Nach mehr als 20 Jahren bei Phoenix Racing ist Schluss: Gründer und Teamchef Ernst Moser (62) zieht sich zum Ende der Saison 2023 aus dem aktiven Motorsport zurück. Der im Jahr 1999 gegründete Rennstall aus Meuspath am Nürburgring zählt zu den erfolgreichsten Teams im deutschen Motorsport: sechs Gesamtsiege beim 24h-Rennen Nürburgring (2000, 2003, 2012, 2014, 2019, 2022), zwei DTM-Fahrertitel (2011 mit Martin Tomczyk und 2013 mit Mike Rockenfeller) sowie weitere Siege bei den 24 Stunden von Spa, in Bathurst oder Macau.

Als amtierende Gesamtsieger greifen Moser und sein Team dieses Jahr nach dem siebten Triumph beim Eifel-Klassiker (20.-21. Mai 2023) vor der eigenen Haustüre. Pünktlich zum 40. Geburtstag des langjährigen Partners Audi gehen vier von Scherer Sport PHX betreute Audi R8 LMS GT3 an den Start, darunter das DTM-Champions-Trio mit Mike Rockenfeller, Timo Scheider und Martin Tomczyk.

Die Boliden starten beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring unter der Nennung von Scherer Sport PHX. Dahinter steckt die Scherer Gruppe mit zahlreichen VW-Autohäusern und rund 2.400 Mitarbeitern, die Phoenix Racing im März dieses Jahres übernommen hat und unter eigenem Namen fortführen wird. Erfolgs-Teamchef Moser gibt die Geschäftsführung zum Jahresende ab, bleibt dem Team mit seiner jahrzehntelangen Expertise aber als Berater erhalten.

Vor dem besonderen 24-Stunden-Heimspiel auf dem Nürburgring spricht Phoenix-Teamchef Ernst Moser im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Magazin.com über die Hintergründe seiner Entscheidung, die Erfolgsaussichten auf den siebten Nürburgring-Sieg, die spektakuläre Rückkehr seiner DTM-Champions und wie es für ihn in Zukunft weitergeht.

Herr Moser, Sie greifen auf dem Nürburgring nicht nur nach dem siebten Gesamtsieg Ihres Teams. Das diesjährige 24-Stunden-Rennen wird auch aus einem weiteren Grund besonders...
Ernst Moser: Das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring dieses Jahr wird mein letztes großes Rennen sein. Zum Jahresende werde ich die Geschäftsführung abgeben. Den ersten Schritt habe ich bereits mit dem Verkauf der größten Unternehmensanteile an die Scherer Gruppe gemacht. Das war der erste Schritt, um meinen Ausstieg aus dem Berufsleben vorzubereiten. Der Name 'Phoenix Racing' wird in dieser Form nicht fortgeführt. Das Unternehmen läuft als Scherer Sport PHX weiter, wobei das Kürzel PHX für den sportlichen Bereich von Projekten vorgesehen ist, die aus dem Motorsport abgeleitet sind.

Ernst Moser führte Phoenix Racing seit 1999 zu zahlreichen Siegen und Erfolgen, Foto: Audi Communications Motorsport
Ernst Moser führte Phoenix Racing seit 1999 zu zahlreichen Siegen und Erfolgen, Foto: Audi Communications Motorsport

Wie schwer ist Ihnen dieser Schritt nach Jahrzehnten im Motorsport gefallen?
Ernst Moser: Alles hat seine Zeit. Und es fällt mir gar nicht so schwer wie man meinen könnte. Mit dem aktuellen Motorsport, wie wir ihn als kleines Team über viele Jahre bestritten haben, komme ich nicht mehr klar. Wenn ein Werksbereich (DTM als Audi-Werksteam; d. Red.) wegfällt, kann ich die anderen Bereiche ganz schwierig halten. Das hat mir in den vergangenen Jahren größere Sorgen bereitet. Und wenn du es so machen musst, hast du keinen Spaß mehr daran. Jetzt freue ich mich auf den nächsten Abschnitt meines Lebens.

Werden Sie Scherer Sport PHX über 2023 hinaus in irgendeiner Form erhalten bleiben?
Ernst Moser: Ja. Ab 2024 werde ich Scherer Sport PHX in beratender Funktion zur Seite stehen, mir meine Zeit aber selbst einteilen. Ins Tagesgeschäft werde ich dann nicht mehr involviert sein, sondern eher mit meinem Netzwerk und meinen Kontakten aus all den Jahrzehnten im Motorsport unterstützen. Die paar großen Motorsport-Highlights möchte ich aber schon besuchen.

DTM-Meister 2011: Martin Tomczyk und Phoenix-Chef Ernst Moser, Foto: Audi
DTM-Meister 2011: Martin Tomczyk und Phoenix-Chef Ernst Moser, Foto: Audi

Was brachte Sie zu der Entscheidung, Phoenix Racing an die Scherer Gruppe zu verkaufen?
Ernst Moser: Ich habe bei dieser Entscheidung sehr an unsere Mitarbeiter gedacht. Es gab auch andere Angebote. Ich habe mich durch die Wahl für Christian Scherer und die Scherer Gruppe für die zukunftsorientierteste Lösung entschieden, die auch abseits des reinen Motorsports viele Möglichkeiten bietet und eine Auslastung gewährleistet.

Wie haben Sie Christian Scherer und seine Scherer Gruppe kennengelernt?
Ernst Moser: Wir kennen uns bereits seit 2016. Christian Scherer war schon immer sehr aktiv mit Werbeaktionen für seine Autohäuser rund um die Nordschleife und er liebt die Rennstrecke ja auch. Damals wurden wir uns recht schnell einig, dass die Nordschleife und der Nürburgring eine gute Basis für eine Zusammenarbeit bilden und seitdem sind wir Partner.

Was können sich die Motorsport-Fans unter Scherer Sport vorstellen?
Ernst Moser: Bei Scherer Sport war bisher Phoenix Racing das Fundament für die Renneinsätze. Das wird sich im Laufe der weiteren Jahre vermutlich verändern. Wir werden dieses Jahr unter dem Namen Scherer Sport PHX einen großen Aufschlag beim 24-Stunden-Rennen haben und auffallen. Klare Ansage an alle im Motorsport und auch Hersteller, die starke Partner für Werksprogramme suchen: Das Geschäft wird intensiv und erfolgreich weitergeführt! Wenn Christian Scherer etwas macht, dann macht er es richtig.

Ernst Moser und Phoenix gewannen das 24h-Rennen Nürburgring 2022 zum sechsten Mal, Foto: Audi
Ernst Moser und Phoenix gewannen das 24h-Rennen Nürburgring 2022 zum sechsten Mal, Foto: Audi

Warum war es nach dem Ende der Hersteller-DTM keine Option für Phoenix Racing, ab 2021 mit GT3-Autos weiter an den Start zu gehen?
Ernst Moser: Mit unseren Möglichkeiten konnten wir das Budget nicht aufbringen. Es war klar, dass wir Geld hätten investieren müssen, um in der DTM dabei zu sein. Und um ehrlich zu sein: Ich habe es nicht eingesehen, warum ich für Audi die DTM finanzieren soll. Deshalb haben wir es auch nicht gemacht. Und als Gerhard Berger dieses Projekt mit den elektrischen Tourenwagen vorgestellt hat, hat er damit meiner Meinung nach die Fachwelt verarscht.

Was war stattdessen der Plan mit Phoenix Racing?
Ernst Moser: Wir haben nach 2020 klar auf die LMP-Schiene gesetzt und uns in der Asian Le Mans Series engagiert. Da wurde mir klar, wie kostenintensiv solche Fahrzeuge sind. Die Autos sind unglaublich toll, aber auch unglaublich teuer. Als ich dann die Preise für LMDh- oder Hypercar-Autos gesehen habe, war mir sofort klar, dass wir uns das als privates Team nicht leisten können. Das ist schade, denn mit Phoenix Racing war es immer mein Traum, die 24 Stunden von Le Mans zu gewinnen. Das werde ich in diesem Leben wohl leider nicht mehr erleben. Wenn sich aber die Gelegenheit bieten sollte, in Zukunft mit den GT3-Autos um Klassensiege in Le Mans mitzufahren, könnte das noch einmal spannend für mich werden...

Ernst Moser und Mike Rockenfeller feiern den DTM-Titelgewinn 2013, Foto: Audi
Ernst Moser und Mike Rockenfeller feiern den DTM-Titelgewinn 2013, Foto: Audi

Erst einmal wartet das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Ihre früheren DTM-Fahrer Mike Rockenfeller, Martin Tomczyk und Timo Scheider starten im #40 Audi von Scherer Sport PHX. Hätten Sie sich diese Kombination noch einmal vorstellen können?
Ernst Moser: Nein, ganz und gar nicht. Und deshalb ist dieses Projekt auch so wunderschön. Die Resonanz aus der Motorsport-Szene und von den Fans ist riesengroß und ich bin von sehr vielen Leuten darauf angesprochen worden. Die Sache passt einfach toll für mein letztes 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Mit den Jungs habe ich viele Erfolge und viele schöne Jahre erlebt. Als ich zum ersten Mal von dieser Möglichkeit gehört habe, habe ich alles dafür getan, dass es auch klappt. Und besser hätte es nicht laufen können.

Wie genau kam es dazu?
Ernst Moser: Erst gab es eine Gruppe um Mike und Timo, die an einem solchen Projekt gearbeitet haben. Plötzlich kam dann Audi mit ins Spiel und das hat den Stein ins Rollen gebracht. Daraus hat sich quasi eine Lawine entwickelt, ich musste danach gar nicht mehr viel tun. Audi finanziert das gesamte Projekt im Rahmen ihres 40-jährigen Geburtstages.

Das DTM-Legenden-Trio fährt eines der vier von Scherer Sport PHX eingesetzten GT3-Autos. Wie sind die weiteren Fahrer-Lineups zu bewerten?
Ernst Moser: All unsere Fahrer auf den Autos sind wirklich gut. Letztes Jahr saßen Jungs mit großer Nordschleifen-Erfahrung auf unserem Sieger-Auto (Kelvin van der Linde/Robin Frijns/Dries Vanthoor/Frederic Vervisch; d. Red.), mit Frederic ist einer an Bord geblieben. Seine Teamkollegen Ricardo Feller, Mattia Drudi und Dennis Lind verfügen über einen sehr guten Speed, haben aber noch nicht die ganz große Erfahrung auf der Nordschleife. Ich hoffe, dass sie im Rennen schnell den benötigten Speed finden werden.

Unsere beiden privat eingesetzten Audi schätze ich ebenfalls sehr stark ein. Renger van der Zande, Alexander Sims und Stippi (Fank Stippler) im #5-Audi sind extrem stark, und auch Vincent Kolb hat gezeigt, wie gut er auf der Nordschleife geworden ist. Auf der Nummer #16 kennen wir Kim Luis Schramm und Michele Beretta aus den vergangenen Jahren sowie Markus Winkelhock ohnehin seit langer Zeit. Ricardo Feller stößt noch dazu. Wir haben vier richtig starke Autos und es macht einfach Spaß, mit Profis zu arbeiten.

Ernst und Ron Moser beim 24h-Rennen Dubai 2023, Foto: Audi Communications Motorsport
Ernst und Ron Moser beim 24h-Rennen Dubai 2023, Foto: Audi Communications Motorsport

Wie schätzen Sie die Konkurrenz ein und hat Scherer Sport PHX Chancen auf den siebten Gesamtsieg?
Ernst Moser: Wir haben ein gutes Paket und viel Erfahrung. Wenn wir keine Fehler machen, glaube ich, dass wir bis zum Schluss um den Sieg mitfahren können. Das können viele andere aber auch, und 24-Stunden-Rennen sind immer eine spezielle Angelegenheit. Ich war in den vergangenen Jahren nicht immer ganz happy mit der BoP, aber irgendwann bekommt man es auch zusammen. Alle liegen vermutlich ziemlich eng beisammen.

Abschließend: Haben Sie sich eigentlich schon Gedanken über das nächste Jahr und Ihre Zeit nach dem aktiven Motorsport gemacht?
Ernst Moser: Ich habe letztes Jahr ein Wohnmobil bestellt, das hoffentlich im August dieses Jahr geliefert wird. Ein Sprinter, hochgesetzt und mit Allrad, um Wüsten wie die Atacama zu durchqueren. Ich möchte mit einer Tour in Südamerika beginnen und von dort bis hoch in die USA fahren. Die Gegend hat es mir wirklich angetan und ich kenne schon Teile durch die Dakar damals oder die GT1-Rennen in San Luis. Deshalb möchte ich dort zu meiner ersten großen Reise starten.