Beim Saisonauftakt 2017 werden in Melbourne einige Augen auf Williams gerichtet sein. Nicht unbedingt, weil im britischen Traditionsrennstall der große Herausforderer von Mercedes gesehen wird. Eher aufgrund des Neuzugangs Lance Stroll. Der gerade einmal 18-jährige Youngster wird an der Seite vom erfahrenen Valtteri Bottas nur bedingt Welpenschutz genießen, denn Williams' Ziele für die kommende Saison sind hoch gesteckt. Dafür muss auch der Rookie abliefern.
Tipp: Motorsport-Magazin.com werbefrei für 4,50 EUR p.M.
"Er wird viele Punkte holen müssen", so die Zielvorgabe von Claire Williams für ihre kanadische Nachwuchshoffnung. Die Aufgabe für 2017 ist keine geringere, als die Revanche an Force India und bestenfalls ein Angriff auf die Top-Teams. "Die Konstrukteurs-WM ist wirklich wichtig für uns und dafür brauchen wir zwei starke Fahrer in unseren Autos", fügt sie an. Würde Stroll den Anforderungen des Teams nicht gerecht werden, hätte es sich nicht für ihn entschieden: "Nach Felipes Rücktritt hatten wir mehrere Optionen. Aber Lance war Teil unseres Entwicklungsprogramms und er hat absolut bewiesen, dass er die Voraussetzungen mitbringt, um nächstes Jahr Formel 1 zu fahren."
Angesichts eines Rookies wie Stroll sind viele Beobachter skeptisch, ob Williams für seine Ziele wirklich den richtigen Piloten ausgewählt hat. Vor allem der Ruf eines Paydrivers wiegt schwer auf den Schultern des Milliardärs-Sohnes. Doch Technikdirektor Pat Symonds bekräftigte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters, dass das Team angesichts der Leistungen in der Formel 3 an seinen fahrerischen Fähigkeiten nicht die geringsten Zweifel hat. "Er ist starke Rennen gefahren. Er hat geführt, er ist durchs Feld gepflügt und er ist im Regen stark gefahren. Er ist der 'Real Deal'."
Symonds rechnet trotzdem mit Kleinholz
Diese Aussagen klingen nicht gerade nach wenig Druck für den Williams-Frischling. Doch das Team will seinem Neuzugang natürlich auch das richtige Umfeld bieten, das er braucht, um sich in der Formel 1 zurechtzufinden. "Wie bei jedem Rookie, der in den Sport kommt, müssen wir mit ihm zu Beginn etwas nachsichtig sein", so Claire Williams. Und dazu gehört natürlich auch, dass er hin und wieder über das Limit hinausschießen darf, wie Symonds klarstellt: "Natürlich wird er Fehler machen und wir werden seine Autos reparieren. Das ist Teil dieses Prozesses", so der Brite.
Stroll hatte auch in den Nachwuchsserien zu Beginn kleine Eingewöhnungsprobleme, bevor er sich zu einem Sieg-Fahrer und Titelanwärter mauserte. Eine ähnliche Lernphase erwartet Symonds auch in der Königsklasse: "Wenn wir uns seine Formel-3-Karriere anschauen, hatte er da 2015 einige Unfälle. Der Crash in Monza war wirklich heftig."
Die Schonfrist für Stroll soll gemäß den Erwartungen des Teams allerdings nicht allzu lange andauern. Bei Williams wird mit einer steilen Lernkurve des Talents gerechnet. "Er ist extrem intelligent und lernt sehr schnell. Das haben wir bei der Zusammenarbeit mit ihm erkannt", so Williams. In Anbetracht des siebenmonatigen Testprogramms, das Stroll hinter dem Steuer eines 2014er Williams-Boliden im Rahmen von privaten Trainingstagen absolviert, ist die Erwartungshaltung sicherlich keine große Überraschung.
Stroll bekommt das Komplettpaket
Die umfangreichen Vorbereitungen Strolls erreichen zweifelsohne ein bis dato unerreichtes Ausmaß. Auf den tausenden Testkilometern werden auch andere Aspekte des F1-Handwerks eingehend vermittelt. "Nach jedem Run simulieren wir einen kompletten Boxenstopp. Die Crew braucht das nicht, aber er schon", so Symonds. Dass sich Stroll schnell an das Fahren eines Formel-1-Autos gewöhnen würde, stand für das Team ohnehin nicht in Frage. "Er hat seine Meisterschaften mit nichts anderem als jeder Menge Talent und Reife gewonnen", fügt Symonds an.
Neben Abläufen wie Boxenstopps steht deshalb die Zusammenarbeit mit den Ingenieuren im Vordergrund. "Er muss all die Dinge verstehen, über die sich die Ingenieure beschweren, und auch, dass sie recht haben", sagt Symonds. Auch die Anpassung des Fahrstils sowie das Verständnis für das taktische Fahren in der Formel 1 sollen Stroll bei den Testfahrten mit auf den Weg gegeben werden: "Er soll rausfahren, einen Reifensatz vernichten und dann erkennen: Verdammt, ich kann nicht immer Vollgas fahren."
Auf die Einsatzreifen von Pirelli kann er dabei allerdings nicht zurückgreifen, da bei den Privat-Tests nur sogenannte 'Academy Tyres' benutzt werden dürfen. "Diese Reifen sind schon etwas anders. Aber wir wissen nicht, wie sehr sie sich unterscheiden und wir haben auch keine Daten von ihnen", so Symonds. Für Stroll wird es also trotz umfangreicher Vorbereitung noch einiges zu lernen geben, wenn es am letzten März-Wochenende 2017 in Melbourne ernst wird.
diese Formel 1 Nachricht