Die in den letzten Wochen fast schon in extrem Zügen praktizierte Fahrerrochade findet in Austin ihren vorläufigen Höhepunkt. Mit Brendon Hartley griff bereits der fünfte Fahrer in dieser Saison für Toro Rosso an einem Freitag ins Lenkrad, das Fahrer-Duo am Rennsonntag wird komplett anders aussehen als noch vor zwei Wochen in Suzuka. Carlos Sainz ist nun bei Renault, Pierre Gasly ist in Japan geblieben.

Für Hartley verlief die Rückkehr in den Formel-1-Zirkus solide. Seine Rundenzeiten lagen zwar deutlich hinter denen seines russischen Rückkehrer-Teamkollegen Daniil Kvyat, über eine Sekunde fehlte im zweiten Training. Dennoch zeigte sich Hartley mit seinem Auftakt zufrieden. "Das war ein sehr positiver erster Tag. Ich habe versucht, nicht zu viel nachzudenken. Ich wollte einfach rausfahren und schauen, wie es läuft. Ich habe das Auto auf der Strecke gehalten und gute Fortschritte im Laufe des Tages erzielt", sagte er.

Strafe gleich im ersten Rennen

Die Konzentration lag programmatisch vor allem auf den Longruns, um im Rennen eine gute Performance zeigen zu können. Im Qualifying würde Hartley ein gutes Resultat nichts nützen, kassiert er doch gleich bei seinem ersten Rennen eine 25-Plätze-Strafe aufgrund eines neuen Motors. Die Kontingente werden bei neuen Fahrern dabei nicht auf null gestellt, sondern von ihren Vorgängern übernommen. Das Kontingent zählt somit also für ein Auto, unabhängig davon, wer dieses pilotiert.

Bislang versprüht Hartley an diesem Wochenende eine extreme Lockerheit, Nervosität kommt kaum auf. Motorsport-Magazin.com wollte von ihm wissen: Ist die Formel 1 etwa nichts Besonderes mehr? "Natürlich ist sie das", stellt Hartley klar. "Die Performance in den Highspeed-Kurven ist unglaublich. Das ist der Bereich, in dem ich mich am meisten verbessern muss: Im ersten Sektor das Potential des Autos finden. Denn das ist schneller als alles, was ich bislang gefahren bin", hält er fest.

Doch fühle er sich schlicht nicht als Youngster, weshalb er auch keine Nervosität verspüre. "Es ist einfach so, dass ich mich auch schon gut vorbereitet fühle. Ich bin 27 und damit kein junger Rookie mehr. Ich habe viel Erfahrung in Autos mit viel Abtrieb gesammelt. Aber das ist natürlich ein großer Schritt und eine große Herausforderung", so der amtierende Le-Mans-Sieger weiter.

Hartley zieht Vergleich LMP1 vs. F1

Seit nunmehr vier Jahren ist Hartley in der LMP1-Klasse unterwegs. Die Fahrzeuge stellen in ihrem Segment - wie auch die Formel 1 - die absolute Königsklasse dar. In Austin nun zog er einen Vergleich zwischen Prototypen-Sportwagen und Formel-1-Boliden. "In den Highspeed-Kurven ist es ein großer Schritt, besonders durch die breiteren Reifen. Der Topspeed ist in der Formel 1 auch viel höher. In der LMP1 haben wir zwar 1.000 PS zur Verfügung, aber wir nutzen sie nicht für die gesamte Gerade. Wir haben einfach viel weniger Energie für die Runde", schildert er.

Mit dem Porsche 919 Hybrid war Hartley vergangene Woche in Fuji im Einsatz, Foto: Porsche
Mit dem Porsche 919 Hybrid war Hartley vergangene Woche in Fuji im Einsatz, Foto: Porsche

Ähnlichkeiten konnte Hartley vor allem im Bereich der niedrigeren Geschwindigkeiten ausmachen, hier seien die Gripverhältnisse nahezu gleich. Der größte Unterschied zwischen Langstreckensport und Formel 1 aber seien die Reifen. "Auf den Longruns gibt es definitiv einen höheren Reifenverschleiß", blickt Hartley auf seine kurzen, aber prägnanten Erfahrungen in Austin. Entscheidend sei, zu verstehen, wie man die Reifen am besten nutzt.

"In der LMP1 schaue ich nicht auf die Temperaturen. Das geht mehr über das Gefühl. Hier aber ist es ganz entscheidend, die richtigen Temperaturen zu haben", erklärt er. "Man pusht ans Limit, aber nicht darüber hinaus, denn das bedeutet dann einen großen Nachteil auf der Strecke." Die Verantwortlichen bei Toro Rosso waren mit Hartleys Performance offenbar zufrieden. "Das Feedback, das ich bekommen habe, war sehr positiv", so Hartley.

Helm macht sich selbständig

Mit einem ungewöhnlichen Problem hatte der Neuseeländer dann aber doch noch zu kämpfen. Im ersten Training klagte er über seinen Helm, der durch den Sog im Cockpit nach oben gezogen wurde. Mit einer Art kleinen Windschutzscheibe wurde das Problem aber zum zweiten Training behoben. "Ich denke, das Auto wurde für einen bestimmten Helm designt und ich habe einfach einen anderen", versucht sich Hartley an einer Erklärung. Seine Größe von 1,84 Metern dürfte dabei durchaus ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Das positive Fazit nach diesem ersten Tag überwiegt jedoch bei Hartley. "Ich habe einen Fortschritt bei meiner Performance gesehen, hoffentlich kann ich daran anknüpfen", blickt er ohne große Erwartungshaltung auf sein erstes Qualifying in der Formel 1 überhaupt.