Wann hast du erfahren, ABT-Stammfahrerin Sophia Flörsch wegen ihres Le-Mans-Starts ersetzen zu dürfen?
Markus Winkelhock: Anfang Juli bin ich von Schaeffler Paravan und ABT kontaktiert worden. Dabei wurde mir die Frage gestellt, ob ich am dritten August-Wochenende (20. bis 22.08.) Termine hätte, was aber nicht der Fall war. Am Dienstag dieser Woche habe ich dann mit Sophias Auto in Kempten den Roll-out absolviert und auch Boxenstopps geübt.

Du gehörst seit 2013 dem Fahrerkader von Audi Sport customer racing an und bist seither in vielen GT3-Rennserien weltweit im Einsatz gewesen. Wo liegt der Unterschied zwischen dem R8 LMS, den du beispielsweise am vergangenen Wochenende beim 24h-Rennen in Spa gefahren bist und dem R8 LMS, der mit dem Space-Drive-Lenksystem ausgerüstet ist?
Markus Winkelhock: Der Space-Drive-Audi ist etwas schwerer und rollt mehr. Die Entwicklung dieses Systems macht große Fortschritte. Da wurde von Schaeffler und Paravan aus dem Stand heraus beachtliches geleistet. Es ist beeindruckend, wie reell das ganze System ist.

Wie hast du auf die Anfrage, noch einmal in der DTM fahren zu können, reagiert?
Markus Winkelhock: Ganz ehrlich, das hatte ich nicht mehr auf dem Radar. Ich bin jetzt aber happy, dass mir das ABT-Team und Schaeffler Paravan diese Möglichkeit geboten haben. Ich kenne die Äbte aus meiner Formel-3- und DTM-Zeit sehr gut und freue mich jetzt schon auf unser gemeinsames Wochenende am Ring.

Welche Erinnerungen hast du, wenn du an den Nürburgring denkst, oder dort ein Rennen bestreitest?
Markus Winkelhock: Der Nürburgring ist eine meiner Lieblings-Rennstrecken. 2002 habe ich in meiner Formel-3-Zeit mit einem Mercedes-Motor den ersten Sieg überhaupt für die Marke erzielt. Den Original-Rennwagen, den ich damals gefahren bin, habe ich später sogar bei HWA gekauft. Es ist das einzige Rennauto in meinem Besitz. Da ist heute noch mein Rennsitz drin, alles vertraut. Das vergisst man nie - auch nicht mein einziges und historisches Formel-1-Rennen.

Markus Winkelhock führte das Feld bei seinem einzigen Formel-1-Start an, Foto: Sutton
Markus Winkelhock führte das Feld bei seinem einzigen Formel-1-Start an, Foto: Sutton

Am 22. Juli 2007 warst du in aller Munde, weil du beim Großen Preis von Europa in deinem ersten und einzigen Formel-1-Rennen sensationell sechs Runden geführt hast...
Markus Winkelhock: Ja, das war verrückt. Ich bin nach der Aufwärmrunde in die Boxengasse abgebogen, um Regenreifen aufziehen zu lassen. Es sah nämlich so aus, als wenn der Himmel bald seine Schleusen öffnen würde. Der Wolkenbruch ließ dann in der Tat nicht lange (kurz nach dem Start, d. Red.) auf sich warten. Mit meinen Regenreifen lag ich schon in der zweiten Runde an der Spitze, bin später aber leider mit einem technischen Problem ausgefallen.

In einem Interview mit Motorsport-Magazin.com aus dem Jahr 2017, zehn Jahre nach dem Husarenstreich in der Königsklasse, hast du von einem Highlight gesprochen, aber fahrerisch wärest du stolzer auf die 24h-Siege am Nürburgring und in Spa. Warum?
Markus Winkelhock: Weil das damalige Rennen eine Aneinanderreihung vieler glücklicher Faktoren war: Mein einziges Formel-1- und mein Heimrennen. Dann noch der Regen und die Führung. Es war einfach ein cooler Tag, an den ich mich gerne erinnere, aber ich bilde mir fahrerisch und im Gegensatz zu meinen vielen 24-Stunden-Rennen nichts darauf ein.

Am vergangenen Wochenende fehlten dir beim 24h-Rennen in Spa nur knapp fünf Minuten zum dritten Gesamtsieg. Immerhin warst du auf Platz sechs bester deutscher Teilnehmer. Zufrieden oder enttäuscht?
Markus Winkelhoch: Ein solch legendäres Rennen willst du immer gewinnen, vor allem, wenn du in einem Top-Auto wie dem Audi R8 LMS sitzt. Aber wie bei meinem Formel-1-Rennen am Ring, brauchst du noch viel mehr bei einem Langstreckenrennen Glück, viel Glück. Die Pace hat gestimmt. Wir sind solide an der Spitze mitgefahren, haben keine Fahrfehler begangen und hatten auch kein technisches Problem. Dennoch hat es am Ende nicht einmal zu einem Podiumsplatz gereicht.

Dafür gab es vor allem zwei Gründe: Wir sind während des Rennens fünf oder sechsmal nach einem planmäßigen und nicht während eines Boxenstopps in eine Full-Course-Yellow- (FCY) Phase geraten. Und den Pflichtboxenstopp haben wir zudem unter Grün absolvieren müssen. Da kommen schnell ein paar Minuten zusammen, die man auf der Strecke nicht so einfach wieder reinfahren kann. Denn dazu benötigst du ebenfalls das Glück von FCY- oder Safety-Car-Phasen.

Space Drive! Technologie-Revolution unter der Lupe (12:19 Min.)

Mit fünf Gesamtsiegen in Spa (2) und am Nürburgring (3) bist du neben Michael Bartels und Marc Lieb der erfolgreichste deutsche Rennfahrer bei den beiden berühmten Langstreckenklassikern. Was bedeutet dir das?
Markus Winkelhock: Das habe ich gar nicht gewusst. Aber ja, natürlich bedeutet mir das sehr, sehr viel. Eigentlich wären es sogar sieben Gesamtsiege, denn 2015 bin ich innerhalb weniger Wochen am Nürburgring und in Spa in Führung liegend ausgefallen (durch Unfälle, in die seine Teamkollegen verwickelt waren, d. Red.). So viel zum Thema Glück...

Dein Onkel Joachim Winkelhock hat 'nur' drei Gesamtsiege in Spa (1) und am Nürburgring (2) erzielt. Habt ihr darüber mal gesprochen?
Markus Winkelhock: Einmal? Jedes Mal, wenn dieses Thema nach meinem vierten Gesamtsieg aufkam, habe ich "Jockel" damit lachend aufgezogen.

Zurück zur DTM. Wirst du auch bei deinem Jubiläum auf dem Nürburgring mit dem 50. Start in einem Punkterennen etwas zu lachen haben?
Markus Winkelhock: Ich bin ganz entspannt, weil ich nichts zu verlieren habe. Für mich ist wichtig, dass ich mich im Team wohlfühle. Bei den Äbten habe ich diesbezüglich überhaupt keine Bedenken.

Und wie sieht es bei dir persönlich aus?
Markus Winkelhock: Ich bin keiner, der große Sprüche klopft. Wenn die BoP für den Audi passt, wünsche ich mir einen Podiumsplatz - das wäre mega. Ich sitze jetzt zwar erstmals überhaupt in einem aktuellen DTM-Auto, aber ganz ehrlich: Mein realistisches Ziel ist ein Top-10-Platz, denn ich weiß, was auf mich zukommt. An den Resultaten zuletzt von Nico (Müller, d. Red.) und Timo (Glock, d. Red.) hat man gesehen, wie schwer es in der DTM ist, in die Punkteränge zu fahren. Ich werde meine Gegner definitiv nicht unterschätzen.

DTM 2010: David Coulthard und Markus Winkelhock, Foto: DTM
DTM 2010: David Coulthard und Markus Winkelhock, Foto: DTM

Wenn du mit einem Jahreswagen in deinen bisherigen 49 DTM-Meisterschaftsläufen schon zweimal auf Platz vier gefahren bist, dann muss doch jetzt mit einem aktuellen Top-Auto ein Podiumsplatz das Ziel sein, oder?
Markus Winkelhock: Das könnte, muss aber nicht unbedingt so sein. Sollte es tatsächlich so kommen, würde ich mich natürlich über mein erstes Podium in der DTM wahnsinnig freuen.

Weil du dann auf weitere Einsätze hoffst?
Markus Winkelhock: Darüber haben wir nicht gesprochen.

Du bist bis einschließlich 2010 für Mercedes und Audi in der DTM an den Start gegangen, konntest dabei aber mit Jahreswagen erwartungsgemäß nicht glänzen. Hat diese zu erwartende Tatsache für dein Aus in der DTM gesorgt?
Markus Winkelhock: Ende 2010 hieß es bei Audi, ich würde auch 2011 in der DTM fahren. Im Frühjahr wurde mir dann aber etwas anderes mitgeteilt!

Kann es sein, dass es, wie wir aus Audi-Kreisen und von Ingenieuren erfahren haben, daran gelegen hat, dass deine sportlichen Leistungen in der DTM möglicherweise nicht richtig analysiert worden sind?
Markus Winkelhock: Darüber möchte ich heute nicht mehr sprechen. Meine Gedanken haben sich schon immer mit der Zukunft, nicht aber mit der Vergangenheit beschäftigt - das war auch damals so. Fakt ist, es war keine einfache Zeit, weil ich so kurz vor Saisonbeginn 2011 eigentlich keine Alternativen hatte.

Markus Winkelhock fuhr bislang 49 DTM-Rennen, Foto: Audi
Markus Winkelhock fuhr bislang 49 DTM-Rennen, Foto: Audi

Die gab es dann aber doch noch ...
Markus Winkelhock: Ja, dank René Münnich und Marc Basseng. Die haben mich im Team All.Inkl.com Münnich Motorsport für die FIA-GT1-Weltmeisterschaft engagiert. In der letzten Saison dieser Rennserie 2012 haben Marc (Basseng, d. Red.) und ich mit einem von Münnich Motorsport eingesetzten Mercedes-AMG SLS sogar den WM-Titel geholt. Das war sicher ein Highlight in meiner bisherigen Rennkarriere.

Du bist als Rennfahrer in verschiedenen Rennserien durch die ganze Welt gereist. Was bedeutet dir das?
Markus Winkelhock: Ja, ich bin auf fast allen Kontinenten gefahren. Das ist ein Privileg, das ich nicht missen möchte. Für die Zukunft stehen noch zwei lang ersehnte Wünsche auf meiner Agenda, nämlich Renneinsätze auf dem anspruchsvollen Stadtkurs in Macau sowie beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans.

Wie fühlst du dich denn mit jetzt 41 Jahren?
Markus Winkelhock: Topfit und gefühlt wie Anfang 30!

Das meinst du, weil du noch ein Single bist ...
Markus Winkelhock: Nein, das stimmt gar nicht. Ich lebe seit zweieinhalb Jahren mit meiner Lebensgefährtin Lucie (frühere Teammanagerin beim tschechischen Team Igor Salaquarda Racing ISR, d. Red.) in Prag und werde noch in diesem Jahr zum ersten Mal Vater.

Im Ernst, das hast du bei deinen vielen Renneinsätzen in aller Welt auch noch geschafft?
Markus Winkelhock: Ja, warum denn nicht. Und ich weiß jetzt schon, dass ich mich demnächst noch um ein Pony oder Pferd und nicht um ein Go-Kart kümmern darf...