Pro: Zweikämpfe gerne, doch Torheit schützt vor Strafe nicht

Vorweg: Ja, in der Formel 1 wird zu viel bestraft und oft sind die Entscheidungen der Stewards schwer nachvollziehbar. Im Sepang-Fall Rosberg vs. Räikkönen war das allerdings nicht so. Natürlich soll im Motorsport gekämpft und überholt werden. Doch Überholmanöver müssen gut durchdacht und intelligent gesetzt werden. Das bedeutet, dass nicht einfach stumpf reingehalten und billigend eine Kollision in Kauf genommen wird, sondern, dass das Überholmanöver präzise und konsequent ausgeführt wird. Ein Anspruch, den jeder Rennfahrer haben sollte. Denn erstens ist ein Überholmanöver mit Kontakt nichts, worauf man aus sportlicher Sicht besonders stolz sein kann, und zweitens geht es mit der Tatsache einher, dass mit der Kollision auch das eigene Rennen riskiert wurde.

Rosberg hatte das schnellere Auto und noch 18 Runden Zeit, sauber an Räikkönen vorbeizugehen. Dennoch setzte er sein Manöver aus einer Position, aus der er niemals ohne Berührung am Gegner vorbeigekommen wäre - oder zumindest nicht, ohne diesem die Verantwortung für das Vermeiden der Kollision zu überlassen. Rosberg schaffte es nur, zur Kurvenmitte auf Höhe des Ferraris zu sein, indem er zu spät bremste, viel zu spitz in die Kurve fuhr und seine eigene Linie nicht halten konnte. Räikkönen hingegen hatte nicht den Hauch einer Chance, den Mercedes kommen zu sehen, geschweige denn einen Angriff von so weit hinten zu antizipieren. Er war zum Zeitpunkt des Kontakts bereits fast am Scheitelpunkt von Kurve 2.

Das Anlehnen von Rosberg wäre im Tourenwagensport akzeptabel, wenn auch nicht unbedingt fair, gewesen. Im Formelsport ist es jedoch aufgrund der Fahrzeugkonstruktion unangebracht - auch, wenn in diesem Fall beide Autos das Rennen scheinbar ohne Beeinträchtigungen fortsetzen konnten. Max Verstappens in Spa vorgebrachtes "Ist doch nichts passiert"-Motto ist längst keine Absolution für unverantwortliches Verhalten. Natürlich soll Rosberg hier keineswegs Absicht unterstellt werden. Erstens sah es nicht danach aus, und zweitens wäre ein risikofreies Überholmanöver seinen Ansprüchen hinsichtlich des WM-Kampfes sicherlich eher gerecht geworden. Rosberg hat sich schlichtweg verschätzt. Aber wie heißt es so schön? Auch Torheit schützt vor Strafe nicht.

Contra: Wollen wir nun Racing oder nicht?

Also wirklich, diese Strafe gegen Rosberg entbehrt jeglicher Grundlage. Ja, es gab eine Berührung, ja, es flogen Teile. Aber sowohl Rosberg, als auch Räikkönen konnten problemlos weiterfahren. Wie sehr wurde der Mercedes-Pilot in der Vergangenheit dafür gerügt, ihm fehle der Killer-Instinkt im Zweikampf. Nun zeigt er ihn, und er wird bestraft. Um eine Strafe auszusprechen, muss ein Fehlverhalten eines Fahrers vorliegen. Dies war hier nicht der Fall. Rosberg ist dem Ferrari-Piloten nicht ungestüm ins Auto gefahren, wie ein gewisser Kollege am Rennstart. Er war genau daneben, als es zur Berührung kam. So etwas nennt man übrigens Racing.

Es ist sehr schade, dass die Stewards in einem solch spannenden und ereignisreichen Rennen meinen, sich einmischen zu müssen. Das Image der Formel 1 ist, was Zweikämpfe betrifft, nicht das Beste. Zu oft wird argumentiert, dass Duelle entweder nicht möglich sind oder keinen wirklichen Kampf beinhalten, da Hilfsmittel wie DRS dem vorausfahrenden Fahrer es unmöglich machen, sich zu wehren. Vielleicht sind es die Stewards daher auch gar nicht mehr gewöhnt, ein Überholmanöver an ungewöhnlichen Stellen zu erleben. Fahrer wie Max Verstappen wurden in dieser Saison schon mehrfach gefeiert für ihr kompromissloses Agieren.

Und jene, die dennoch meinen, Rosberg sei an dieser Stelle zu hart gefahren, seien an 1999 erinnert. Damals kam es im Duell zwischen David Coulthard und Michael Schumacher an exakt derselben Stelle zu einem vergleichbaren Manöver. Damals fiel die Berührung sogar noch heftiger aus. Strafen? Fehlanzeige. Und womit? Mit Recht! Solche Duelle sind das Salz in der Suppe. Die Formel 1 sollte für solche Aktionen dankbar sein und sie nicht bestrafen.