Hersteller, Teams, Piloten und vor allem tausende Fans rund um die legendäre Nordschleife beschäftigt ein Thema: Wer hat beim Kampf um den Gesamtsieg beim 24h-Rennen Nürburgring 2023 die Nase vorn?

Fakt ist: Es gibt, und das zeigt auch unsere Umfrage, nicht nur einen Hersteller oder ein Team und schon gar keine Fahrer, auf den/die Befragten tippen. Die große Unbekannte lässt sich auch nicht durch einen Blick in die berühmte Glaskugel ermitteln. Ein möglicher Trend ist offensichtlich kaum abseh- oder erkennbar. Trotzdem wird BMW M Motorsport hoch gehandelt.

Dennoch wollen wir anhand von Fakten wagen, einen möglichen Kandidaten zu nennen, der die größten Aussichten auf den Gesamtsieg bei der 51. Auflage des berühmten Langstreckenklassikers hat. Dabei haben wir u. a. auch das neue Jahrtausend und die damit verbundene GT3-Ära zu Grunde gelegt.

Nürburgring 24h: Zwei Teams stechen heraus

Von den 23 Rennen seit 2000 konnten zwei Teams mit insgesamt 13 Gesamtsiegen die eindeutige Vormachtstellung beim Eifel-Marathon eindrucksvoll untermauern: Manthey mit sieben und Phoenix-Racing mit sechs Triumphen haben mit fast zwei Drittel Erfolgen den Löwenanteil an Siegen. Mit Abstand folgt BMW-Schnitzer (drei Gesamtsiege).

Bei den Herstellern/Marken sieht die Bilanz ähnlich aus: Porsche liegt mit insgesamt acht Gesamtsiegen an der Spitze, gefolgt von Audi (6) und BMW (4). Erstaunlich, dass erst danach mit Mercedes-AMG die vierte deutsche Premium-Marke in der Siegerliste mit nur zwei Gesamtsiegen steht.

24h Nürburgring: Siege nach Herstellern

SiegeHerstellerJahre
20BMW1970–1973, 1984–1986, 1989–1992, 1994–1998, 2004, 2005, 2010, 2020
13Porsche1976–1978, 1988, 1993, 2000, 2006–2009, 2011, 2018, 2021
6Audi2012, 2014, 2015, 2017, 2019, 2022
5Ford1979–1982, 1987
3Chrysler1999, 2001, 2002
2Mercedes-AMG2013, 2016
1Opel2003

BMW kommt als großer Favorit zum Nürburgring

Nimmt man die Performance der bisherigen drei NLS-Läufe sowie der beiden 24h-Quali-Rennen als Maßstab, ist BMW M Motorsport der große Favorit auf den Gesamtsieg. Der Autobauer aus München hat alle drei NLS-Rennen, noch dazu mit drei verschiedenen Teams (ROWE, Walkenhorst und RMG mit den Junioren) gewonnen und zudem noch zwei Podiumsplätze erzielt.

Wohl auch deshalb gilt der BMW M4 GT3 für viele Nordschleifen-Kenner als das zu schlagende Auto. Dagegen werden Titelverteidiger Audi, Porsche, Mercedes-AMG und Ferrari (die beiden letztgenannten teilten sich die Siege bei den Qualifikationsrennen) sowie Lamborghini nur Außenseiterchancen eingeräumt. Motorsport-Magazin.com hat die Beteiligten aller sechs Marken zu Wort kommen lassen.

ROWE-BMW: "Kein Podest wäre Enttäuschung"

Hans-Peter Naundorf (Teamchef ROWE Racing, für den letzten BMW-Sieg (2020) in den vergangenen 12 Jahren verantwortlich): "Ich erwarte ein spannendes Rennen mit einer großen Bandbreite an möglichen Siegkandidaten. Es gibt einige sehr gute Teams, die zudem gut besetzt sind. Deshalb ist es schwierig, im Vorfeld eine Prognose abzugeben. Ich gehe aber davon aus, dass ein BMW gewinnt. Letztendlich wird das Team gewinnen, das mit einem fehlerfreien Job durchkommt. Dabei sehe ich die Stärken von BMW. Wir wären enttäuscht, wenn wir nicht um das Podium kämpfen würden. Ich sehe aber auch keine Gründe, warum Audi und Mercedes-AMG nicht vorne dabei sein sollten. Ein Fragezeichen sind für mich die neuen Autos von Porsche und Ferrari."

ROWE-BMW beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Andreas Beil
ROWE-BMW beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Andreas Beil

Manthey-Porsche: "Schätze BMW am stärksten ein"

Olaf Manthey (Teamgründer Manthey Racing und Rekordgewinner mit insgesamt sieben Gesamtsiegen seit 2006 und zuletzt 2021): "Für mich hat BMW recht gute Chancen. Wenn sie keine Fehler machen, schätze ich sie am stärksten ein. Der BMW M4 GT3 ist bekanntermaßen auf den Geraden flott und kommt gut aus den engen Ecken. Auch in mittelschnellen und schnellen Kurven macht das Auto einen starken Eindruck. Ohne Verkehr vor der Nase bin ich überzeugt, dass sie allen anderen davonfahren. Wir dagegen haben mit dem Porsche im Verkehr ein Problem in aerodynamischer Hinsicht. Deshalb traue ich mich nicht zu sagen, dass wir in den Top-5 landen. Es ist aus meiner Sicht viel schwieriger geworden, das Rennen zu gewinnen als in der Zeit, in der wir die sieben Gesamtsiege gefeiert haben. Viele Hersteller und Teams wissen inzwischen, wo der Hase langläuft."

Manthey-Porsche beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Gruppe C Photography
Manthey-Porsche beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Gruppe C Photography

Scherer/Phoenix-Audi: "Bis zum Schluss um Sieg mitfahren"

Ernst Moser (Teamchef Scherer Sport PHX und mit Phoenix Racing sechsmaliger Gesamtsieger mit Porsche, Opel und Audi sowie Titelverteidiger): Für den 62-Jährigen, der Motorsport-Magazin.com in einem Exklusiv-Interview seinen Rücktritt in seiner aktuellen Funktion zum Jahresende offiziell bestätigte, gibt es keinen klaren Favoriten. "Wir haben ein gutes Paket und viel Erfahrung. Wenn wir keine Fehler machen, glaube ich, dass wir bis zum Schluss um den Sieg mitfahren können. Das können viele andere aber auch, und 24-Stunden-Rennen sind immer eine spezielle Angelegenheit. Ich war in den vergangenen Jahren nicht immer ganz happy mit der BoP, aber irgendwann bekommt man es auch zusammen. Alle liegen vermutlich ziemlich eng beisammen."

Wunschvorstellung ist und bleibt für Moser aber die Titelverteidigung: "Wenn man mit der Startnummer 1 startet, ist das Ziel natürlich, diese zu verteidigen. Unsere Voraussetzungen dafür sind gut, ebenso unsere guten Fahrer-Line-ups. Wir haben uns in den letzten Wochen ausgiebig auf dieses Highlight vorbereitet und können es kaum erwarten, dass es endlich losgeht." Ziel sei es, mit allen vier Autos ins Ziel zu kommen und dabei nur wenige Fehler zu machen. "Dann können wir das Optimum erreichen."

Scherer Sport PHX-Audi beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Ferdi Kräling Motorsport-Bild GmbH/Audi
Scherer Sport PHX-Audi beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Ferdi Kräling Motorsport-Bild GmbH/Audi

GetSpeed-Mercedes: "Audi ist Favorit Nummer 1"

Adam Osieka (Teamchef GetSpeed-Mercedes-AMG, der nach P3 beim 24h-Rennen 2021 mit P2 und P3 im Vorjahr den größten Triumph der Teamgeschichte feierte und heuer beim zehnjährigen Firmenjubiläum seiner Mannschaft aus dem Gewerbepark am Nürburgring den ganz großen Coup landen möchte): "Für mich ist Audi Favorit Nummer 1, aber man darf BMW nicht unterschätzen. Ferrari und Lamborghini sind für mich Außenseiter. Wir wissen nicht, wo wir stehen." Man stünde vor einer großen Herausforderung: "Der stellen wir uns und dabei hoffe ich zumindest auf ein Podium. Natürlich wäre es zu unserem Jubiläum perfekt, besser abzuschneiden als 2022."

GetSpeed-Mercedes beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Mercedes-Benz
GetSpeed-Mercedes beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Mercedes-Benz

Abt-Lamborghini: "Grüne Hölle sucht sich Sieger aus"

Thomas Biermaier (ABT-CEO und Teamchef des Lamborghini Huracan GT3 EVO2), der mit seiner erfolgreichen Mannschaft vor dem zehnten Auftritt bei dem Langstreckenklassiker in der Eifel steht. Beste Ergebnisse waren zwei zweite Plätze bei den Rennen 2003 und 2009. Erstmals war ABT 2009 mit einem innovativen und von Erdgas angetriebenen Audi A4 quattro und zuletzt 2017 auf der Nordschleife des Nürburgrings am Start.

Biermaier: "Ich werde mich auf kein gesamtsiegfähiges Paket festlegen. Jede Marke hat dafür mindestens ein Auto. Am Ende des Tages sucht sich die Grüne Hölle den 'richtigen' Sieger aus. Dazu gehört vor allem viel Glück. Unsere Tests bei der NLS und bei den Qualifiers waren positiv. Aber wir wissen natürlich genau, wie unberechenbar ein 24-Stunden-Rennen auf dieser weltweit einmaligen Strecke sein kann - noch dazu, wenn man nur mit einem Auto an den Start geht. Wir haben uns bestmöglich vorbereitet, sind top motiviert und wollen bei unserem Debüt mit dem Lamborghini ein erstes Ausrufezeichen setzen."

Abt-Lamborghini beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Jan Brucke/VLN
Abt-Lamborghini beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Jan Brucke/VLN

Frikadelli-Ferrari: "BoP spielt uns nicht in die Karten"

Klaus Abbelen: (Teamchef des Frikadelli-Ferrari 296 GT3, der mit dem Sieg seines Teams bei den 24h Qualifiers für den weltweit ersten Gesamtsieg des neuen Ferrari gesorgt und sich damit einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert hat). Abbelen wollte sich auch im Hinblick auf Veränderungen in der Ballance of Performance nicht zur Performance der Konkurrenz äußern, stellte aber unmissverständlich und verärgert fest: "Was uns leider nicht in die Karten spielt, ist, dass die BoP erneut zu unseren Ungunsten geändert wurde. Ob wir mit dieser Einstufung gegenüber den anderen Herstellern noch konkurrenzfähig sein werden, wird sich zeigen."

Nachdem man zu Beginn bei der Entwicklungsarbeit mit dem neuen Ferrari noch mit Problemen und Kinderkrankheiten zu kämpfen hatte, seien inzwischen die meisten Dinge in Zusammenarbeit mit Rinaldi Racing erfolgreich aussortiert worden. "Wir möchten ohne Zwischenfälle und Strafen über die Distanz kommen und versuchen, ein gutes Ergebnis zu erzielen." Das bisher beste Resultat beim Eifelklassiker stammt aus dem Jahre 2008, als Sabine Schmitz, Klaus Abbelen, Kenneth Heyer und Dr. Edgar Althoff mit einem Porsche 997 GT3 Cup auf den dritten Gesamtrang fuhren.

Frikadelli-Ferrari beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Gruppe C Photography
Frikadelli-Ferrari beim 24h-Rennen Nürburgring, Foto: Gruppe C Photography

Alles bereit für den 21. Nürburgring-Sieg von BMW?

Fazit: Rekordsieger BMW M Motorsport hat demnach wohl die besten Aussichten auf den 21. Gesamtsieg seit 1970. Dahinter sind Audi, Mercedes-AMG und Porsche erste Anwärter, sollte BMW wie im vergangenen Jahr vorzeitig aus dem Rennen sein. Als Außenseiter gehen wohl Ferrari und Lamborghini ins Rennen zweimal rund um die Uhr.

24h Nürburgring: Alle Sieger seit 2000

JahrTeam AutoFahrer
2000Team PhoenixPorsche 996 GT3-RMayländer/Bartels/Alzen/Heger
2001ZakspeedChrysler Viper GTS-RZakowski/Lamy/Bartels
2002ZakspeedChrysler Viper GTS-RZakowski/Lamy/Lechner
2003Phoenix-OpelOpel Astra V8 CoupéReuter/Scheider/Tiemann/Strycek
2004Schnitzer MotorsportBMW M3 GTRMüller/Müller/Stuck/Lamy
2005Schnitzer MotorsportBMW M3 GTRLamy/Said/Huisman/Priaulx
2006Manthey RacingPorsche 996 GT3-MRLuhr/Bernhard/Rockenfeller/Tiemann
2007Manthey RacingPorsche 997 GT3 RSRLieb/Bernhard/Dumas/Tiemann
2008Manthey RacingPorsche 997 GT3 RSRLieb/Bernhard/Dumas/Tiemann
2009Manthey RacingPorsche 997 GT3 RSRLieb/Bernhard/Dumas/Tiemann
2010Schnitzer MotorsportBMW M3 GT2Müller/Farfus/Alzen/Lamy
2011Manthey RacingPorsche 997 GT3 RSRLieb/Bernhard/Dumas/Luhr
2012Team PhoenixAudi R8 LMS ultraBasseng/Haase/Stippler/Winkelhock
2013Black FalconMercedes-Benz SLS AMG GT3Schneider/Bleekemolen/Edwards/Thiim
2014Team PhoenixAudi R8 LMS ultraHaase/Winkelhock/Mamerow/Rast
2015Audi Sport Team WRTAudi R8 LMSMies/Sandström/Müller/L. Vanthoor
2016Black FalconMercedes-AMG GT3Schneider/Engel/Christodoulou/Metzger
2017Land MotorsportAudi R8 LMS (2016)Mies/De Phillippi/Winkelhock/K. van der Linde
2018Manthey RacingPorsche 911 GT3 RLietz/Pilet/Makowiecki/Tandy
2019Team PhoenixAudi R8 LMSKaffer/Stippler/D. Vanthoor/Vervisch
2020Rowe RacingBMW M6 GT3Catsburg/Sims/Yelloly
2021Manthey-RacingPorsche 911 GT3 RCairoli/Christensen/Estre
2022Team PhoenixAudi R8 LMS GT3K. van der Linde/D. Vanthoor/Vervisch/ Frijns