Lewis Hamilton hätte seinen vierten Weltmeistertitel in der Formel 1 zweifelsohne lieber mit einem Sieg beim Grand Prix von Mexiko 2017 gefeiert. Nach der Kollision mit Sebastian Vettel in der Startphase erlebte der Mercedes-Pilot ein für ihn eher ungewöhnliches Rennen. Aus einer denkwürdigen Aufholjagd wurde nichts, doch eine Vertagung der Titel-Entscheidung auf das vorletzte Saisonrennen in Brasilien hatte Hamilton trotzdem nicht im Sinn.

"Ich hatte nicht einen Moment, in dem ich mir dachte, wir warten einfach bis Brasilien", so Hamilton, der nach dem Auffahrunfall mit Vettel und dem daraus resultierenden Plattfuß hinten rechts eine Minute hinter dem Führenden Max Verstappen lag. Auf Vettel, der zum Wechsel seines beschädigten Frontflügels ebenfalls beim Service war, fehlten in Runde zwei schon 25 Sekunden.

"Er hatte nicht so viel Pech wie ich, sich einen Platten einzufangen und nochmal 40 Sekunden weiter zurückzufallen. Er blieb wenigstens im Kampf und hatte bessere Chancen", so Hamilton, der sich im Verkehr sichtlich schwer tat, während Vettel sich sukzessive nach vorne arbeitete. Der Mercedes F1 W08 des Briten tat sich in der Dirty Air der vorausfahrenden Fahrzeuge gewohnt schwer.

"Es hat eine Ewigkeit gedauert, überhaupt einen Gegner einzuholen und dann war es so schwierig, vorbeizukommen", erklärt Hamilton, der im Rennverlauf stets ein Auge auf Vettel behielt. "Ich konnte sehen, dass er nach vorne kommt und dachte mir: Verdammt. Aber ich wusste, dass er Zweiter werden musste und Max über eine Minute vor uns ist."

Mehr als Position neun war für Hamilton schlussendlich nicht drin, doch auch das zähe Rennen im Mittelfeld hatte für den 32-Jährigen seinen Reiz: "Ich habe jeden Kampf genossen und all meine Fähigkeiten eingesetzt." Besonders viel Arbeit musste er wenige Runden vor Schluss bei seinem Ex-McLaren-Teamkollegen Fernando Alonso leisten.

Alonso hatte die Angriffe von Hamilton mehrfach erfolgreich abgewehrt, bevor sich der WM-Leader in der 67. Runde nach einer Rad-an-Rad-Fahrt durch fünf Kurven durchsetzte. "Ich hatte so viel Spaß. Bei dem Kampf mit Fernando dachte ich mir: Im Ernst, Junge? Komm schon! Das war cool", so Hamilton.

Lewis Hamilton wird in Mexiko Formel 1 Weltmeister 2017: (00:50 Min.)

Hamilton trauert Duell mit Verstappen und Vettel nach

Nachdem Vettel nicht über Rang vier hinauskam und Hamilton damit so oder so vorzeitig den Titel sicherstellte, sah er auch die Kollision mit dem Titelrivalen in der ersten Runde hinterher als nicht sonderlich problematisch an. "Wir sind starke Fahrer, er ist ein vierfacher Weltmeister und da sollte man meinen, dass es einfach ist sich aus dem Weg zu gehen. Aber in der Hitze des Gefechts kann es ganz leicht passieren, dass man sich berührt."

"Letztendlich ist es mir egal und mir ist auch nicht danach, die Situation zu analysieren", scheint die Sache für Hamilton erledigt. Er trauerte lediglich einer verpassten Chance nach, sich mit Vettel und Verstappen an der Spitze des Feldes zu messen. "Diese Geraden hinunterzufahren auf die erste Kurve zu, zu dritt nebeneinander mit zwei der besten Fahrer gegen die ich je gefahren bin, hat so viel Spaß gemacht", sagt er. "Ich hatte mich wirklich auf das Rennen gefreut.

Der WM-Gewinn kam ihm nach dem turbulenten Sonntag in Mexico City auch nach dem Rennen noch surreal vor. "Im Moment ist das noch zu weit weg. Das ist bei mir noch nicht angekommen. Das passiert oft, wenn du eine Meisterschaft gewonnen hast. Klar nimmst du die Euphorie der Menschen um dich herum wahr und du schwebst auf Wolke Sieben, aber aber es dauert eine Weile, bis du es realisiert hast."

Weltmeistertitel 2017 für Hamilton eine neue Erfahrung

Durch den Kampf gegen Ferrari und Sebastian Vettel hat der Titelgewinn 2017 für Hamilton aber in jedem Fall eine andere Note, als seine Erfolge in den Jahren 2008, 2014 und 2015. "Dieses Jahr gegen ein anderes Team zu kämpfen und in einer Position zu sein, ein Team zu führen und zu motivieren, die Entwicklung des Autos in meine Richtung zu lenken, war etwas ganz Besonderes", so der Weltmeister.

Abgesehen von der Arbeit mit dem Team habe er auch bei sich selbst an den richtigen Stellschrauben gedreht, um in einem intensiven WM-Kampf wie dem gegen Vettel am Ende als Sieger hervorzugehen. "Es gab nicht nur den einen Bereichen, an dem ich gearbeitet habe um dort besser zu werden. Es ging darum, die Energie auf all die Dinge zu legen, die nicht perfekt waren und verbessert werden mussten. Ich habe mich darauf konzentriert, der beste Allrounder zu werden der du sein kannst."

Ein Sättigungsgefühl verspürt der häufig impulsive Hamilton nach seinem vierten Titel nicht. Aufhören kommt für ihn noch nicht in Frage. "Ich könnte es mir einfach machen, wie Nico es getan hat, und einfach aufhören und mich mit meinen vier Titeln zurückziehen", kann er sich einen Seitenhieb in Richtung Ex-Teamkollege Rosberg nicht verkneifen.

Hamilton wünscht sich 2018 WM-Kampf gegen Verstappen

"Aber ich denke, es steckt mehr in mir. Da kommt noch mehr, auch noch mehr Challenges und härtere Zeiten. Das mag ich", so Hamilton, der eine der kommenden Herausforderungen schon ausgemacht haben will: Max Verstappen. "Wir wissen alle, dass Max ein außergewöhnlicher Fahrer ist. Er ist heute fantastisch gesehen, seine Fähigkeiten am Start zu sehen, war der Wahnsinn", streut Hamilton dem 20-Jährigen Rosen.

"Es war schön Red Bull wieder dort oben zu sehen und ich hoffe, dass sie nächstes Jahr einen besseren Motor haben werden und mitkämpfen können. Es ist großartig für den Sport und sie haben mit Max sicher einen potenziellen Weltmeister, der mit dem Alter nur noch stärker wird", ist er sicher. Der aufstrebende Youngster ist für ihn gleichzeitig der Antrieb, für 2018 noch härter an sich zu arbeiten und noch stärker zurückzukommen.

"Ich will nächstes Jahr noch besser sein, denn die Herausforderung von Ferrari und Red Bull wird noch größer sein. Die Formel 1 schläft nicht, sie steht niemals still und es wartet immer jemand, der dich von der Spitze verdrängen will. Max sitzt dort und auf seine Chance, also muss ich noch einen drauflegen und das nächste Level erreichen, um vor ihm zu bleiben. Das ist schon meine Motivation für das nächste Jahr."