Der große Showdown um die Formel-1-Weltmeisterschaft 2016 steht unweigerlich bevor. Zwischen Titelverteidiger Lewis Hamilton und WM-Leader Nico Rosberg wird beim 21. und letzten Saisonrennen in Abu Dhabi endgültig entschieden, wer in den Geschichtsbüchern seinen Namen hinter das Jahr 2016 schreiben darf. Im Schatten des WM-Kampfes sind jedoch auch die Nebenschauplätze nicht zu verachten. Mit Jenson Button und Felipe Massa verabschieden sich zwei große Namen aus der Königsklasse. Und bei den Hinterbänklern will Manor die Revanche gegen Sauber. Das sind die sieben Brennpunkte für den Grand Prix von Abu Dhabi.

Brennpunkt #01: Rosberg will WM-Titel mit Ansage

Rosberg will den WM-Titel mit einem Sieg in Abu Dhabi feiern, Foto: Sutton
Rosberg will den WM-Titel mit einem Sieg in Abu Dhabi feiern, Foto: Sutton

Nico Rosberg geht mit 12 Punkten Vorsprung auf Lewis Hamilton in das WM-Finale. Bei den letzten drei Rennen musste er sich allerdings hinter dem Teamkollegen anstellen, wobei er unter dem Strich 21 Zähler einbüßte. Im letzten Saisonrennen reicht ihm mit seinem derzeitigen Vorsprung jedoch ein dritter Platz zum Titelgewinn, sofern Hamilton erneut siegreich ist. Darauf ankommen lassen will es Rosberg aber nicht, zumal ein Rennsieg sicherlich die schönste Art und Weise wäre, den großen Traum vom WM-Titel zu erfüllen: "Ich werde alles geben, um die Saison mit einem Sieg abzuschließen."

Ein Ansatz, mit dem Rosberg schon in Brasilien die WM gewinnen wollte. Den verpassten Sieg in Interlagos nahm der WM-Leader jedoch gelassen. "In Brasilien fiel das Ergebnis offensichtlich nicht wie gewünscht aus. Aber Lewis hat großartige Arbeit abgeliefert und der zweite Platz war letztlich keine Katastrophe für mich", so Rosberg, bei dem angesichts seines Punktevorsprungs ohnehin die Vorfreude zu überwiegen scheint: "Es ist ein großartiges Gefühl, im dritten Jahr in Folge gegen Lewis um die Weltmeisterschaft zu kämpfen."

Rosberg rechnet sich aufgrund seiner Historie in Abu Dhabi zudem wieder gute Chancen aus, Hamilton auf dem Yas Marina Circuit Paroli bieten zu können. "Ich habe fantastische Erinnerungen an meinen Sieg auf dieser Strecke im vergangenen Jahr und ich war dort in der Vergangenheit für gewöhnlich stark", sagt der 31-Jährige, der gleichzeitigt beteuert, sich auch beim Finale nicht von Gedanken an den Titel ablenken lassen zu wollen: "Ich muss das Rennen wie jedes andere behandeln."

Brennpunkt #02: Hamilton muss auf Pech beim Gegner hoffen

Lewis Hamiltons Chancen auf den WM-Titel 2016 halten sich trotz neun Siegen in Grenzen, Foto: Sutton
Lewis Hamiltons Chancen auf den WM-Titel 2016 halten sich trotz neun Siegen in Grenzen, Foto: Sutton

Lewis Hamiltons Chancen, den WM-Titel 2016 doch noch aus eigener Kraft zu gewinnen, stehen gen null. Selbst ein Sieg würde dem Briten nicht reichen, sofern Rosberg es hinter ihm auf das Podium schafft. "Es war keine perfekte Saison und es scheint an diesem Wochenende schier unmöglich zu sein, egal was ich tue", will sich der Titelverteidiger, der seit seinem Motorschaden in Malaysia einem Punkterückstand hinterherläuft, keinerlei Illusionen hingeben. Rosberg das Feld zu überlassen, ist für ihn jedoch keine Option: "Ich kann und werde nicht aufgeben."

Gerade das Negativ-Erlebnis aus Sepang ist es, woraus Hamilton den kleinen Funken Hoffnung schöpft, der ihm entgegen aller Erwartungen doch noch die vierte Weltmeisterschaft bringen könnte. "Man weiß nie, was passiert - egal, wie unmöglich es auch erscheinen mag", so der Brite. Da ihm angesichts des Punkterückstandes im Titelkampf ohnehin keine Alternativen bleiben, will er in Abu Dhabi an die vergangenen Rennen anknüpfen und dem Saisonfinale seinen Stempel aufdrücken: "Ich möchte gewinnen und werde mein Bestes geben, um die Saison mit einem Erfolgserlebnis abzuschließen."

Hamilton hatte im Laufe der Saison bereits mehrfach Gelegenheit, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, den WM-Titel nicht verteidigen zu können. Für den 31-Jährigen zählt deshalb nur noch, dass er sich im Falle einer Niederlage nichts vorwerfen muss: "Ich werde auf mich und meine Leistung stolz sein, so lange ich das Gefühl habe, dass ich alles gegeben habe. Egal, wie es auch kommen mag, ich bin stolz auf jeden Einzelnen, der Teil unserer Erfolge über die letzten Jahre gewesen ist."

Brennpunkt #03: Mercedes' Angst vor dem Damoklesschwert

Die Zuverlässigkeit bei Mercedes ließ in der Saison 2016 hin und wieder zu wünschen übrig. Die Angst davor, dass es beim Finale einen der beiden Kontrahenten erneut treffen könnte, ist in der Mercedes-Chefetage groß. "Unser Hauptziel ist es, dass die WM in einem fairen Kampf auf der Strecke entschieden wird", so Technik-Direktor Paddy Lowe, der gleichzeitig auch auf die positive Gesamtstatistik der Saison hinweist: "Obwohl es im Verlauf der Saison hin und wieder Probleme gab, war 2016 mit Blick auf die Zuverlässigkeit tatsächlich das stärkste Jahr in der Geschichte des Teams."

Hamilton wird wohl aufgrund des Malaysia-Ausfalls oder auch schon länger das Gefühl mit sich herumtragen, dass die Technik 2016 das Zünglein an der Waage war. Auf der anderen Seite würde bei einem technisch bedingten Ausfall im Saisonfinale, egal für welchen der Silberpfeil-Piloten, eine weitaus größere Tragik mitschwingen. Dementsprechend sieht auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff das Team in der Pflicht: "Gemeinsam müssen wir nun noch eine letzte sehr wichtige Pflicht in dieser Saison erfüllen: Wir müssen Nico und Lewis die Basis geben, um ihren Kampf bis zur Zielflagge untereinander auszufechten."

Vor allem Rosberg wird hoffen, dass ihm seine Power Unit auch im 21. und letzten Rennen des Jahres, wenn es wirklich darauf ankommt, die Treue halten wird. Für Hamilton hingegen ist ein Defekt an Rosbergs Boliden wahrscheinlich der letzte Strohhalm, der ihm noch bleibt: "Oft kannst du nicht 100 Prozent Zuverlässigkeit haben. Ob das jetzt bei Nico der Fall sein wird? Das sehen wir dann", so der Brite vor wenigen Wochen.

Brennpunkt #04: Bye-bye Baby!

Beim Saisonfinale 2016 wird neben der Spannung im WM-Duell vor allem eines herrschen: Abschieds-Stimmung. Im Rahmen des Italien-GP hatte zunächst Felipe Massa seinen Abschied aus der Formel 1 angekündigt. Für den Brasilianer in Williams-Diensten wird Abu Dhabi 2016 der letzte und 250. Grand-Prix-Start sein. "Es wird noch einmal sehr emotional werden. Ich hoffe wirklich, dass das letzte Rennen meiner F1-Karriere fantastisch wird. Und wir feiern natürlich eine große Party", so Massa, der bereits in Interlagos einen tränenreichen Abschied von seinem Heimpublikum nahm.

Mit Jenson Button wird auch der dienstälteste Pilot im Fahrerfeld in Abu Dhabi vorerst seinen Hut nehmen. "Es wird ein unglaublich emotionales Wochenende. Dieses Rennen markiert den krönenden Abschluss von unglaublich viel harter Arbeit, Hingabe und Leidenschaft für den Sport, den ich so liebe", sagt Button, der am Wochenende den 305. Start seiner F1-Laufbahn absolviert. Im Gegensatz zu Massa wird er allerdings weiterhin für seinen Arbeitgeber McLaren tätig sein, womit er sich zumindest eine Hintertür für ein Formel-1-Comback offenhalten möchte.

Ein Abschied von nicht ganz so großer Tragweite wird auch bei Force India gefeiert. Die Mannschaft rund um Teamchef Vijay Mallya hat den vierten Rang bei den Konstrukteuren so gut wie in der Tasche und deshalb die nötige Ruhe, sich beim Finale von Nico Hülkenberg zu verabschieden. "Es wird emotional, ein allerletztes Mal mit meiner Crew und den ganzen anderen Team-Mitgliedern zu arbeiten", so Hülkenberg, der das Team nach vier gemeinsamen Jahren verlässt, um bei Renault sein neues Glück zu finden.

Brennpunkt #05: Letzte Ausfahrt für Ferrari

Räikkönens Unfall in Brasilien war sinnbildlich für Ferraris Saison 2016, Foto: Sutton
Räikkönens Unfall in Brasilien war sinnbildlich für Ferraris Saison 2016, Foto: Sutton

Ferraris Seuchen-Saison 2016 neigt sich ihrem Ende. Selbst beim Chaos-Rennen in Brasilien schaffte es die Scuderia nicht, von den widrigen Bedingungen zu profitieren und sich noch einen Sieg für die Statistik unter den Nagel zu reißen. In Sachen Konstrukteurs-WM ist der Zug auf Platz zwei mit 71 Punkten Rückstand auf Red Bull längst abgefahren. Schon in der Sommerpause hatte Ferrari-Präsident Sergio Marchionne das Ziel ausgegeben, das Jahr mit "Ehre und Anstand" zu beenden. Ob die Vorstellung seines Teams in der zweiten Saisonhälfte seiner Zielsetzung gerecht wurde, darf angezweifelt werden.

Letztendlich wird Abu Dhabi für Ferrari deshalb vor allem eines sein: Die allerletzte Chance auf Wiedergutmachung. Sebastian Vettel ist mit drei Siegen immerhin der statistisch erfolgreichste Fahrer auf dem Yas Marina Circuit. Allerdings fuhr er sämtliche seiner Siege in Diensten von Red Bull ein. Kimi Räikkönen konnte zumindest schon ein Mal in den Emiraten gewinnen - allerdings im Lotus. Ferrari hingegen war bei dem seit 2009 ausgetragenen Grand Prix bisher noch nicht siegreich. Einen besseren Zeitpunkt, um dies zu ändern, könnte es angesichts der momentan herrschenden Krise wohl kaum geben. Es dürfte allerdings eine gehörige Portion Dusel brauche, damit dieses Kunststück am Wochenende gelingt.

Brennpunkt #06: Manor will die Revanche

Sauber hat in Brasilien die zehnte Position von Manor übernommen, Foto: Sutton
Sauber hat in Brasilien die zehnte Position von Manor übernommen, Foto: Sutton

Im Kampf um die rote Laterne hatte Manor seit dem Großen Preis von Österreich vor der Sommerpause die Naser vor Sauber. Der von Pascal Wehrlein auf dem Red Bull Ring eingefahrene WM-Punkt stellte Position zehn bei den Konstrukteuren sowie wichtige Millionen US-Dollar Preisgeld in Aussicht. Felipe Nasr nahm dem britischen Rennstall in Brasilien jedoch alle Hoffnung, als er im Regen von Interlagos mit seinem Sauber auf die neunte Position schwamm.

Wehrlein zeigte sich nach dem Rennen enttäuscht und stellte wenig Hoffnung auf eine Revanche in Aussicht. Die Enttäuschung scheint mittlerweile jedoch verdaut und vor dem finalen Rennwochenende hat er sich offenbar wieder auf seinen alten Kampfgeist besonnen. "Ich denke, wir müssen was unsere Chancen in Abu Dhabi angeht zwar realistisch sein, doch das hält uns nicht davon ab, bis zur Zielflagge zu kämpfen", so der Mercedes-Junior.

Völlig unabhängig davon, ob Manor den zehnten Platz in der Gesamtwertung zurückerobern kann, zeigte sich Teamchef Dave Ryan stolz auf die Leistung seiner Truppe: "Ich bin wirklich stolz auf die Jungs. Das Team hat einen fantastischen Job gemacht. Wir waren nur nach dem letzten Re-Start nicht schnell genug und hätten wohl noch zwei oder drei Runden mehr gebraucht, um sie [Sauber] zu schnappen. Aber das ist Racing und wir werden alles geben, um den Spieß in Abu Dhabi noch einmal umzudrehen."

Brennpunkt #07: Letzte Runde im Fahrerkarussell

Wehrlein und Nasr haben beide noch kein Cockpit für 2017, Foto: Sutton
Wehrlein und Nasr haben beide noch kein Cockpit für 2017, Foto: Sutton

Durch Saubers Vertragsverlängerung mit Marcus Ericsson sind die für 2017 noch verfügbaren Cockpits auf mickrige drei zusammengeschrumpft. Nur der Platz neben Ericsson sowie die beiden Autos von Manor sind noch zu besetzen. Mit Esteban Gutierrez, Felipe Nasr und Pascal Wehrlein gibt es ebenso viele Piloten, die für die kommende Saison noch keinen Vertrag in der Tasche haben. Sie haben in Abu Dhabi das letzte Mal in dieser Saison die Möglichkeit, für sich die Werbetrommel zu rühren. Vor allem für Gutierrez, der als einziger der drei Piloten noch punktelos ist, wäre ein Erfolgserlebnis Balsam auf der geschundenen F1-Fahrer-Seele.

Nasr hatte nach einer enttäuschenden Saison in Interlagos zumindest den Big Point für die Statistiker gelandet, indem er sich mit zwei WM-Punkten in der Gesamtwertung nach vorne fuhr. Wehrlein hat zwar die ganze Saison über schon eine solide Visitenkarte abgegeben, würde das jahr aber sicherlich auch gerne auf einem Hoch beenden. Letztendlich kämpfen die Drei aber nicht nur gegeneinander um die noch verfügbaren Plätze. Ex-Manor-Pilot Rio Haryanto würde 2017 gerne wieder in der Formel 1 starten, und auch Nachwuchspiloten wie Antonio Giovinazzi, der zurzeit in der GP2-Serie auf Titelkurs liegt, schielen auf ein Cockpit in der Königsklasse.