Der dreimalige DTM-Champion Rene Rast hat ein weiteres Kapitel in seiner äußerst erfolgreichen Rennkarriere geschrieben und endlich seinen ersten NLS-Sieg gefeiert. Man mag es kaum glauben, aber es ist wahr: 4.761 Tage hat es gedauert, bis Rast es endlich geschafft hat, erstmals ein Rennen der beliebten Langstrecken-Serie NLS zu gewinnen - das 45. RCM DMV Grenzlandrennen über vier Stunden.

Dabei war der Start beim dritten NLS-Lauf eigentlich gar nicht geplant, wie Rast im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com verrät. "Mein Manager hat mich angerufen und gefragt, ob ich am Samstag Zeit hätte, am Nürburgring ein Langstreckenrennen zu fahren."

Zuvor hatte Dennis Rostek, Chef der Agentur Pole Promotion, in der neben den van der Linde-Brüdern und Nicki Thiim auch Rast beraten wird, einen Anruf von Phoenix-Teamchef Ernst Moser erhalten, der für einen seiner beiden Scherer-Audi R8 LMS noch einen schnellen Fahrer neben Jakub "Kuba" Giermaziak suchte.

Da nur Rast so kurzfristig zur Verfügung stand, düste der Wahl-Österreicher mit seinem privaten Audi direkt aus dem Urlaub, den er nach dem DTM-Rennen in Imola angetreten hatte, zum Ring, wo er am Freitagabend kurz vor Mitternacht eintraf.

Foto: Jan Brucke/VLN
Foto: Jan Brucke/VLN

Im Qualifying belegten Giermaziak/Rast den vierten Platz unter insgesamt 120 Teilnehmern, 1,137 Sekunden hinter dem Walkenhorst-BMW M4 GT3 von Christian Krognes und Sami-Matti Trogen. Die Skandinavier waren mit einer Zeit von 7:54.472 Minuten nur 22 Tausendstelsekunden schneller als der zweite Phoenix-Audi mit Vincent Kolb und Frank Stippler.

"Ich hatte mir mit Kuba, den ich als Gegner aus dem Porsche Supercup noch gut kenne, schon etwas ausgerechnet", erklärte Rast, für den der etwas verkürzte Schlaf kein Problem darstellte. "Wir haben im Qualifying gezeigt, dass wir mit um den Sieg kämpfen können."

Das zeigte sich vor allem in der äußerst spannenden Schlussphase des vierstündigen Rennens, als Rast nach dem finalen Boxenstopp das Cockpit von Giermaziak übernommen hatte und aus der Boxengasse kommend sich direkt hinter seinem Widersacher Krognes positionierte. Nach seiner ersten Runde lag der Phoenix-Pilot nur 0,443 Sekunden hinter dem Walkenhorst-BMW. Im folgenden Umlauf konnte Rast an einer Stelle attackieren, wo man es eigentlich nicht erwartet hätte: Auf der langen Döttinger Höhe, wo der BMW in den bisherigen Rennen 2022 inklusive den 24 Stunden den höchsten Topspeed aller GT3-Sportwagen hatte.

"Die Balance of Performance hat wirklich gut funktioniert und für ein spannendes Rennen gesorgt", betonte Phoenix-Teamchef Ernst Moser und wollte damit erst gar keine Diskussionen aufkommen lassen. "Audi war heute nicht bevorteilt, wer das behauptet, hat keine Ahnung!" Dass der Phoenix-Audi überhaupt in der Lage war, in Schlagdistanz zum BMW zu kommen, lag auch an einer Setup-Veränderung, die das Team beim Boxen- und Tankstopp vornahm, nachdem der R8 im ersten Stint laut Moser "drei bis vier Sekunden" verloren hatte.

Rast nutze also die Gunst der Stunde, saugte sich dank Windschatten an den BMW von Krognes heran, täuschte auf der Anfahrt zum Tiergarten ein Überholmanöver auf der linken Seite an, um dann aber rechts mit einer fairen Attacke unwiderstehlich vorbeizuziehen. Der Norweger ließ sich davon aber nicht beeindrucken und schon gar nicht abschütteln. So entwickelte sich ein atemberaubender Zweikampf auf höchstem fahrerischem Niveau mit Zeiten im Acht-Minuten-Bereich und unzähligen Überrundungen.

Und es blieb eng: In den Runden 24 bis 26 lag die Differenz der beiden Protagonisten immer unter einer Sekunde, die Umläufe 27 und 28 endeten mit 1,6 und 1,9 Sekunden Vorsprung für Rast, der dann in der finalen Runde nichts mehr anbrennen ließ und den schließlich aufgebenden Krognes letztendlich um 4,673 Sekunden distanzierte.

Foto: Jan Brucke/VLN
Foto: Jan Brucke/VLN

"Das war wirklich ein hartes Stück Arbeit, bei dem Überholmanöver haben wir uns sogar leicht berührt. Kompliment an Christian, der nicht lockergelassen und großen Druck auf mich ausgeübt hat. Ich war mit unserem R8 auf den Geraden einen Tick schneller, in langsamen und mittelschnellen Kurven hatte der BMW seine Vorteile, wodurch sich die Performance ausgeglichen hat", meinte Rast, dem dieser Triumph in seiner beeindruckenden persönlichen Erfolgsliste noch gefehlt hat.

In fast jeder Rennserie, in der der gebürtige Mindener bisher an den Start gegangen ist, hat er mindestens ein Rennen gewonnen, auch die 24 Stunden in Daytona, Spa und am Nürburgring, 2014 ebenfalls mit einem von Phoenix eingesetzten, werksunterstützen Audi R8 LMS - nur nicht in der VLN/NLS.

"Dieser Sieg bedeutet mir sehr viel, denn darauf musste ich bisher sehr lange warten. Vor 13 Jahren (oder 4.761 Tagen, d. Red.) habe ich hier mein erstes Rennen, ebenfalls in einem Phoenix-Audi R8 LMS bestritten, jetzt habe ich es endlich geschafft", freute sich Rast sehr über seinen knappen, aber sicher auch verdienten Erfolg.

Damit sind der Audi-Werksfahrer und sein polnischer Teamkollege Jakub Giermaziak die Piloten Nr. 256 und 257, die in der 46-jährigen Geschichte der traditionsreichen Langstrecken-Rennserie mindestens einen Sieg erzielen konnten. Das Duo bescherte zudem dem Team Phoenix Racing den 15. und Audi den insgesamt 25. Gesamtsieg.

Auch für Ernst Moser ein besonderer Moment: "Dieser Erfolg war schon sehr speziell, zumal unser Team und Rene seit längerer Zeit nicht zusammengearbeitet haben. Das war sicher nicht selbstverständlich, insbesondere in dieser Konstellation." Damit meinte der Phoenix-Teamchef die kurzfristige Zusammenstellung der Fahrerpaarung.

"Kuba ist schon einige Rennen für uns gefahren und ist richtig schnell, wie er beim Top-30-Qualfying während der 24h Nürburgring als schnellster der drei Phoenix-Audi mit Startplatz fünf eindrucksvoll bewiesen hat", lobte Moser seinen Schützling, dem bisher lediglich die Konstanz fehlte und die diesmal für den Sieg auch zwingend erforderlich war. "Rene ist bekanntermaßen eine Bank und er hat vor allem im zweiten Stint gezeigt, dass er zu den absoluten Topfahrern gehört."

Für Moser und die gesamte Meuspather Mannschaft war es ein erfolgreicher Samstag, denn das Schwesterauto des Teams Scherer Sport by Phoenix belegte auf Platz drei ebenfalls einen Podiumsplatz. Der 14-malige VLN/NLS-Gesamtsieger Frank Stippler sowie sein Teamkollege Vincent Kolb fielen nach zwischenzeitlicher Führung auch wegen einer unglücklichen Code-60-Phase bis auf Platz vier zurück, im Ziel durfte sich das Duo aber als Dritte über ihren ersten Podestplatz der Saison freuen, zumal Kolb nach einer Corona-Erkrankung noch etwas geschwächt und es nicht klar war, ob er überhaupt durchfahren kann.

Am 27. Juni vor exakt 13 Jahren (2009) gelang Audi übrigens der erste Gesamtsieg in der VLN/NLS überhaupt. Wie könnte es fast anders sein, mit dem Team Phoenix Racing sowie dem Fahrer-Trio Marc Basseng, Frank Biela und Hans-Joachim Stuck.

14 Tage zuvor feierte Rast gemeinsam mit seinem heutigen Manager Dennis Rostek seine Premiere in der Langstrecken-Serie - natürlich ebenfalls in einem Phoenix-Audi R8 LMS, der zuvor schon beim 24-Stunden-Rennen als Werks-Audi vom erfolgreichen Team aus Meuspath am Nürburgring eingesetzt worden war. Auf Platz zwei liegend wurden Rast und Rostek durch einen Reifenschaden weit zurückgeworfen und verfehlten so die Top-10.

Der nächste Versuch von Rast, auf sich aufmerksam zu machen, endete bei einem VLN-Test mit einem heftigen Abflug im Streckenabschnitt Exmühle. An diesen schwarzen Freitag können sich beide bis heute gut erinnern, obwohl es nicht der 13. war. "Am Tag zuvor (25.06.2009) ist nämlich Michael Jackson gestorben", erinnern sich Rast und Rostek uniso. "Ich habe gedacht, jetzt sind wir pleite", sagte Rostek, um anschließend mit breitem Grinsen festzustellen. "Das war unser Einstieg bei Audi Sport!"