Die Formel-1-Saison 2016 geht mit dem Großen Preis der USA auf dem Circuit of The Americas in den Endspurt. Beim viertletzten Rennen des Jahres muss Weltmeister Lewis Hamilton im WM-Kampf gegen Nico Rosberg um jeden Preis zurückschlagen, um seine Chancen auf eine Titelverteidigung zu wahren. Doch nicht nur im Titelkampf ist es spannend: Während Mercedes in Suzuka die Konstrukteursweltmeisterschaft sicherstellen konnte, geht es dahinter noch eng zu. Red Bull kämpft gegen Ferrari und Force India hat Williams im Nacken. Hinsichtlich der Cockpits für 2017 beginnt für einige Fahrer spätestens jetzt das Zittern um die Zukunft. Das sind die fünf Brennpunkte für den US Grand Prix.

Brennpunkt #01: Hamilton zum Siegen verdammt

Hamilton kann sich in Austin keine weitere Niederlage gegen Rosberg leisten, Foto: Sutton
Hamilton kann sich in Austin keine weitere Niederlage gegen Rosberg leisten, Foto: Sutton

Lewis Hamilton hat in Japan weitere zehn Punkte auf Nico Rosberg eingebüßt. Der durch den Motorschaden in Malaysia entstandene Rückstand ist damit auf 33 Zähler angewachsen. Für den Weltmeister ist es das zweitgrößte Punktedefizit in dieser Saison - nur nach dem Rennen in Barcelona war der Abstand mit 43 Punkten schon einmal größer. Damals brauchte Hamilton sechs Rennen, um Rosberg von der Spitze zu verdrängen. So viel Zeit bleibt dem Titelverteidiger jetzt allerdings nicht mehr.

Hamilton weiß, dass jede weitere Niederlage gegen Rosberg einer Vorentscheidung im WM-Kampf gleichkommt. Dementsprechend klar ist die Zielsetzung für die vier noch ausstehenden Rennen. "Für mich geht es ab sofort darum, an jedem Rennwochenende so hart wie möglich zu kämpfen, alles für den Sieg zu geben und dann abzuwarten, was dabei herauskommt", so Hamilton. "Abwarten was dabei herauskommt" heißt in anderen Worten: Hoffen, dass Rosberg patzt oder vom Pech heimgesucht wird. Denn wenn dies nicht eintritt, werden Hamilton selbst vier Siege nicht zur Titelverteidigung reichen.

Die Kampfansage in Richtung Rosberg fällt daher ziemlich kompromisslos aus: "Ich werde nicht zurückstecken." Etwas, das Hamilton zwar auch in der Vergangenheit nicht getan hat, was aber angesichts der momentanen Situation andere Konsequenzen haben könnte. Ein weiterer Doppelausfall wie in Barcelona wäre ohne Frage der finale Sargnagel in Hamiltons WM-Kampf.

Brennpunkt #02: Austin-Vorteil für Hamilton?

Der Circuit of The Americas war in der Vergangenheit Hamilton-Land, Foto: Mercedes-Benz
Der Circuit of The Americas war in der Vergangenheit Hamilton-Land, Foto: Mercedes-Benz

Hamilton kehrt in Austin an einen Ort zurück, der für ihn in vielerlei Hinsicht gute Erinnerungen birgt. Auf dem Circuit of The Americas war bisher kein Pilot erfolgreicher, als der Brite in Diensten von Mercedes. "Ich habe einige großartige Erinnerungen an Austin. Dort habe ich drei von vier Rennen gewonnen", sagt Hamilton. Vergangenes Jahr stellte der 31-Jährige auch seinen dritten WM-Titel beim Rennen in Texas sicher. Rosberg hingegen konnte in Austin noch nie gewinnen. Doch nicht nur sportlich gesehen fühlt sich Hamilton in den USA pudelwohl.

Seine Zuneigung zu den Vereinigten Staaten und deren Kultur trägt Hamilton seit vielen Jahren in den sozialen Netzwerken nach außen. Ob Rihanna, Pharrell Williams oder Justin Bieber: Hamilton umgibt sich nur zu gerne mit Hollywood-Prominenz und verbringt jede Menge Freizeit auf der anderen Seite vom großen Teich. "Ich liebe das Land, die Kultur, die Menschen und die Strecke. Deshalb kann ich es kaum noch erwarten", so der dreimalige Weltmeister.

Für die Wende im WM-Kampf könnte es für Hamilton also kaum einen besseren Ort geben als die USA, die für ihn "heutzutage wie eine zweite Heimat sind." Ein Gefühl, dass ihm offenbar nicht nur die befreundeten Superstars und seine Erfolge dort geben: "Es ist fast so, als ob die amerikanischen Fans mich als einen der ihren adoptiert hätten. Aus diesem Grund werde ich an diesem Wochenende versuchen, aus ihrer positiven Energie Kraft zu schöpfen."

Brennpunkt #03: Bleibt Rosberg hart?

Eine ganz andere Ausgangslage bietet sich Nico Rosberg auf der anderen Seite der Mercedes-Garage. Theoretisch kann er es sich mit seinem Vorsprung erlauben, einem angekündigt aggressiven Hamilton aus dem Weg zu gehen und somit keine Kollision zu riskieren, bei der er möglicherweise den Kürzeren ziehen könnte. Immerhin hat sich Rosberg mit seiner neuen Härte dieses Jahr schon mehrfach selbst geschadet.

Hamilton spekuliert möglicherweise darauf, den Deutschen in einen Fehler wie in Österreich zu locken. Die Frage wird sein, wie Rosberg in seiner momentanen Situation darauf reagiert. Gerade in Austin dürfte es ihm schwer fallen, im Kampf gegen den Teamkollegen die Vernunft siegen zu lassen. Ein Sieg in Hamiltons zweitem Wohnzimmer wäre moralisch zweifelsohne von großem Wert.

Zudem hat Rosberg nach dem 2015 in Texas verlorenen Titel auf jeden Fall noch eine Rechnung offen, die er nur zu gerne begleichen würde: "Im vergangenen Jahr verlief das Rennen nicht nach meinem Geschmack. Deshalb freue ich mich darauf, dorthin zurückzukommen, und alles dafür zu geben, damit es in diesem Jahr besser läuft."

Brennpunkt #04: Duelle im Verfolgerfeld

Force India will sich vor Williams behaupten, Foto: Sutton
Force India will sich vor Williams behaupten, Foto: Sutton

Mercedes hat den Hersteller-Titel bereits eingetütet und auch die Fahrerweltmeisterschaft ist dem Silberpfeil-Duo reinrechnerisch schon nicht mehr zu nehmen. Dahinter geht es allerdings weiterhin um Prestige und Preisgelder in Millionenhöhe. Ferraris erklärtes Ziel, das Jahr 2016 zumindest als erster Verfolger von Mercedes zu beenden, rückte zuletzt mit jedem Rennwochenende weiter in die Ferne. Glatte 50 Punkte fehlen der Scuderia mittlerweile auf Red Bull.

Beim verregneten USA-Grand-Prix 2015 konnte Vettel sich als Dritter behaupten. Dieses Jahr dürfte es mit dem Podium allerdings schwieriger werden, denn das flüssige Streckenlayout sollte vor allem Erzrivale Red Bull in die Karten spielen. Ferrari geht es allerdings ähnlich wie Hamilton: Der Gegner muss in jedem Fall bezwungen werden, wenn die Chancen in der Meisterschaft am Leben erhalten werden sollen.

Gleich hinter dem Zweikampf dieser Top-Teams balgen sich Force India und Williams um den vierten Gesamtrang bei den Konstrukteuren. Force India liegt momentan zehn Punkte vor Williams - so groß war der Vorsprung noch nie. Force-India-Teamchef Vijay Mallya ermahnt seine Mannschaft dennoch, in dieser entscheidenden Phase weiter am Ball zu bleiben. "In so einer Zeit ist es wichtig, den Fokus beizubehalten. Der Grat zwischen Erfolg und Versagen ist sehr schmal und wir müssen in jedem Bereich voll auf der Höhe sein", so der Inder.

Force India würde eine Wiederholung des Williams-Resultats von 2015 sicherlich in die Karten spielen. Vergangene Saison machte der Circuit of The Americas den Boliden aus Grove so sehr zu schaffen, dass das Team eine Nullnummer zu beklagen hatte. "Die Bodenwellen waren letztes Jahr eine ziemliche Überraschung. Wir hoffen, dass sich dieser Zustand nicht noch verschlimmert hat, denn letztes Jahr führte dies zum Ausfall beider Autos", so Williams-Technikchef Pat Symonds.

Brennpunkt #05: Überlebenskampf im Fahrerkarussell

Für Magnussen und Palmer geht es um die Formel-1-Zukunft, Foto: Sutton
Für Magnussen und Palmer geht es um die Formel-1-Zukunft, Foto: Sutton

Nico Hülkenbergs Vertragsunterzeichnung bei Renault wird vor allem bei Kevin Magnussen und Jolyon Palmer für bleiche Gesichter gesorgt haben. Noch machen sich beide Renault-Fahrer Hoffnung auf eine Zukunft im französischen Werksteam, doch die Chancen dürften sich mit der Bekanntgabe Hülkenbergs zumindest halbiert haben. Jetzt geht es darum, in den ausstehenden Rennen Akzente zu setzen und den bestmöglichen Eindruck zu hinterlassen. Doch nicht nur bei den beiden gelben Wackelkandidaten geht es um die Zukunft.

Auch Daniil Kvyat muss um seine Zukunft im Red-Bull-Kader bangen und dürfte sich deshalb alle Mühe geben, nicht nur seine derzeitigen Arbeitgeber, sondern auch andere Teams in den letzten Rennen der Saison von seinen Fähigkeiten zu überzeugen. Ebenfalls alles andere als sicher dürfte sich Esteban Gutierrez nach seiner bis dato punktelosen Seuchensaison fühlen. Haas hat dem Mexikaner zwar bis zuletzt den Rücken gestärkt, doch auch hinter ihm steht ein dickes Fragezeichen.

Weniger Sorgen um den Verbleib in der Königsklasse müssen sich die Mercedes-Junioren und Manor-Piloten Pascal Wehrlein und Esteban Ocon machen. Allerdings würden sie 2017 sicherlich gerne in einem konkurrenzfähigeren Auto als dem Manor sitzen - und bei Force India und Williams sind durchaus noch lukrative Cockpits zu besetzen. Auch für die Beiden geht es noch darum, auf der Zielgeraden der Saison noch einmal die Werbetrommel für sich zu rühren.

Das bisher punktelose Sauber-Duo Marcus Ericsson und Felipe Nasr hat dank zahlungskräftiger Sponsoren sicherlich weniger Zukunftssorgen als manch anderer. Dennoch würden beide, genau wie die Manor-Piloten, wohl gerne zu einem Team im Mittelfeld upgraden. Derjenige, der es vielleicht schafft, für Sauber die so wertvollen und dringend benötigten ersten Punkte des Jahres einzufahren, dürfte seinen Marktwert gegenüber dem Teamkollegen und damit auch die Chancen auf besseres Material beträchtlich steigern. Auch im hinteren Feld darf also mit einem Hauen und Stechen gerechnet werden.