Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda macht sich spätestens seit dem Doppelsieg von Ferrari in Monaco - dem ersten Podium ohne Silberpfeil-Beteiligung seit Spanien 2016 - gewaltige Sorgen um die WM-Chancen seines Teams. Denn: Hatte Mercedes vor einem Jahr in Barcelona noch durch einen teaminternen Crash einen mutmaßlich dominanten Doppelsieg verschenkt, reichte diesmal, in Monte Carlo, ganz einfach die Performance nicht.

Fahrer-WM: Stand nach 6 von 20 Rennen

Pos.FahrerPunkte
1.Sebastian Vettel129
2.Lewis Hamilton104
3.Valtteri Bottas75
4.Kimi Räikkönen67

So dramatisch sieht Niki Lauda die WM-Lage

"Am Montag war ich einmal grantig", erinnert sich Lauda im Interview mit der 'Kronen-Zeitung' an seinen nur langsam verdampfenden Ärger. "Dann habe ich mich entladen - und jetzt müssen wir in puncto Reifenfenster zu Lösungen finden", fordert Lauda hinsichtlich Mercedes' latenten Problems anno 2017.

Doch scheint für den Österreichen inzwischen selbst eine klare Lösung dieser eklatanten Schwäche, gerade im Vergleich mit Ferrari, nicht mehr ausreichend. Hintergrund: Durch seinen dritten Saisonsieg in Monaco und einem schwachen Ergebnis für Lewis Hamilton (P7) ist Sebastian Vettels WM-Vorsprung auf den Briten auf satte 25 Punkte gewachsen. Das entspricht genau einem Sieg bei Ausfall des Kontrahenten, um gleichzuziehen.

Angesichts der strammen Ferrari-Pace sieht Lauda einen Ausfall Vettels bereits jetzt - nach sechs Saisonläufen - deshalb bereits als letzte Chance für Hamilton. "Eines ist auch klar: Vettel muss schon einmal ausfallen, sonst ist es vorbei - die Roten sind in einem echten Flow. Wenn der so weitergeht, wird der Rückstand gewaltig - alarmierend!", warnt Lauda.

Vettel: 14 Rennen noch ein langer Weg

Vettel selbst gibt sich angesichts solcher Ansagen überrascht. Auf die Punkte schaue er noch nicht, so Vettel unmittelbar nach Rennende. "Bis zu Sommerpause", versichert Vettel. Andauernd nur auf den WM-Stand zu schauen trübe zudem doch nur den Spaß am Rennfahren.

Aber 25 Punkte - das ist zu diesem Zeitpunkt doch schon eine Hausnummer, oder? "Schön, aber wir haben noch 14 Rennen. Ich freue mich jetzt über dieses Hammer-Rennen, das dauert auch noch ein bisschen, bis es sackt", wiegelt Vettel während der traditionellen Fürsten-Gala im Grimaldi-Palast nach dem Sieg in Monte Carlo ab.

Hamilton: Kann mir nichts mehr leisten

WM-Rivale Lewis Hamilton indessen bestätigt die zweigeteilten Aussagen Laudas. Mercedes müsse sich nicht nur selbst verbessern, sondern Ferrari müsse gleichzeitig in Turbulenzen geraten. "Natürlich kann ich mir nicht noch so ein Wochenende leisten", sagt Hamilton. Und warnt: "Weil man sich etwas nicht leisten kann, heißt das nicht, dass es nicht passieren wird."

Die Ferrari seien extrem schnell - und das konstant, anders als Mercedes. "Die nächsten 14 Rennen werden sehr schwierig", fürchtet Hamilton. Toto Wolf versucht Hamilton angesichts dieser düsteren Prognose Mut zuzusprechen. "Ich weiß nicht, ob noch mehr schwere Wochenenden für uns kommen oder nicht. Normalerweise wird es mit dem Verlauf der Saison besser", sagt der Mercedes-Motorsportchef. So wirklich überzeugt klingt anders.

Damit nicht genug: Noch dazu steht für Hamilton seit Monaco fest, dass sich Ferrari auf Vettel als klare Nummer eins festgelegt habe. Das mach die Aufgabe nur noch schwieriger. "Aber ich glaube weiter daran, dass wir das Ding gewinnen können. 25 Punkte sind aber eine Menge, das ist schon schwer. Aber wir werden versuchen, Schritt für Schritt aufzuholen", sagt Hamilton. "Auch Ferrari ist ja nicht kugelsicher. Und vielleicht kommt bei denen was mit all den Turbos, die sie schon gebraucht haben oder noch brauchen werden."

Vettel-Sieg durch Ferrari-Teamorder? (05:02 Min.)

Wolff: Mercedes jetzt Underdog

Dennoch: Für keinen geringen Teil des Paddocks gilt Mercedes wegen der - vor allem konstanten - Ferrari-Stärke mit beiden Autos inzwischen als Underdog. Für Wolff zumindest in einer Hinsicht erfreulich: "Ich mag diese Beschreibung als Underdog. Weil der Underdog der ist, den die Leute gern siegen sehen." Sogar Wolff selbst sieht die Silberpfeile aktuell klar in dieser Rolle. "Fakt ist, dass wir das seit Saisonbeginn sind", stellt Wolff klar.

Doch woran hapert es bei den drei Jahre lang so erfolgsverwöhnten Mercedes-Mannen? "Wir waren im Reifenfenster und dann mal wieder nicht. Wir hatten nie beide Autos über ein ganzes Wochenende hinweg in diesem Fenster. Wir haben von Valtteri eine außergewöhnliche Performance in Sochi gesehen, genauso von Lewis in Barcelona. Diese Inkonstanz verfolgt uns die gesamte Saison", erklärt Wolff. "Auf der anderen Seite: Ferrari ist mit dem Auto nach Barcelona gekommen und war von Beginn an schnell. Also ja, wir sind der Underdog. Wir müssen aufholen. Das ist die Realität im Moment."

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