Es ist zweifelsohne die große Sensation vor dem 24h-Rennen Nürburgring 2023 (18.-21. Mai 2023): Die früheren DTM-Champions und Audi-Werksfahrer Timo Scheider, Mike Rockenfeller und Martin Tomczyk teilen sich beim Eifel-Klassiker einen Audi R8 LMS GT3 Evo II, eingesetzt vom amtierenden 24-Stunden-Sieger Phoenix Racing. Dass das Trio früher schon in der DTM für die Truppe von Teamchef Ernst Moser an den Start ging, weckt bei den Fans Erinnerungen an tolle Tourenwagen-Zeiten in Deutschland.

Der Einsatz des Promi-Audis zusätzlich zu den drei werksunterstützten Autos von Phoenix, Land-Motorsport und Car Collection ist kein Zufall: Audi Sport wollte den Fans anlässlich des 40. Unternehmens-Geburtstags einen Knaller präsentieren. Das ist der Marke mit den vier Ringen gelungen, wie die tausenden Reaktionen in den sozialen Netzwerken auf die - knapp gehaltene - Ankündigung zeigen.

Ikonen-Audi bei 24h Nürburgring: Ein echter Coup

Die eine oder andere "tolle Geschichte" hatte Audi-Motorsportchef Rolf Michl schon kurz nach seinem Amtsantritt beim letztjährigen DTM-Finale in Hockenheim gegenüber Motorsport-Magazin.com anklingen lassen. Jetzt bestätigt uns Michl auf Nachfrage: "Das stimmt, der Einsatz der drei DTM-Champions ist eine 'Geschichte' im Rahmen unseres Jubiläums, das wir in diesem Jahr feiern und das beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring seinen Auftakt hat. Im Laufe des Jahres wird es rund um dieses Jubiläum sicher noch das ein oder andere 'Schmankerl' geben."

Dass der zweifache DTM-Champion Scheider nach seinem unsanften Rauswurf Ende 2016 bei Audi noch einmal in einen Rennwagen aus Ingolstadt steigen würde, darf als Coup bezeichnet werden. Ebenso die Vier-Ringe-Rückkehr von Rockenfeller, dem DTM-Meister von 2013 mit Phoenix, der sich Ende 2021 nach 15 Jahren wegen mangelnder Wertschätzung verabschiedet hatte. Nicht auszuschließen, dass diese Entscheidungen eng mit den aktuell handelnden Personen bei Audi Sport verknüpft sind...

Nachfolger von Julius Seebach: Audi-Motorsportchef Rolf Michl, Foto: Audi Communications Motorsport
Nachfolger von Julius Seebach: Audi-Motorsportchef Rolf Michl, Foto: Audi Communications Motorsport

Marketing-Gag oder Angriff auf den Gesamtsieg?

Beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife sorgen die DTM-Ikonen Scheider (44 Jahre), Rockenfeller (39 Jahre) und Tomczyk (41 Jahre) für geballte 124 Jahre Lebenserfahrung auf dem Phoenix-Audi, der nach unseren Informationen passend zum Audi-Sport-Geburtstag mit der Startnummer #40 antreten soll. Ein Gegensatz zum restlichen Werkskader, der nach den Abgängen von Rene Rast, Nico Müller oder Kelvin van der Linde vermehrt auf talentierte Nachwuchspiloten setzt.

Eine Frage, die sich nun viele Fans stellen: Handelt es sich beim Promi-Audi um einen Marketing-Gag, oder soll wirklich der Gesamtsieg bei einem der prestigeträchtigsten Rennen der Welt das ausgegebene Ziel sein? Scheider (2003 mit Opel) und Rockenfeller (2006 mit Porsche) konnten das 24h-Rennen schließlich bereits gewinnen, Teamkollege Tomczyk rauschte 2020 als Dritter (mit Schnitzer-BMW) und 2021 (mit ROWE-BMW) als Zweiter nur knapp am großen Triumph vorbei. Wer die Fahrer kennt, der weiß, dass sie auch im Spätherbst ihrer Rennfahrer-Karriere nicht nur zum Spaß durch die Gegend rumgurken wollen!

Rockenfeller: Sieg bei 24h Nürburgring das Ziel

"Die Motivation ist riesengroß und natürlich muss unser Ziel lauten, um den Gesamtsieg zu kämpfen, denn wir treten sicher nicht nur zum Spaß an", bestätigt Rockenfeller im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Rocky kehrte nach seinem Audi-Aus auf die Langstrecke zurück, bestritt Rennen in der WEC sowie IMSA und bereitet sich gerade auf das spektakuläre NASCAR-Projekt bei den 24 Stunden von Le Mans zusammen mit Formel-1-Weltmeister Jenson Button sowie NASCAR-Rekordmeister Jimmie Johnson vor.

Für Rockenfeller, der die Nürburgring-Idee als großartig bezeichnet, wäre auch nichts anderes in die Tüte gekommen: "Es gab für mich auch noch andere Konstellationen und Möglichkeiten, bei diesem Rennen an den Start zu gehen. Aber ich habe vor einigen Jahren für mich beschlossen, nur noch in einem konkurrenzfähigen Auto und mit Profis anzutreten. Die Zusammensetzung unseres Trios ist für mich aus vielerlei Gründen etwas ganz Besonderes."

Lange für Audi in der DTM am Start: Scheider, Tomczyk und Rockenfeller, Foto: Sutton
Lange für Audi in der DTM am Start: Scheider, Tomczyk und Rockenfeller, Foto: Sutton

Audi-Motorsportchef: "Im vorderen Feld mitfahren"

Niemand würde an der Konkurrenzfähigkeit von Scheider, Rockenfeller oder Tomczyk zweifeln. Aber nicht nur wird die Hersteller-Konkurrenz bei der 51. Auflage des 24h-Rennen Nürburgring riesengroß sein, auch fehlt den drei DTM-Veteranen aktuell faktisch die Routine in einem GT3-Rennwagen. Ein nicht zu unterschätzender Faktor beim Audi R8 LMS GT3, der seit letztem Jahr mit einem weiteren Evo-Paket ausgestattet worden ist und den andere Profis beinahe wöchentlich bei Rennen rund um den Globus pilotieren.

Scheider fuhr sein letztes GT3-Rennen 2019 im BMW M6, 2022 ging er 'nur' mit einem Cup-Porsche auf dem Nürburgring an den Start. Rockenfeller saß zuletzt 2021 in der DTM in einem GT3-Audi von Abt Sportsline. Und Tomczyk, der Ende 2021 seine Profi-Karriere beendet hatte, fuhr in jenem Jahr seine letzten GT3-Rennen im BMW und saß seitdem nicht mehr hinterm Steuer.

"Die drei Herren bringen natürlich geballte Kompetenz und jahrelange Erfahrung mit und werden sicherlich im vorderen Feld mitfahren", will sich Audi-Motorsportchef Michl gegenüber Motorsport-Magazin.com nicht zu weit aus dem Fenster lehnen." Gleichzeitig bestätigt der Bayer unsere Informationen, dass Phoenix auf einen vierten Fahrer auf dem Audi verzichten wird. Auf den weiteren werksunterstützten Audi R8 sitzen jeweils vier Piloten.

Phoenix-Audi ist amtierender Sieger beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Audi
Phoenix-Audi ist amtierender Sieger beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Audi

Phoenix-Teamchef Moser: "Gesamtsieg realistisch gesehen schwierig"

Der ultra-erfahrene Teamchef Ernst Moser geht realistisch an das Projekt heran und sagt zu Motorsport-Magazin.com: "Unser Ziel ist, mit den Audi-Legenden für eine große Überraschung zu sorgen, was in dem sehr kompetitiven Starterfeld sicher keine Selbstverständlichkeit ist. Von der Grundschnelligkeit sind die Drei nämlich etwas hinten dran, was vor allem damit zu tun hat, dass sie aktuell nicht in GT3-Programmen involviert sind. Aber wegen ihrer Erfahrung und Routine können wir wohl auf ein gutes Resultat hoffen."

Lokalmatador Phoenix, seit diesem Jahr offiziell als Audi Sport Team Scherer PHX am Start, ist mit sechs Gesamtsiegen hinter Manthey (7 Siege) die zweiterfolgreichste Mannschaft bei dem legendären Langstreckenklassiker in der Eifel. Der Rennstall aus Meuspath schaffte dieses Kunststück sogar mit drei unterschiedlichen Herstellern: Porsche (2000), Opel (2003) und Audi (2012, 2014, 2019, 2022).

Folgt dieses Jahr im Mai Gesamtsieg Nummer 7 ausgerechnet mit den Herren Scheider, Rockenfeller und Tomczyk? Moser ehrlich: "Das wird realistisch gesehen schwierig. Eine Top-5-Platzierung wäre aus meiner Sicht ein Traumergebnis!"

Phoenix-Gesamtsiege beim 24h-Rennen Nürburgring

JahrFahrerAuto
2000Uwe Alzen/Altfrid Heger/Michael BartelsPorsche 996 GT3-R
2003Manuel Reuter/Timo Scheider/Marcel Tiemann/Volker StrycekOpel Astra V8 Coupé
2012Marc Basseng/Christopher Haase/Frank Stippler/Markus WinkelhockAudi R8 LMS ultra
2014Christopher Haase/Markus Winkelhock/Christian Mamerow/Rene RastAudi R8 LMS ultra
2019Pierre Kaffer/Frank Stippler/Dries Vanthoor/Frederic VervischAudi R8 LMS GT3
2022Kelvin van der Linde/Dries Vanthoor/Frederic Vervisch/Robin FrijnsAudi R8 LMS GT3

Welche Rolle anfangs Timo Glock spielte

Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com hatte Audi Ende letzten Jahres mit einem 'Legenden-Auto' fürs 24-Stunden-Rennen geliebäugelt, dabei spielten auch Namen wie Audi-Dakar-Pilot und Ex-DTM-Champion Mattias Ekström sowie der neunmalige Le-Mans-Sieger Tom Kristensen eine Rolle. Ein möglicher Start kam nach Absagen der beiden früheren Audi-Champions allerdings nicht zustande.

Zudem ist erstaunlich, dass die Namen der beiden erfolgreichsten Audi-Piloten beim Eifelmarathon bisher nicht auf einem der bereits feststehenden R8 LMS genannt sind. Markus Winkelhock triumphierte als einziger Audianer dreimal - mit Phoenix 2012 und 2014 sowie mit Land 2017. Stippler, der schon seit vielen Jahren für Phoenix bei VLN- und NLS-Läufen erfolgreich im Einsatz ist, gewann mit der Mannschaft von Ernst Moser das Heimspiel am Ring in den Jahren 2012 und 2019. Nicht ausgeschlossen, dass die beiden Audi-Urgesteine noch in privat eingesetzten Audis eine Rolle spielen...

Unterdessen hatten Scheider und Rockenfeller schon länger geplant, gemeinsam bei einem spannenden Rennen antreten zu wollen. Dabei spielte auch der langjährige Formel-1- und DTM-Fahrer Timo Glock eine Rolle, der Ende 2022 nach zehn Jahren von BMW eher emotionslos vor die Tür gesetzt wurde.

"Wir hatten für dieses Jahr ein Projekt angedacht, wo auch das 24-Stunden-Rennen ein Thema war mit der Kombo aus Timo, Mike und mir", verriet Glock im Auto-Motor-und-Sport-Format 'Menzel trifft...' mit Nürburgring-Ikone Christian Menzel. "Es ist schade, dass man keine Unterstützer für so ein Projekt finden kann. Wir haben uns mit drei großen Namen schwergetan, Budget, ein Team oder einen Hersteller zu finden. Ich musste dann irgendwann mal da raus, weil ich meine F1-Rennen (als Sky-Experte; d. Red.) planen musste. Und da ich die (Nordschleifen-) Permit nicht habe, hat es zeitlich nicht funktioniert."

DTM-Champions 2013: Ernst Moser und Mike Rockenfeller, Foto: Audi
DTM-Champions 2013: Ernst Moser und Mike Rockenfeller, Foto: Audi

Stehlen Scheider/Rockenfeller/Tomczyk allen die Show?

Auch ohne Glock und stattdessen mit dem heutigen Abt-Motorsportdirektor Tomczyk, dessen neuer Arbeitgeber mit einem Lamborghini Huracan GT3 ebenfalls um den Sieg auf dem Nürburgring kämpfen will, kann sich der spezielle Phoenix-Audi großer Aufmerksamkeit sicher sein. Wie zu hören ist, sollen die drei verdienten und über Jahrzehnte hinweg erfolgreichen Fahrer für diesen besonderen Anlass von Audi auch ordentlich entlohnt werden...

Aber: Muss Audi keine Sorgen haben, dass Scheider/Rockenfeller/Tomczyk dem Rest des Ingolstädter/Neuburger-Aufgebots die Show in der Eifel stehlen werden? Motorsportchef Michl bleibt gelassen: "Wir haben bei allen unseren vier strategischen Einsatzfahrzeugen jeweils ein tolles Fahreraufgebot. Die Fans können sich somit auf actionreichen Motorsport freuen. Die Show gestalten also alle unsere Einsatzteams mit ihren Fahrer-Crews."

DTM-Statistik: Scheider, Rockenfeller und Tomczyk

StatistikTimo ScheiderMike RockenfellerMartin Tomczyk
DTM-Rennen181 bis 2016207 bis 2021177 bis 2016
Siege767
Podestplätze243628
Pole Positions1168
Punkte5181151492
Meisterschaften2008, 200920132011