Aufstieg in die Formel 1 geschafft.

Nico Rosberg und Michael Schumacher waren 2012 in China mit Mercedes überraschend an der Spitze, Foto: Mercedes AMG
Nico Rosberg und Michael Schumacher waren 2012 in China mit Mercedes überraschend an der Spitze, Foto: Mercedes AMG

Rosberg träumte von einem Auto wie Vettels Red Bull

"Es gibt ja schon Erfolgerlebnisse, wenn man weiß, dass man mit seinem Auto etwas Gigantisches geleistet hat", so Rosberg über seine Achtungserfolge auf Material, das nicht siegfähig war. Seine Ambitionen waren jedoch andere. Nachdem er vier Jahre für den Williams an den Start gegangen war, wechselte er 2010 zum neugegründeten Mercedes-Werksteam, welches nach der Übernahme von Brawn GP eigentlich ein absolutes Top-Team war.

Der Kampf um Siege blieb jedoch auch dort zunächst nur ein Traum. "Jeder zweifelt immer ein bisschen an sich selbst. Das ist normal, das haben wir ja alle. Nur wenn man dann rüberschaut auf Sebastian [Vettel] in seinem Red Bull, der alles in Grund und Boden fährt. Da denkt man sich schon: So ein tolles Auto hätte ich auch gerne mal", sagt Rosberg.

Erst an diesem April-Wochenende 2012 in China wurden seine Wünsche erhört. "Dann habe ich es bekommen", so Rosberg. Hamilton wurde aufgrund eines Getriebewechsels um fünf Startplätze zurückversetzt, so dass Schumacher an der Seite von Pole-Sitter Rosberg ins Rennen ging. Letzterer gewann den Start gegen den Rekordweltmeister und war von diesem Moment an auf Siegkurs.

Schumacher fällt aus, Rosberg allein auf weiter Flur

"Ich kam super weg, alles lief perfekt", so Rosberg. Schumacher ging in Runde zwölf als erster der beiden Silberpfeile an die Box, war aber ohnehin nicht in Schlagdistanz zum Führenden. "Ich wusste, dass er dann frische Reifen haben würde. Es war ein schwieriger Moment in dem Rennen, obwohl ich einen ziemlichen Vorsprung hatte", sagt Rosberg.

Der Reifenwechsel wurde Schumacher jedoch zum Verhängnis. Das rechte Vorderrad wurde nicht richtig montiert, woraufhin er seinen Boliden noch auf der Outlap abstellen musste. "Es war sehr schade für ihn, auf diese Weise auszuscheiden", merkt Rosberg an, für den der Weg danach frei war. Bei der Zieldurchfahrt hatte er 20 Sekunden Vorsprung auf Jenson Button und Lewis Hamilton.

Formel 1, China 2012: Nico Rosberg über seinen ersten F1-Sieg: (04:30 Min.)

Rosberg hätte ersten Formel-1-Sieg lieber vor Schumacher gefeiert

"Für mich war es okay, denn es hat mir das Rennen etwas leichter gemacht", sagt Rosberg über den Ausfall des Teamkollegen. "Aber es wäre eigentlich schöner gewesen, vor ihm zu gewinnen." An der Freude über den Sieg änderte dieser Umstand im Moment des Triumphes aber nichts. "Es war ziemlich emotional im Auto. Mit Jenson und Lewis auf den Plätzen zwei und drei war es ein komplettes Mercedes-Podium, 57 Jahre nach dem letzten Sieg."

"Der Mercedes war an dem Tag einfach unschlagbar. Aber ich bin auch ganz okay gefahren", fügt Rosberg an. Er reihte sich als dritter Fahrer in die Reihe von sieben unterschiedlichen Siegern in den ersten sieben Rennen der Saison 2012 ein. "Das war wirklich ein unberechenbares Jahr", merkt er an. Für ihn und sein Team sollte es in diesem Jahr der einzige Sieg bleiben. Wie kam es also dazu, dass der F1 W03 in China eine Klasse für sich war?

Der Sieg 2012 war sowohl für Nico Rosberg als auch für Norbert Haug ein wichtiger Moment, Foto: Sutton
Der Sieg 2012 war sowohl für Nico Rosberg als auch für Norbert Haug ein wichtiger Moment, Foto: Sutton

"Es ist eine Strecke, die den Vorderreifen mehr beansprucht. Wir haben damals mit unserem Auto die Hinterreifen zerstört und in Shanghai waren wir auf einmal sensationell schnell. Denn hier kannst du die Hinterreifen killen, musst aber die Vorderreifen schonen. Das war alles", erklärt Rosberg, der auf dem Weg zu seinem Karriere-Höhepunkt ein weiteres Erfolgserlebnis in China feierte. "Vier Jahre späte habe ich auf dem Weg zu Weltmeisterschaft nochmal hier gewonnen. Für mich ist das hier also eine der großen Strecken."

Der erste Sieg hatte aber trotz allem einen besonderen Charakter, da es für Mercedes ein echter Meilenstein war. "Für Norbert [Haug] bedeutete dieser Sieg so viel. Er hatte so eine Last auf seinen Schultern, da er eine der entscheidenden Personen bei Mercedes' Rückkehr mit dem eigenen Team war. Für ihn war der Sieg nach zweieinhalb Jahren eine unglaubliche Erlösung."