Zum fünften Mal in diesem Jahr hat das lange Warten auf den zweiten Teil des Formel 1 Qualifyings begonnen. Und zum fünften Mal stellen wir uns die gleichen Fragen nach den Schlüsselaspekten des abschließenden und alles entscheidenden Renntages.

S wie Startaufstellung

Die erste große Frage, welche am Sonntag beantwortet wird, lautet: Wer holt die Pole? Eine Vorhersage dafür erscheint vor dem 2. Qualifying allerdings unmöglich. Schließlich trennen die ersten Vier gerade einmal 75 Tausendstel!

Entsprechend haben sowohl die beiden Toyota-Piloten Jarno Trulli und Ralf Schumacher als auch die beiden Favoriten Fernando Alonso und Kimi Räikkönen noch alle Chancen auf den Startplatz an der spanischen Sonne.

Die knapp zweieinhalb Zehntel Rückstand von Mark Webber erscheinen derweil aufgrund der Dichte von gleich vier Piloten vor ihm nicht mehr durch einen Fehler der Top-Leute aufholbar. Und auch Webbers Vorsprung auf den hinter ihm platzierten Michael Schumacher erscheint mit vier Zehnteln durchaus großzügig bemessen.

Ganz im Gegenteil: Der Ferrari-Star muss seine Augen sogar nach hinten richten und aufpassen, dass er nicht noch eine Startposition an den zweiten Renault-Mann Giancarlo Fisichella verliert.

S wie Setup

Wegen seiner vielen schnellen Kurven stellt der Circuit de Catalunya die höchsten Anforderungen aller Grand Prix-Kurse an die Aerodynamik. Zudem weist der Kurs so ziemlich alle vorstellbaren Kurvenarten auf und besitzt er zwei lange Geraden.

"Wir fahren hier mit viel Abtrieb, da vor beiden Geraden jeweils eine schnelle Kurve liegt", erläutert Fernando Alonsos Renningenieur Rod Nelson. "Deswegen hängt die Höchstgeschwindigkeit nicht vom geringen Luftwiderstand durch eine flache Flügelstellung ab, sondern davon, wie gut du in den schnellen Ecken bist und wie gut du aus ihnen heraus beschleunigst." Und dafür ist ein gewisses Maß an Downforce unabdingbar. "Leider macht diese Charakteristik das Überholen fast unmöglich, da in den schnellen Kurven niemand nah hinter seinem Vordermann bleiben kann."

Bei der mechanischen Abstimmung – also von Federn, Dämpfern und Bodenfreiheit – müssen ebenfalls einige Kompromisse eingegangen werden. "Die Straßenlage der Autos hat sich durch die Neuasphaltierung im Winter und den Umbau von Turn 10 verbessert. Mit dem neuen Belag verschwand unter anderem eine große Bodenwelle auf der Zielgeraden, wegen der wir bislang mit größerer Bodenfreiheit fahren mussten. Das neue Profil von Turn 10 hat den ungeliebten 'Waschbrett-Effekt' der Straßenoberfläche eliminiert, der die Autos aus der Balance brachte. Die Vorderradaufhängung stimmen wir nun sehr steif ab, vor allem, um in den Kurvenkombinationen 1 und 2 sowie 7 und 8 die schnellen Richtungswechsel zu unterstützen. Das Heck wird etwas weicher eingestellt, um aus den langsameren Ecken heraus die Traktion zu verbessern."

Während die Flügel also auf viel Abtrieb getrimmt werden, um dem reifenzehrenden Untersteuern vorzubeugen und das Auto in schnellen Kurven zu stabilisieren, wird die Bodenfreiheit "so tief wie möglich" gewählt. Bei den Bremsen wird derweil der "kleinste verfügbare Kühllufteinlass" gewählt, um die aerodynamische Leistung nicht zu beeinträchtigen.

S wie Schonen

Obwohl die Aerodynamik auf der anspruchsvollen Strecke in Barcelona wichtiger als der Motor ist, müssen die Triebwerke natürlich auch hier geschont werden. Dabei spielt auch die Wahl der richtigen Getriebeübersetzung eine wichtige Rolle, da die Motoren auf der langen Zielgeraden längere Zeit auf Höchstdrehzahl drehen.

"Um die Zuverlässigkeit nicht zu gefährden und um das Triebwerk bei aufkommendem Rückenwind nicht zu überdrehen, brauchen wir einen Sicherheitspuffer in der Drehzahl", verrät Renault-Motorentechniker Rémi Taffin. "Diese Extra-Drehzahlen geben wir für Überholmanöver frei – obwohl sich diese Gelegenheit wegen der Streckencharakteristik nur selten bieten dürfte."

Der bei weitem wichtigste Parameter, der mehr als alles andere über die Leistung der Autos entscheidet, ist aber der Umgang mit den Pneus über das gesamte Rennwochenende. "In den lang gezogenen Kurven ist die Reifenenergie – vereinfacht gesagt die Arbeit, die ein Pneu leisten muss – äußerst hoch. Dies verstärkt den Reifenverschleiß, der durch die diesjährigen Regeln besonders ins Gewicht fällt", erklärt Rod Nelson die Wichtigkeit des schwarzen Goldes. "Der Effekt betrifft vor allem die Vorderreifen – und die Tatsache, dass es sich überwiegend um Rechtskurven handelt, bedeutet, dass der linke Vorderreifen ausnehmend stark belastet wird."

Im Setup versuchen die Teams deshalb den Reifenverschleiß über Veränderungen der Sturzwerte zu kontrollieren. Im Rennen kommt es dann darauf an, "die Reifen nicht zu überfordern", pflichtet Chefrenningenieur Pat Symonds seinen Kollegen bei. "Daran werden wir unser Renntempo ausrichten. Es soll morgen mindestens so warm werden wie heute. Darum erwarte ich, dass das Verhalten der Reifen bei unterschiedlichen Teams stärker voneinander abweichen wird als in den bisherigen Rennen. Wir selbst sind sehr zufrieden mit den Mischungen, die Michelin uns hier in Barcelona zur Verfügung stellt."

Entsprechend betont Michelin-Motorsportdirektor Pierre Dupasquier auch die Konkurrenzfähigkeit seiner Pneus. "Wir sind uns der Konkurrenzfähigkeit unserer Reifen über eine volle Renndistanz unter diesen Bedingungen bewusst", erklärt der Franzose. "Aber es gibt einige externe Faktoren die einen negativen Einfluss haben könnten." Beispielsweise der in Barcelona unberechenbare Wind oder die Temperaturschwankungen, die sich schon zwischen dem freien Samstagstraining und dem 1. Qualifying auf die Zeiten auswirkten.

S wie Strategie

Seit der Einführung der langlebigen Reifen und dem Verbot von Reifenwechseln scheinen Dreistopprennen der Vergangenheit anzugehören. Demzufolge verrät Bridgestone-Technikchef Hisao Suganuma kein Geheimnis, wenn er sagt, dass er "die meisten Teams auf einer Zweistoppstrategie" erwartet.

Besonders Suganumas Premiumkunde aus Maranello setzt jedoch bei seiner Strategie auf die härtere Variante der schwarzen Gummiwalzen aus Japan. Im Rennen wird es nun interessant sein zu beobachten, wie sich die Michelins im Vergleich zu den Bridgestone-Reifen verhalten. Denn im Gegensatz zu den Franzosen, die auf mittelweiche bis weiche Mischungen setzen, haben die Japaner mittlere bis harte Gummis mit nach Barcelona gebracht. Sollten die Reifen also nicht zu hart gebacken worden sein, könnten sie im Rennen einen ähnlichen Konstanzvorteil wie in Imola aufweisen.

Aber Mike Gascoyne erwartet auch seine Michelin-Pneus als "konkurrenzfähig": "Die Michelins sind sehr konstant auf Long Runs und ich bin mir sicher, dass dies auch morgen der Fall sein wird."

Für Nick Heidfeld spielt die Strategie morgen noch aus einem ganz anderen Grund eine wichtige Rolle: Der Deutsche muss nach zwei Motorwechseln von ganz hinten losbrausen. "Jetzt sind wir am Überlegen, was unter diesen Bedingungen die beste Strategie ist", sagt Quick Nick. "Zumal man in den letzten Rennen gesehen hat, dass es nicht einfach ist, im Rennen zu überholen. Wir werden uns etwas einfallen lassen."

S wie Speed

In bislang allen Sessions des Großen Preises von Spanien lag an diesem Wochenende mindestens einer der beiden Minardi-Piloten unter den Top-2 der Top-Speed-Wertung!

Im 1. Qualifying führten Christijan Albers und Patrick Friesacher die Top-Speed-Tabelle sogar überlegen an. Eine große Hilft wird ihnen dies im Rennen allerdings nur bedingt sein, denn Gegner die sie auf der langen Geraden überholen könnten gibt es nicht in ihrer Reichweite. Und auch für die anderen Teams wird es, wie Rod Nelson und Rémi Taffin bereits betonten, schwierig erfolgreiche Überholmanöver zu platzieren.

S wie Spannung

Dennoch erwartet uns ein weiteres spannendes Rennen, bei welchem auch ohne die gesperrten British American Racer, die bei den letzten Testfahrten hier einen neuen inoffiziellen Rundenrekord aufgestellt haben, mindestens drei bis vier Teams um den Sieg mitfahren können!

Neben den üblichen Verdächtigen Renault, McLaren und - allen Unkenrufen zum Trotz - Ferrari scheint auch Toyota nach dem Formtief von Imola in Barcelona wieder ganz vorne dabei zu sein. Neben den Aerodynamikverbesserungen scheinen den Japanern auch wieder einmal die heißen Temperaturen in die Reifen zu spielen.

Als Geheimtipp, vielleicht nicht im Kampf um den Sieg, aber im Kampf um die Plätze dahinter, könnte sich Williams entpuppen, die zwar in Person von Nick Heidfeld einen Motor-Rückschlag hinnehmen müssen, aber mit Mark Webber und dessen überraschend stark liegenden FW27 trotzdem noch ein weiß-blaues Eisen im Feuer haben.