Zehn Jahre ist es nun her, dass Markus Winkelhock am 22. Juli 2007 beim Großen Preis von Europa auf dem Nürburgring ein Stück Geschichte geschrieben hat. Im ersten und einzigen Fomel-1-Rennen seiner Karriere führte der Deutsche sensationell für sechs Runden - in einem Spyker! Dieser Husarenritt wurde durch zwei Dinge möglich: Einen Wolkenbruch unmittelbar nach dem Start und einen grandiosen Schachzug in Sachen Strategie. Noch während der Aufwärmrunde bog Winkelhock in die Box ab und ließ Regenreifen aufziehen. Als kurze Zeit später der Himmel seine Schleusen öffnete, war der F1-Rookie plötzlich an der Spitze. Motorsport-Magazin.com blickt zusammen mit Winkelhock zehn Jahre später auf dieses besondere Rennen zurück.
Markus, zehn Jahre sind deine Führungskilometer in der Formel 1 nun her. Wie oft denkst du noch an dieses Rennen?
Markus Winkelhock: Ganz ehrlich denke ich schon öfter daran zurück. In Gesprächen über die Formel 1 oder auch, wenn ich alte Bilder aus der Zeit sehe. Natürlich flacht es nach zehn Jahren etwas ab. Es ist unglaublich, wie schnell die Zeit vergangen ist! Es kommt mir vor, als wäre das gerade drei oder vier Jahre her und ich bin selbst fast ein bisschen erschrocken, dass es schon zehn Jahre sind.
Wo würdest du diese Führungsrunden in der Formel 1 in deiner Karriere einsortieren?
Markus Winkelhock: Natürlich war das eines meiner Highlights. Aber fahrerisch bin ich stolzer auf die Siege bei den 24h Nürburgring oder Spa. Selbst bei einigen Sprintrennen habe ich im Auto meiner Meinung nach mehr geleistet. Dieses Rennen auf dem Nürburgring war einfach eine Aneinanderreihung vieler Faktoren. Mein einziges Rennen in der Formel 1, mein Heimrennen und dann noch der Regen und die Führung. Wenn diese Geschichte jemand als Drehbuch geschrieben hätte, hätte es sicher geheißen, dass es total übertrieben ist [lacht]. Es war einfach ein cooler Tag, an den ich mich gerne erinnere, aber ich bilde mir fahrerisch nichts darauf ein.
Du warst zu dem Zeitpunkt Testfahrer. Aber was hast du gedacht, als es schließlich hieß, dass du wirklich dieses Rennen bestreiten wirst?
Markus Winkelhock: Ich war schon etwas nervös, da ich kaum getestet hatte. Ich musste einfach reinspringen und hoffen, dass der Nacken die Belastung aushält. Das ist schon etwas anderes als in anderen Rennserien! Aber die Freude war riesig, zumal kaum jemand wusste, dass ich im Jahr zuvor schon fast auf dem Hockenheimring gefahren wäre. Ich wusste bis zwei Stunden vor dem Qualifying nicht, ob ich fahre. Damals hat es ja dann nicht geklappt.
Du sprichst die mangelnde Erfahrung im Formel-1-Auto an. Stieg die Nervosität zusätzlich an, als du die Wetterprognose gesehen hast?
Markus Winkelhock: Ich dachte: Ach du Scheiße! Ich war wirklich noch nie - auch nicht bei Testfahrten - mit einem Formel-1-Auto im Nassen gefahren. Entsprechend hatte ich keine Ahnung, was auf mich zukommen würde. Sachen wie Anbremsen mit der Aerodynamik, die Traktionskontrolle bei diesen Bedingungen und vieles andere. Aber es ging easy. Ich bin aber im Rennen selbst ja auch nicht so lange gefahren.
Wer hat in der Einführungsrunde schließlich die Entscheidung getroffen, auf Regenreifen zu wechseln?
Markus Winkelhock: Ich habe am Funk gesagt, dass ich ein paar Tropfen auf dem Visier sehe. Ein paar Hundertmeter ist dann nichts passiert und ich dachte schon, sie hätten mich gar nicht gehört. Die Entscheidung hat dann letztlich wohl Mike Gascoyne getroffen. Er sagte, wir stehen mit Winkelhock in der letzten Startreihe und haben nichts zu verlieren, also gehen wir volles Risiko. Als ich aus der Box rausgefahren bin, war noch alles trocken. Der Platzregen kam erst drei Kurven später. Das hat auf die Sekunde genau gepasst, denn wenn ich eine Runde mit den Regenreifen auf trockener Strecke gefahren wäre, hätten sie sich eh verabschiedet.
Wann hast du schließlich bemerkt, dass du in Führung liegst?
Markus Winkelhock: Ehrlich? Ich weiß es gar nicht mehr so genau. Ich bin gefahren, hab ein paar Autos überholt und erst kurz vor dem Abbruch hat mir das Team über Funk gesagt, dass ich auf P1 bin. Ich dachte an einen Fehler und dass das nicht stimmen kann. Als wir nach dem Abbruch schließlich auf Start/Ziel standen und ich das ganze Feld hinter mir aufgereiht gesehen habe, wurde mir erst bewusst, dass ich tatsächlich führe.
Und das in deinem ersten Formel-1-Rennen. Bist du cool geblieben, oder hat der Kopf verrückt gespielt?
Markus Winkelhock: Ich wusste, dass ich das Rennen im Spyker nicht gewinnen kann, weil wir ca. 2,5 Sekunden pro Runde langsamer als die Top-Teams waren. Ich wollte einfach das Beste daraus machen. Ich habe mir aber schon fast in die Hose gemacht, als ich Ferrari, McLaren und Co. im Rückspiegel gesehen habe [lacht]. Das Wichtigste für mich war, keinen Scheiß zu bauen. Ich wusste, dass hinter mir Fahrer waren, die um die WM kämpften. Ich wollte, dass sie problemfrei an mir vorbeikommen und ich niemandem das Rennen versaue - schließlich hatte ich eh keine Chance.
Diese Gedanken waren nach dem Re-Start aber ohnehin bald hinfällig, da du nach 13 Runden - zu diesem Zeitpunkt nur noch auf Platz 16 - mit einem technischen Defekt ausgeschieden bist.
Markus Winkelhock: Das war mir ehrlich gesagt egal. Ich wusste ohnehin, dass es das war. Wenn das Rennen nicht abgebrochen worden wäre, hätte ich mit 50 Sekunden Vorsprung vielleicht noch ein paar Runden führen können. Nach dem Abbruch und der falschen Reifenwahl bei Re-Start waren wir ohnehin ganz hinten. Logisch wäre ich für den Spaßfaktor gerne noch weitergefahren. Aber die Geschichte davor war schon das Highlight meines Tages.
Das beantwortet eigentlich schon die letzte Frage. Wenn du hättest wählen können: Nach 60 Runden die Zielflagge eines Formel-1-Rennens sehen, oder mit dieser Geschichte nach 13 Runden ausscheiden...
Markus Winkelhock: Diese Geschichte, ganz klar! Wenn ich das Rennen beendet hätte, wäre ich irgendwo um Platz 16 angekommen und niemanden hätte es interessiert. So erinnern sich die Leute heute noch an das Rennen.
diese Formel 1 Interview